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Die Verantwortung der Stunde und unsre Arbeit
EA 25/18
Additional Information | |
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Author | Eberhard Arnold |
Date | September 17, 1925 |
Document Id | 20126083_10_S |
Die Verantwortung der Stunde und unsre Arbeit
[Arnold, Eberhard and Emmy papers - A.D.]
EA 25/18
Die Verantwortung der Stunde und unsre Arbeit
Wir leben in der Nacht zwischen zwei Tagen, in der Ratlosigkeit der Auflösung und in der dumpfen Ahnung des Anfangs. Der Blick in die Zukunft braucht Halt für den Schauenden in der Vergangenheit! Die Gegenwart, die Stunde entscheidet, ob wir stürzen oder dem neuen Tag gehören.
Die Nacht offenbart ihre Finsternis an der Maschine, an der Grossstadt. Die Stadtluft dringt aufs Land. Es ist ein dunkler Wirtschaftszusammenhang.
Der Mensch wird Masse.
Demgegenüber der Drang nach Zukunft und die Verwaltung des Erbes. Kühn nach vorwärts! Voran! Tief in die Schätze! Hinein!
Entseelte, unbewegte Masse ist unser Schicksal der Stunde.
Gott will in diesen toten Aeon hinein, sich seinen Sohn seinen Geist hineinsenden, ja seine Gemeinde!
Er will die Einheit von Natur und Gnade, die jetzt so heillos auseinandergerissen erscheinen. Das Letzte ist: „Gott alles in allem!“
Der Protest des Glaubens gegen diese Welt-Kultur muss das Herz dieser Kultur treffen und alles in dieser Kultur umfassen!
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Der Einspruch gegen die Welt hat nur so lange Recht, als er aus dem Drang nach Gestaltung, Verkörperung, Offenbarung, nach Schöpfung und Neuschöpfung, nach Formung ersteht. Der Glaube muss immer wieder in geschichtlichem Gebilde eine Sichtbarkeit gestalten. Der Einspruch gegen alles bisher Gestaltete, gegen die Welt, muss eine neue Gestalt, eine Erscheinungsform bringen, die so wirkt, so Gott kündet, dass das Herz der jetzigen hiesigen Menschenwelt getroffen wird. Der Trieb nach Gestalgung und der Protest gegen die Unvollkommenheit jeder Gestaltung, Furcht und Scheu vor dem unermesslich Gewaltigen.
Das Göttliche ist fern und anders als wir sind.
Der Glaube überwindet die Welt, indem er in alle Bedingtheiten die unbedingte Forderung trägt, bis in staatliche und wirschaftliche Fragen hinein, immer zu greifbarer Gestaltung und sichtbarer Erscheinungsform.
Nur keine Privat-Innerlichkeit! Über das Gewissen: Gottes Geist! Über das Erlebnis: Der lebendige Gott! Über die Wahrhaftigkeit: Die Wahrheit. Farbe, Farbe: gegen das Grau der Stadt! Accorde, Accorde! Gegen die Fabrikpfeife der Industrie. Die Sache, das Leben, Gott selbst. Sein reiches Reich.
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Neuschöpfung im Sinne der Stunde, in der Verantwortung der Stunde! Im Geist der Busse, in der Kraft des Sterbens muss Neues neu erlebt werden. Im Protest Gottes gegen den Abfall!
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[II]
Die Verantwortung der Stunde und unsere Arbeit.
Kommen der schöpferischen Kräfte und Erwachen des Gemeingeistes tut not. Der Geisteskultur, dem Volksbuch kommt heute eine entscheidendere Bedetung zu als nach 1807.
Das Wirtschaftliche Mittel oder Zweck?
Alles ist wirtschaftlich orientiert. Gewinn. Die erhöhte wirtschaftliche Arbeit soll Rettung bringen: gesteigerte Produktion von Gütern! Aber nur Ausnutzung der vorhandenen Kräfte? Aber die produktiven Kräfte selbst müssen geweckt und gestiegert werden: Produktion produktiver Kräfte tut not.
