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Versammlungsprotokoll, April 1933 (Meeting Transcript, April 1933)

EA 33/126

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date April 01, 1933
Document Id 0000000112_40_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll, April 1933

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 33/126

Bitte um Aufnahme ins Noviziat

Bruderschaft, April 1933

Josef Ratschüler: Ich habe gar nicht viel zu sagen, nur daß ich vom ersten Tage an schon die Gewißheit hatte, daß hier eigentlich mein Platz ist und daß bei mir gar keine Hindernisse gewesen sind. Meine einzige Bitte ist, daß ich als Novize aufgenommen werden könnte.

Eberhard: Könntest du nicht etwas mehr sagen?

Josef Ratschüler: Das war mein letzter Werdegang, als ich in Stettin den Gedanken hatte, mich ganz Gott hinzugeben, nicht nur in Worten, sondern auch in Gedanken. Das kam dadurch, daß Gott alles in mir zerschlagen hat, daß es ein ganz anderer Wille war, die Gnade Gottes, die mich dazu berufen hat, von allem los zu werden. Von allem Plunder bin ich frei geworden, habe keine Sehnsucht mehr, in mein altes Leben zurückzukehren, nur das eine habe ich zu sagen und da mitzuarbeiten. . . .

Frau Margarethe Ratschüler: . . . tiefe seelische Erschütterung erlebt; . . . empfinde als eine von Gott Getroffene.

Eberhard : Du mußt einen vollkommen neuen und andersartigen Weg finden. Dieser Weg war dir nicht sofort klar, und jetzt, nachdem du hier warst, hast du den Eindruck, dieses sei der Weg? (Ja.) Könntest du vielleicht auch noch andeuten, woher dieser Eindruck kommt, daß gerade die Bruderhofart, die doch auch ihre menschlichen Schwächen hat. . . . Woher kommt das?

Margarethe: Weil ich das sehe, daß das, was Christus uns anbefohlen hat, in keiner Kirche geschieht. Und hier ist der einzige Weg. Ich hätte auch gar keine Sehnsucht mehr, zu einer Gemeinschaft zurückzukehren.

Eberhard: Also ist es die Liebe zu Jesus, die gerade am Osterfest uns besonders nachdrücklich nahegebracht wird. So hast du das Gefühl, daß du nicht durch menschliche Gedanken, sondern durch Gottes Ruf. . . .

Margarethe: Ja, daß es eine Gnade Gottes ist, die mir diesen Weg gezeigt hat.

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Eberhard: Ja, ich denke wir wollen das annehmen und wollen Josef bitten, das Noviziat auf sich zu nehmen im Sinne eines Noviziats auf Bedenkzeit, um noch wenige Wochen sich gründlich zu prüfen, daß er von Gott hierher gerufen ist oder ob nicht doch menschliche Erwägungen mitgespielt haben, daß es sich zeigt, daß es wirklich Gott ist, der dich ruft.

Wir wünschen niemanden zu überreden; wenn jemand unter dem Einfluß eines von uns gerne Bruderhöfer werden wollte, so wäre das ein Grund ihm zu sagen: so geht das nicht. Deshalb hüten wir uns, einen persönlichen Einfluß auszuüben. Die Sache ist zu groß, als daß wir da menschliche Dinge hineinbeziehen dürften. Und zwar besteht die große Sache nicht in dem augenblicklichen Zustand des Bruderhofes, sondern in dem letzten Sinne unseres Lebens, nach dem wir hier gemeinsam suchen und um das wir hier gemeinsam kämpfen.

Wir nehmen unsern lieben Josef Ratschüler hiermit in das Noviziat auf, indem wir ihn bitten, die nächsten Wochen als eine tiefgehende Bedenkzeit aufzufassen, wo er sich bedenken möchte, ob es wirklich nur Gott ist, der ihn gerufen hat.

Margarethe: ich möchte noch einmal ganz kurz auf dieses zurückgreifen. Es ist so herrlich, wie es in meinem Mann gewachsen ist, daß er jetzt viel fester immer stand als ich. Jeden Abend trat die Versuchung an mich heran, wo ich Erbauungen gesucht habe, die ich nicht fand; da hat mein Mann mich immer so herrlich beruhigt, daß ich so dankbar war, daß diese Umwälzung niemals ein Mensch fertiggebracht hätte. Wir haben ja auch niemand von euch gekannt, der uns heraufgezogen hätte, das ist ein Beweis für euch, daß uns der Hunger heraufgezogen hat. Wir wußten, es ist ein tiefer Weg, den wir gehen mußten, unser ganze Ehre Gott zu Füßen zu legen. Es war eine schwere Zeit, und möchte euch auch bitten, wenn es geht, mich auch aufzunehmen.

Eberhard: Wie war nun die letzte Verstimmung, der du anheimgefallen bist ?

