Transcribed Shorthand

Versammlungsprotokoll, 1931

EA 31/53

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date December 01, 1931
Document Id 20126084_19_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll, 1931

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 31/53

Über das Schrifttum der Hutterischen Brüder

Fragment, Rhönbruderhof, Ende 1931

Die Antworten der Brüder sind so scharf und außerordentlich entschieden, daher nicht sehr angenehm und daher auch nicht beliebt.

Zu diesen Büchern gehören Artikelbücher und Widerlegungen der Einwände der Gegner. (z.B. Worms-Prozess). In die Gruppe der Artikelbücher gehören noch zwei Merkwürdigkeiten. Die kleinen Büchlein, die denselben Inhalt haben wie die großen, wurden auf die Aussendung mitgegeben. Diese kleinen Büchlein wurden in der Westentasche getragen und wurden von den Landjägern aufs schärfste gesucht. Es gilt unter den Brüdern als selbstverständlich, dass man sich eher das Leben nehmen lässt, als dass man sich das Buch nehmen lässt. Die Brüder geben die Bücher nicht heraus, auch wenn man ihnen dann das Leben schenken würde. Sie sagten: „Lieber lassen wir uns totschlagen, als dass wir ein Blatt herausgeben.“

Die Brüder haben die Bücher sehr viel versteckt hinter starken Mauern, denn sie hatten einen guten Riecher, wenn eine Suchung bevorstand. Die Brüder haben den feinsten Instinkt für die politischen Vorgänge. Wenn dann die Polizei kam und suchte, dann waren die Bücher alle eingemauert. Nur wenn sie vertrieben wurden, und sie konnten nicht alles mitnehmen bei einer plötzlich Flucht, dann haben sie oft alles dalassen müssen. von einem Hofe haben die Jesuiten vier zweispännige Wagen Bücher

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fortgefahren, von Sabatisch, in welchem die bischöflichen Vorsteher wohnten und die geistliche Führung wie auch die Führung in den Dingen der Wirtschaft hatten: Andreas Ehrenpreis, Claus Braidl, Kaspar Eglauch, die waren solchen bischöfliche Ältesten. Und wenn das Militär gerade einen solchen Hof erwischte, dann gingen viele Schriften verloren.

Daher haben dann die modernen Archive ihre Werke, die in der Zeit von 1530 – 1670 den Hutterern geraubt worden sind. Da gibt es in Brünn und in Pressburg, in Budapest, Wien, Gran und Wolfenbüttel einige Bücher. Pressburg hat über 30, Gran hat ziemlich viele, Brünn nur wenige, Wien nur ein Buch.

Sehr wichtige Schriften sind die sogenannten Konkordanzen. Wir haben drei solche Konkordanzen hier; aber infolge der Aufbewahrung in den Mauern sind sie sehr verfallen von der Nässe, entweder wenn es frisch gemauert war oder wenn die Mauern Nässe durchließen. Diese Konkordanzen sind etwas durchaus anderes, als was man heute darunter versteht. Wenn ihr heute eine Calwer Konkordanz vornehmt, so findet ihr ein Riesenbuch, in dem ihr unter jedem Stichwort sämtliche Stellen findet, die das betreffende Wort enthalten, ob es sinnvoll ist oder nicht. Es ist eine rein mechanische Methode, die jeder, der einigermaßen statistisch begabt ist, mit Leichtigkeit machen kann. Ganz anders diese Konkordanzen. Über ein jedes solches Blättchen würde unsere Zusammenkunft zwei Stunden dauern, einen so umfassenden geistlichen Einblick über den Gegenstand gibt dieses Buch, dass eine zweistündige Ansprache fertig ist. Es bedarf keiner besonderen Arbeit, die Vorarbeit ist getan. Es ist eine Gesinnungs-Konkordanz, eine Geistes-Konkordanz, die sich richtet nach dem ganzen Aufbau der Brüder. Das ist die dritte

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Gruppe: die Artikel-Bücher, die Konkordanzen und die kleinen Aussendungsbücher.

Um 1585 beginnt dann die Zeit, wo die Schrift ausgelegt wird. Wir haben in der ersten Zeit noch keine Lehren, nur Sendbriefe und Konkordanzen, erst nachdem die Bruderschafts-Gemeinschaft schon 50 Jahre bestand, sind Unterricht, Lehren, Schriftauslegungen nachweisbar. Jedenfalls ist keine der vorhandenen Schriften so alt, dass sie eine Jahreszahl vor 1585 trüge.

