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Versammlungsprotokoll, 15. April 1930

EA 30/14

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date April 15, 1930
Document Id 20126091_09_S
Available Transcriptions German

Versammlungsprotokoll, 15. April 1930

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 30/14

15 Apr. 1930

Satzungen des Neuwerk- Bruderhof, eingetragener Verein in (Veitsteinbach bei) Neuhof (Fulda)

Die Unterzeichneten bilden in Einheit des früher Neuwerkverein E.V. in Sannerz genannten E.V. unter dem Namen „Neuwerk-Bruderhof Eingeschriebener Verein“ in (Veitsteinbach bei) Neuhof (Fulda) mit der abgekürzten Post- und Telegrammbezeichnung „Bruderhof“ einen eingetragenen Verein nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 18. August 1890. Der Verein hat seinen Sitz auf dem Hansehof, Veitsteinbach Nr. 4, Kreis Fulda und legt für die dort und auf seinem Werkhof, Veitsteinbach Nr. 2, Unterer Klöshof gehörenden Gebäude und Grundstücke die Bezeichnung „Bruderhof“ fest.

§ 1. Der Zweck des Vereins besteht darin, der christlichen, sozialpädagogischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft des Bruderhofes, die unter täglicher Anregung und Verantwortung der Vorstandsmitglieder und der Vereinsmitglieder steht, die Grundlage für Wohnung, für gemeinsames Leben, für geistigen Unterricht und für gemeinsame Arbeit so zu schaffen und zu sichern, dass dadurch allen dieser Hilfe bedürftigen Menschen, Jugendlichen, Kindern und Hilfsbedürftigen aller Art und ohne Unterschied der Konfession, des Standes, des Vermögens, des Geschlechtes und der Staatszugehörigkeit Lebensmöglichkeit und Arbeits- und Gemeinschaftserziehung auf kürzere oder längere Zeit gewährt werden kann. Die christliche sozialpädagogische Arbeitsgemeinschaft des Bruderhofes verfolgt den Zweck, den Glauben und das Leben der Apostel Jesu Christi und der ersten Christen in allseitiger, die Freiwilligkeit zum Guten weckender Erziehung, die so viele große und klei-

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kleine Menschen wie möglich umfassen soll, und durch die Verbreitung dieser Wahrheit und Lebenshaltung in aller Welt zu fördern und auf dem Bruderhof zu erreichen, dass die Nachfolge Jesu alle Glieder als eine Wesenseinheit der Friedens-Betätigung, der sittlichen Reinheit, der schlichten Wahrhaftigkeit und der persönlichen Eigentumslosigkeit zusammenwirken lässt, dass Haushaltung, Nutzen, Besitz und alle Dinge in Gemeinschaft gehalten werden, dass alle eines Geistes, eines Herzens und einer Seele sind und dem Wort gemäß, das Gott geoffenbart hat, alle Arbeitszweige tatkräftig zum Dienst an allen den Menschen betreiben, die diesen Dienst brauchen, begehren und annehmen. Sämtliche Erwerbungen, Einrichtungen und Veranstaltungen des Vereins dienen ausschließlich diesen gemeinnützigen Zwecken im Sinne der milden Stiftung. Für die ganze Arbeit dieses Lebens liegt also alles an der klaren Unterscheidung zwischen den aktiv und verantwortlich tätigen Vertretern dieser Zwecke und Aufgaben als den Mitgliedern des E.V. einerseits und den Helfern, Gästen und Kindern, als den Hilfsbedürftigen, Schutzbedürftigen, Pflegebedürftigen und Erziehungsbedürftigen andererseits. Diese werden nicht im Sinne der Rentabilität oder Anstellung, sondern nur im Sinne dieser Erziehung zur Gemeinschaftsarbeit herangezogen. Gemeinschaft und offene Tür sind der Charakter des Bruderhofes.

§ 2. Die Dauer des Vereins erstreckt sich auf unbestimmte Zeit.

§ 3. Das Vermögen des Verein entsteht durch einmalige Beiträge, durch Schenkungen, durch monatliche Unterstützungen und durch die unbesoldete Arbeitskraft der Mitglieder und dadurch, dass sämtliche Mitglieder des Vereins und alle, die freiwillig diese Mitgliedschaft begehren, ihr gesamtes Vermögen und ihre gesamten Einkünfte, ohne daraus abzuleitende Ansprüche den Zwecken des

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Vereins für immer zur Verfügung stellen.