Der Wille zum Schaffen u Erhalten der Geistesgüter. Stadt und Arbeiter, flaches Land und Bauern, Bürgertum, Arbeiterschaft und Bauernschaft, Alter und Jugend müssen ergriffen werden.
Der Geist in seiner Fülle als schöpferischer Geist will für alle Natur- und Arbeits-Bedürfnisse Einheit und Reinheit bringen, ein Stil des heiligen Geistes muss kommen in allem!
Zuerst muss die geist-seelische Gemeinschaft der verantwortlich Arbeitenden kommen, eine sachlich-persönliche Fühlung, die dann mehr und mehr in den Kreis der Verantwortung zieht. Das Werden der grossen Natur-Zusammenhänge der grossen Geistes-Einheit muss frei unter uns erstehen.
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Für alle Kräfte des Schöpfter-Gottes, für alle Kräfte des Logos-Christos offen zu sein, ist die Losung. Einheit der Schau aller Dinge, und Einheit der Arbeit der Lebenshaltung tut not. Ein neues Menschentum muss erstehen. Soziale Gerechtigkeit ist die Grundbedingung. Die innere Überwindung aller Vorrechte, ja des Rechts-Standpunkts überhaupt.
Nur durch lebensvolle Führung, nicht durch trockne Lehre kann geholfen werden. Der Charakter muss in Wahrhaftigkeit, Willensstärke und Überzeugungstreue das leben, was gesagt wird. In Selbstbestimmung selbst Verantwortung für alles auf sich zu nehmen, führt allein zu Freiheit und Einheit. Nur so wird vom Gewissen aus das gesamte Leben echt und wahrhaftig gebaut und geformt werden können. Durch Tun wird unser Wissen ganz.
In allen Dingen müssen wir die Richtung zum Reich, zu den unendlichen Werten der Zukunft Christi einschlagen. Der Weg muss gefunden, die Strasse gewonnen werden.
Nur wenn das gemeinsame Leben des reinen Stils der Wahrheit vorgelebt wird, kann das Neue erstehen. Die Lebensführung entscheidet. So kommt es zum Zusammenschluss alles Geist-Gefassten. So kommt
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der Geist in die Führung des Ganzen. Wer wirklich frei ist verträgt es nicht, in Unfreiheit atmen zu müssen. Er muss seine Freiheit für den anderen, für jeden anderen wollen. Der Mensch der frei ist, soll zum Leben befreien. Nur er kann es.
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[III]
Donnerstag für Stollberg
Die Verantwortung der Stunde und unsere Aufgabe.
I. Der kairos [kairos]. Die Nacht des Unterganges und die Erwartung des Tages. Die Stunde Gottes und der Tag des Herrn. Die grossen Augenblicke: die jüd. Propheten. Das Urchristentum. 1000 – 1300. Die Reformationsjahrhunderte 1500-1700. Unsere Stunde.
Der Niedergang und die Zwei-Spaltung seit der Reformation, von 1700 an: Pietismus, Methodismus, Gemeinschaft-und-mammonistische, maschinelle, versklavende Wirtschaft. Zinzendorf, Wichern, Blumhardt, und Heils-Armee, ohne durchzudringen.