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….. Ordnungen einerseits, Lehren und Vorreden andererseits. Diese beiden Arten sind beide gleich interessant und bedeutsam. Zuerst erscheint das Schrifttum in Form allereinfachster und konzentriertester Auslegung: es wird zu jedem Vers etwas ganz Kurzes vermerkt.

Die kleinen Blättle, die in der Regel geschrieben sind 1635-1665 …

Etwas ganz Wichtiges, etwas, was zu dem Wertvollsten gehört, das ist eine Erwiderung der Brüder …, die von 1593 stammt, eine Originalschrift. Sie ist in Deutschland und in Amerika nicht vorhanden: Colman Rorer, Vorreden-Büchlein, das hat Kaspar Eglauch gehört, Original 1650, ebenso die Reste eines Briefes von 1650. Der Restbrief eines Haushalters, 1693: „Es mangelt uns nichts mehr zu unserm Dienst als die Gemeinschaft. Es wäre auch sonst noch viel zu sagen.“ Um 1693 hat sich die Gemeinschaft angefangen zu lockern, infolge der Türkenkriege und als Folge des Dreißigjährigen Krieges. Wir wissen (wüssten?) sonst so etwas nicht, dass der Vorsteher Kaspar Eglauch noch mit ganzer Entschiedenheit die Gemeinschaft vertreten hat.

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Originalbrief von Kaspar Eglauch, die Andresse an Tobias Bertsch, beide über 80 Jahre, nach Sabatisch, (Tschechoslowakei), durch einen reitenden Boten ohne Benutzung der Post geschickt worden.

Im Schrifttum der Brüder sind die historischen Forschungen noch sehr bedeutend: Das Große Geschicht-Buch, das Kleine Geschicht-Bucuh und die Geschichtsschreibung Johannes Waldners (etwa. 600 Seiten). Dieses 2. Geschichtsbuch ist von Johannes Waldner 1790 geschrieben worden. Die beiden haben sich durch 400 Jahre hindurch erhalten. Schrift von Matthias Hofer, 16 Jahre im Gefängnis zur Zeit Maria Theresia – als minderwertiges: es fehlte die Schulung, 1763.

Über den Umfang und Vorrat: Diese Bücher (die vor uns liegen) sind unserem Bruderhof zugehörig, nur einige sind leihweise. Drüben gibt es auf mehreren Bruderhöfen etwa die doppelte Anzahl (etwa auf fünf Höfen), auf einigen Bruderhöfen sind noch wertvollere Schriften, ganz alte Epistelbücher von 1566, von 1570, 1586. Diese Epistelbücher sind von größtem historischen Wert. Wir haben auch zwei. Die beiden sind relativ klein. Dagegen sind die Bücher drüben wesentlich größer (etwa 13 cm dick). Wir haben hier 56 alte Schriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert (1685-1793?). Im ganzen schätze ich den Bestand alter Schriften auf 350-400.

In der ersten Zeit der Brüder sind die Episteln ganz stark im Vordergrund, die Briefe, die die Brüder aus den Nöten und Leiden ihres Aussendungsdienstes schrieben und die Erweckungsbriefe, die die Diener am Wort nach draußen geschickt haben (1580-1630). Ebenso die Märtyrergeschichten. In der ältesten Zeit hat man besonders die herausgeschrieben, weil man darauf

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Wert legte, dass das Leben in Christus sich treu beweisen muss in dem Sterben für die Gemeinde.

Die Konkordanzen, die für die Aussendung der Brüder von Bedeutung waren, gehen Hand in Hand mit den polemischen Schriften, die Artikelbücher: Anschlag und Fürwenden, und der Worms-Prozess, eine Schrift von Leonhard Dax für die Aussendungskämpfe sehr grundlegend: Leonhard Dax, der ein sehr tapferer Vorkämpfer gewesen ist.

Nach dieser wichtigen Gruppe der Artikelbücher kommen wir zu den Liederbüchern. Diese sind außerordentlich wichtig, gehen auf die erste Zeit zurück und reichen bis in die letzte Zeit hinein.