Manuscript

Freudenstadt 1

EA 24/12

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date October 01, 1924
Document Id 20125987_23_S
Available Transcriptions German

Freudenstadt 1

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - M.S.]

EA 24/12

Freudenstadt 1

Juni 1924

Einige Wochen sind seit unserer Freudenstädter Freizeit verflossen. Die Bedeutung unseres dortigen Zusammenseins kann uns durch diesen dazwischen liegenden Zeitraum deutlich werden. Viel nebensächliche Einzelheiten werden nun von selbst zurücktreten. Die Tischgemeinschaft und Arbeitsgemeinschaft, das gemeinsame Singen aus den Sonnenliedern und den Volksliedern, wie vor allem die persönlichen Bekanntschaften werden uns immer in Erinnerung bleiben.

Wir waren als Buchhändler zusammen, die für Herstellung und Vertrieb des christlichen Buchhandels im evangelischen Sinne eintreten. Es zeigte sich deutlich die Entwicklung im evangelischen Verlag und Buchhandel, dass das Buch, das irgendwie Träger des Evangeliums ist, mehr und mehr mitten unter anderen Büchern verlegt und verkauft wird, so dass auch die Zusammensetzung der Teilnehmerschar nicht geschlossen im Sinne eines abgeschlossenen Kreises war.

Und dennoch konnten und mussten wir uns um die Missionsaufgabe des evangelischen Buchhandels zusammenfinden. Gerade darin liegt seine Mission, dass er die Sendung der Gemeinde in die produktive und kaufmännische Berufsarbeit hineinträgt, und dass er den sehnsüchtigen, nach irgend etwas Gutem suchenden Menschen das Beste zu bieten hat, wofür sie nur irgend aufnahmefähig sind. Auf diese Hauptaufgabe kamen wir bei allen Arbeitsgebieten wieder und wieder zu sprechen, - in der Praxis des Sortimenters im Laden, in seiner Schaufensterausstellung und in seiner sonstigen Werbetätigkeit und nicht zum wenigsten in der Verantwortung des Verlegers. Keine der Fragen, die die technische Berufsausbildung mit sich bringen, wurde vergessen. Die richtige Benutzung des Börsenblattes, die Schwarz-weiß-Buchkunst, Kitsch und Kunst im Buchhandel, die Tätigkeit am Bücherwagen, die Lehrzeit im Sortiment, der Arbeits-

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komplex des Großbuchhandels und des Kommissionärs beschäftigten uns ebenso sehr wie die allgemeine wirtschaftliche Lage und die besondere Sparsamkeitsforderung und Werbeforderung und der praktische Ausbau der Buchführung im Buchhandel.

Die Verantwortung für den Inhalt des gebotenen Buches wurde so ganz im Zusammenhang mit der gesamten Berufsverantwortung empfunden. Der Buchhändler, wie er eigentlich sein sollte, müsste ganz Kaufmann, ganz Künstler und ganz Gelehrter sein. Der evangelische Buchhändler müsste vor allem ganz Christ und Zeuge des Evangeliums sein. Die Forderung des Neuen, dass wir nicht wieder bloßer Geschäftstüchtigkeit und dem Trieb nach Vermögensvergrößerung verfallen dürfen, dass unsere Geselligkeit nicht geistlose Gemütlichkeit und nicht unbeseelte Lustigkeit sein dürfe, führte vor die Aufgabe, von wirklicher Gemeinschaftsarbeit aus das Buch zu bilden und zu verbreiten.

So gehörten denn die Vorträge, die in die Bücher über Jesus und sein Leben und die Entwicklung der Glaubens- und Erweckungsgeschichte hineinführten, zur Hauptaufgabe der Tagung. Leider fehlte es hier wie ähnlich für die Vorträge des Sortiments und des Großbuchhandels und der Durcharbeitung des Börsenblattes und der Schwarz-weiß-Kunst an der Zeit, die besten alten und neuen Bücher mit den schlechteren Ausgaben zu vergleichen. Die Wirkung, die Jesus auf die Menschen aller Jahrhunderte ausgeübt hat, wurde an den Büchern der Dichtung und der Wahrheit über ihn deutlich. Das Zeugnis der Nachfolge Christi, einer Lebensgestaltung, die seinem Geist entspricht, zieht sich durch die Jahrhunderte hindurch und zeigt sich in den besten Büchern, wie an dem Beispiel Franz von Assisi am besten gezeigt werden kann. Das Buch der Wahrheit mit dem Gnadenzeugnis des Paulus hat besonders durch Augustin und Luther, tief vorbereitet durch die Mystik –

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beispielsweise Tauler -, die Geschichte unseres Abendlandes tief durchwirkt. In den Erweckungsbewegungen und Gemeinschaftsbewegungen, am charakteristischsten in Zinzendorf verkörpert, wandte sich diese Botschaft ganz ins persönliche Erleben. Erst in dem Lebenszeugnis der Blumhardts vereinigte sich hiermit die uralte prophetische Botschaft des Reiches Gottes. Die Nachricht der objektiven Wirklichkeit Gottes, die Umstellung auf sein kommendes Reich.

Unser Buchhandel sollte sich ganz dafür hingeben, dass diese Nachricht von Jesus und seiner kommenden Neuordnung, die in den besten Büchern aller Zeugen aus allen Jahrhunderten zu finden ist, an alle Menschen herankommt. Wir waren uns ganz darüber klar, dass die Missionierung durch das Buch von nicht geringerer Bedeutung ist als die durch das gesprochene Wort. Wenn es keine Buchausstellung mit Kaufgelegenheit, mit persönlicher Bedienung und persönlicher Empfehlung der besten Bücher gäbe, so müsste sie geschaffen werden. Solange es keine bessere solche Gelegenheit gibt als den Sortimentsbuchhandel, haben wir uns für ihn einzusetzen. So wurde es jedem als Vorrecht klar, aus welchen Kreisen er auch gekommen war, an der Herstellung und Verbreitung der besten Bücher mitzuwirken.

Gemeinschaftschristen und Menschen aus der Jugendbewegung, lutherische Christen und Arbeiter der inneren Mission, geübte Fachleute und Freude und Freundschaft suchende Jugend, - kurzum alles war zusammen. Und wir fanden uns in der Überzeugung, dass es gut so war, und dass es der größte Fehler sein würde, wenn etwa künftig kleinere Zusammenkünfte nach irgendwelcher gesinnungsgemäßer oder geographischer Gruppierung von einander gesondert würden. Das Größte war uns Sannerzern das starke Einheitsbewusstsein, das zwischen durchaus verschiedenartigen Menschen aus scheinbar entgegengesetzten Gruppen als Erschütterung des Gewissens, als Berufung der Gemeinde und als Sendung des Lebenszeugnisses durchbrach.