Die Lage: 1) Das Überwiegen der Wirtschaft: Kapitalismus, Industire, Banken, Maschinen, Technik, Geld, Existenz-Kampf um Brot, Kleid und Bett. Sozialer Aufstieg der „Wohlhabenheit“ – (wunderbares Wort: Das Haben ist es. Die Wohlbeliebtheit gesättigten Wohlbefindens ist es. Das Gegenteil des Jesusweges, der sich aller Vorrechte und Besitztümer entäussert und das äusserste Missbehagen im gottverlassenen Schandtode auf sich nimmt). Alles richtet sich nach Geld und Wirtschaft, auch Staat, Recht, Schule – auch die Religion? auch das Christentum? Wie durch die Propheten die soziale Ungerechtigkeit der Reichen, der Priester u. d. Könige für das kommende Reich angegriffen wurde, wie durch Jesus und das Urchristentum umfassend das Pharisäertum menschlicher Frömmigkeit, Moral und Gerechtigkeit, der innere Reichtum menschlichen Besitzes und damit auch der reiche Mann, der reiche Jüngling und der Sammler von Vermögen – gerichtet war, - wie nach der ersten Jahrtausendwende um der Nachfolge Christi willen die geliebte Braut Armut gesucht und das Evangelium wieder von Gesandten des zehnten Matthäuskapitels gekündet und gelebt wurde wie im Reformationsjahrhundert der schmähliche Ablass-Reichtum
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des Papstes und der Kirche, der zauber Reichtum der Messe und der Priesterschaft durch den Pfeil der Wahrheit getroffen wurde, so holt Gott jetzt entscheidend gegen die Götzen-Anmassung des Geldes, der Wirtschaft, der Maschine, der Industrie, des Kapitalismus, des Existenz-Egoismus und des Wohhabenheits-Egoismus, kurz gegen den Mammon aus.
2) Staat und Politik wurden als Aussenposten ihres Herrn, der Wirtschaft, zuerst getroffen. Monarchie und konservativer Staat. Republik und demokratischer Staat. Partei-Diktatur und bolschewistischer Staat: Sie sind gerichtet als Mammonsdiener, befleckt mit dem Blut und Todesschweiss von Millionen. Noch sind sie da. Noch tragen sie das Schwert von Gott. Noch sind sie von Gott gesetzte Obrigkeit. Aber ihre Raubtiernatur ist offenbar. Das Gericht ist nahe. Gott kommt selbst. Er wird seine Verräter treffen, die Missbraucher seiner Gewalt, als Träger des Bösen, das sie bekämpfen sollten: Mord, Lüge, Unreinheit, Mammon.
3) Wissenschaft, Hochschule und Schule, Buchandel und Presse: Nicht nur das Rechtsgebiet, auch das Geistesgebiet ist erdrückt und geknebelt vom Mammon, am deutlichsten in der Tagespresse der Partei, in der Zeitschrift des Verlages.
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(II)
Vereinzelung, Gemeinschaftslosigkeit, Verwesungszerfall also ist das Wesen des Mammonismus. In der Wissenschaft also Zusammenhanglosigkeit, Wesenlosigkeit dummer toter Einzelgebiete, Specialisierung unorganischer Teilstücke: Stückwerk ohne Geist als verbindenden Geist, als erfüllenden Geist, als schöpferischen Geist der Einheit und Reinheit, der Lebendigkeit der Wahrheit. Rationalismus, Materialismus und Specialistentum, Technik statt Geist ist der Todesfluch der Wissenschaft des Mammons und der Maschine, des Verstandes als toter, seelenloser, geistloser Kopf – Maschine. –
Aber schon horchen Wissende auf: Ein Umschwung bereitet sich vor. Das Geheimnis des Lebens. Das Atom und das Elektron. Die Unendlichkeit der astronomischen Welt. Die Wirklichkeit der Seele. Die Ehrfurcht vor Gott. Die Grenze des Menschen. Die Kunst, der Kultus und die Religion der Natur und Kultur. Das Seelengefühl. Der Expressionismus. Die Verleiblichung des Geistes und des Glaubens. Der Zusammenhang. Das hinter den Dingen. Das kommende Neue.
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4) Geistesbewegungen in ihrer Grundrichtung.