Margarethe: Wie ich eben sagte, wie ich jeden Abend zu kämpfen hatte: Ist es nötig aufzugehen in einer Gemeinschaft? Kannst du es vielleicht an [irgend]einem Ort und alle Menschen, die an dich herankommen, . . . wenn du dich daran verzehrst, ganz freiwillig wie früher an Menschen, die in unser Institut kamen, ganz

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freiwillig. Es ist mir heute auch klar geworden, daß eure Gemeindestunden nur Reinigungsstunden sind, daß ihr euch eben so vor Gott selbst prüft und alles das noch abtut und Gottes Geist herabfleht. Das war mir heute morgen neu. Ich dachte es wäre doch nur mehr Passionsstunde, verstand den Sinn nicht, daß ihr ganz und gar eure Gäste ausschaltet.

Eberhard: Das ist eine sehr schwerwiegende Frage. Vielleicht können Fritz und Heini den Eindruck wiedergeben, worin dieses innere Leiden bestand.

Fritz [Kleiner]: Wie wir es verstanden, daß es eine Gewohnheit war und sie ein Gefühl nach Befriedigung heischte. Und auf Grund unserer Haltung, daß wir Grete Ratschüler nicht zu den Gemeindestunden aufgefordert haben und nicht zur Taufe, glaubte sie, daß ihr inneres Leben gefährdet sei. Sie wäre in die katholische Kirche hineingegangen, um sich zu trösten.

Wir sagten, daß es nicht um eine Gewohnheit, auch nicht um ein Gefühl, sondern um das Reich Gottes ginge, und das wäre eine recht sachliche Angelegenheit.

Eberhard: Heini, wie erscheint dir das mit dem jetzigen Entschluß und dem vorgestrigen Erlebnis?

Heini [Arnold]: Ich spüre einen gewissen Unterschied heute, schon wie sie sagte, daß ihr klar wurde, daß unsere Gemeindestunden keine Erbauungsstunden sind; sie sprach von einer Erquickung. Das war ihr nicht klar, daß unsere Gemeindestunden nicht eine Erquickung sind.

Hardy [Arnold]: Ich meine, daß dieser Gegensatz noch klarer werden müsste, daß es bei einem Eintritt ins Noviziat nicht in erster Linie darum geht, daß die religiösen Bedürfnisse befriedigt werden, sondern daß es sich um eine Sache handelt, der man sich hingibt, daß es nicht um ein religiöses Ich geht.

Eberhard: Wir wollen darin sehr gerne Geduld haben, aber wir möchten gerne eine kristallklare Luft haben.

Emmy: Ich wundere mich nicht, daß es Schwierigkeiten gegeben hat. Als sie zu uns kamen, waren sie uns zu zustimmend. Wir wundern uns gar nicht, daß da irgendwie Fragen aufgeworfen werden. Das Leben ist so ganz anders als man es draußen kennt. Eberhard: Daß Schwierigkeiten sind, finden wir durchaus natürlich; wir finden das nicht zu verwundern, wir möchten es geradezu begrüßen. Wenn

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die Sache zu reibungslos geht, ist es verdächtig. Es soll mal tüchtig ein Anecken stattfinden. Darum handelt es sich, daß du es erkennen mußt, wo der Weg ist zu dem Himmel, wo Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiliger Geist ist Und dieser sachlichen Frage gegenüber war doch Fritzens Einwand ganz richtig. Das, was Fritz sagte, ist nur eine Mahnung, es ist ein Aufmerksammachen: Wir wollen doch hier keine Religionsmischung treiben. Unsere Richtung ist das nicht. Wir haben nicht den Auftrag, die Gegensätze zu verwischen.

Vielleicht kannst du uns nochmals sachlich ein wenig erzählen: Wie ist es dir allmählich klar geworden? Du bist ein Gefühlsmensch, vielleicht kannst du uns irgendwie erklären, daß wir das mitempfinden, welche Sehnsucht, welches Verlangen, welcher Wille dich treibt, was dich beseelt und erfüllt.

Josef und Margarethe Ratschüler: "Allen Bruder sein, allen helfen, dienen," ganz von sich selbst loskommen, wie ich es täglich sehe, wie ihr euch losgelöst habt.

Eberhard: Du willst so sehr gerne hinein in dieses gemeinsame Leben, auch in das Glaubensleben, und dann mußtest du plötzlich draußen stehen, und das hat dich so geschmerzt. Möchtest du nun ebenso wie dein Josef das Noviziat auf dich nehmen?

Margarethe: Das möchte ich euch überlassen, weil ich morgen nun den schweren Weg vornehmen muß. Es ist so schwer, das durchzuführen, aber es ist doch unsers Vaters Wille, von allem frei zu werden. . . .

Emmy: Wie denkst du denn? Bei dir muß es doch ganz eindeutig sein.

Margarethe: Ich denke, daß ich es auf mich nehmen kann.

Eberhard: Ist es bei dir auch so eindeutig, . . . . Du mußt nicht denken, du bist doch gefaßt innerlich, und die 57 Menschen wollen dich nicht annehmen. Das gibt es gar nicht! Es kommt jetzt auf einen springenden Punkt an, der ist folgender: [Es handelt sich] nicht um einen Kreis lieber oder unlieber Menschen, die über dich beschließen wollen das gibt es gar nicht, wir sind gar kein solches Konzilium das erscheint vielleicht so.