1. Völkische und Nationale. Blut. Natur. Treue. Einheit (aber gegen andere Einheiten)
2. Sozialisten und Pietisten. Religiös-Soziale: Menschwerdung der Menschheit, Gerechtigkeit und Friede. Bruderschaft. Hoffnung. Wachsende Überzeugung, dass es nur von Gott kommen kann. (d Masse?) die Gerechtigkeit, der Gemeinschaftswille Gott muss aber Massen von Unwiedergeborenen also Scheiternden Antichristlichen [erwecken!]
3. Katholicismus, evangelische Hoch-Kirchen. Bewegung und Anthroposophie, Christengemeinschaft Rittelmeyer wollen und meinen auch Verleiblichung des Geistes, sichtbare Verwirklichung Gottes:
aber sie meinen es kultushaft, als Gottesdienst – und Tempelordnung, als Durchdringung der Natur im Kultus! und von dort aus in der Kultur!
Hier wieder der antichristliche Charakter der Zauberei, Magie, Vergötzung der Dinge und Menschen.
Jugend-Bewegung und Siedlung. und Karl Barth, Gogarten u.s.w. Bewegung, Werk-Gemeinschaft Bodenreform Lebensreform Natürliches Volkstum Menschheits-Bewegung.
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4. Reinigung, Verechtung, Verernstung des Lebens.
4. Jugend-Bewegung und Karl Barth
Die Askese der Lebensbejahung.
4. Rilke, George, Werfel, Unruh usw. Tolstoi, Dostojewski, Johannes Müller, Chr. Schrempf, Kierkegaard, Sonnenlieder. Junge Saat. Der Weisse Ritter. Der Rufer. Neuwerk. Wegwarte. Köngener usw. usw.
Noch Missionsgebiet; Platz der Entscheidung, Schlachtfeld des Geistes. I. Pantheistisches, Natur-Romantisches, Menschheitlich-Kulturelles II. Kleinheit und Ehrfurcht. Nicht wir sondern Gott. Aber das Werk, der Stil, die Gestaltung, die Wirklichkeit entscheidet. Die Gemeinschaft als Werk-Gemeinschaft schlichter Natülrichkeit und Gläubigkeit. Das Lauschen auf die Stimme.
III. Barth u.d. a: Das ganz Andere. Unerreichbare: Das Menschliche immer gerichtet. Die getroste Verzweiflung. Wir sind im heiligen Warten zuhaus. Die Eschatologie der Jenseitigkeit.
IV. Die Entscheidung: Gott, der wirkliche Gott. Jesus, sein wirkliches Bild, sein wirkliches Wort. Wirklicher Tod. Wirkliche Auferstehung. Wirkliche Wiederkunft. Das kommende Reich. Der heilige Geist und die Tat-Gemeinde.
5. Die Gemeinschafts- und Evangelisations-Bewegung in ihrer Stellung zu der Krisis der Katastophe, zur Stunde des Kommenden:
Das Wirkliche, Schöpferische, Gestaltende. Die Neu-Schöpfung.
Das Warhhaftige: Die Wahrheit, die Erlösung, die Weidergeburt, der Christus, der Kommende: zu richten d Lebenden und d Toten.
Das Lebendige: Der Geist, die Gemeinde, das Reich.
Die Verantwortung für Nachfolge Jesu und Reichs-Gesandschaft. Evangelisation der Arbeiterschaft.
Laien-Bruder-Arbeiter-Bewegung.
Aufgeben aller Besitztümer und Vorrechte.
Menschwerdung Gottes!
Taufe Jesu, Bergrede, Gleichnisse, Kreuz: Auferstehung und Wiederkunft. Gestaltungswille des Schöpfers.
Das Reich!
Den Satan unter eure Füsse in Kurzem!
Schluss
Unsere Aufgabe als christliche Buchhändler: Verl[ag], Sort[iment], Colp[ortage]
Die Gemeinde. Das Reich. Die Sendung.
Die Gestaltung. Erweckung und Erziehung. Lebensführung und Lebensgestaltung.
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Zusammenfassendes Referat Stolberg, am Donnerstag 17. Sept.
Die Krisis und die Verantwortung