§ 4. Der Jahresbeitrag der Mitglieder ergibt sich aus dem vollen Einsatz ihrer gesamten Arbeitskraft, wofür der Verein die für eine solche Arbeitsleistung erforderliche schlichteste Lebenshaltung gewährt. Ein jedes Mitglied soll über die eigene einfachste Existenz hinaus mindesten eine ebensolche Existenz eines Hilfsbedürftigen oder eines Kindes tragen, also so viel als für den Unterhalt eines Kindes oder eines Hilfsbedürftigen dem Neuwerkverein erwächst.

§ 5. Die Mitgliedschaft kann jeder freiwillig für die in § 1 und § 3 ausgesprochene Lebenshaltung entschlossene Mitarbeiter des Bruderhofes erwerben, der den gesetzlichen Voraussetzungen genügt und durch die Mitgliederversammlung aufgenommen wird. Dieser Aufnahme soll eine in der Regel einjährige Bewährungsfrist in der Lebenshaltung und Arbeit des Bruderhofes vorausgehen, die den Entschluss des Bewerbers als unwiderruflich, als lebenslänglich und in der Hingabe der Arbeit als zuverlässig erweist. Ergibt diese etwa ein Jahr dauernde Bewährungsfrist kein völliges Einvernehmen im Sinne dieser Satzungen, so erhält der Bewerber seine eingelegten Vermögenswerte unter zu vereinbarendem Abzug dessen, was für ihn und seine Angehörigen über die Abgeltung durch seine Mitarbeit bei uns verbraucht wurde, unverzinst zurück.

§ 6. Die Aufnahme eines Mitgliedes geschieht durch die Mitgliederversammlung auf Vorschlag des Vorstandes.

§ 7. Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens fünf Mitglieder anwesend sind. Die Einberufung geschieht durch den Vorstand.

§ 8. Die Mitgliedschaft erlischt 1. durch freiwilligen Austritt, der schriftlich dem Vorstand zu erklären ist. 2. durch einjährige nicht auf Krankheit

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oder Invalidität beruhende Nichtbetätigung an der Arbeit des Bruderhofes. 3. durch Ausschließung. 4. durch Auflösung des Vereins.

§ 9. Der Ausschluss eines Mitgliedes kann nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Mitglieder in einer Mitgliederversammlung erfolgen, zu der alle Mitglieder eingeladen waren. Die Meinungsäußerung der in der Sitzung abwesenden Mitglieder ist schriftlich einzuholen. Der Ausschluss kann nur in dem einen Falle beschlossen werden, dass das auszuschließende Mitglied den in § 1 ausgedrückten Aufgaben eigenwillig entgegenhandelt oder ihnen eigenwillig im Wege steht.

§ 10. Zweimal im Jahr finden ordentliche Mitgliederversammlungen statt, ferner nach Bedürfnis außerordentliche Mitgliederversammlungen.

§ 11. Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins. Für notarielle Akten sind sämtliche vier Unterschriften der vier Vorstandsmitglieder erforderlich. Für den allgemeinen geschäftlichen Verkehr ist jedes Vorstandsmitglied mit seiner alleinigen Unterschrift vertretungsberechtigt und bevollmächtigt.

§ 12. Leitung und Vorsitz liegt in den Händen des Vorstandes, der aus vier Mitgliedern besteht.

§ 13. Der Vorstand versammelt sich zur Prüfung und Regelung der laufenden Geschäfte und Arbeitsordnungen mindesten einmal im Monat. Er ist beschlussfähig, wenn alle Vorstandsmitglieder ordnungsgemäß eingeladen sind, und wenn drei von den Vorstandsmitgliedern anwesend sind. Bei länger als drei Wochen dauernder gleichzeitiger Abwesenheit zweier Vorstandsmitglieder müssen von einer außerordentlichen Mitgliederversammlung für beide auf schriftlichen Vorschlag des Vorstandes zwei vertretungsberechtigte Stellvertreter einge-

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setzt werden.

§ 14. Die Vorstandsmitglieder werden durch die immer im Januar stattfindende Mitgliederversammlung jährlich gewählt. Jedes Vereinsmitglied hat in der Mitgliederversammlung eine Stimme. Auf Beschluss der Mitgliederversammlung können die schriftlichen Stimmen der abwesenden Mitglieder beigeholt werden. Die Vorstandsmitglieder sind die hauptverantwortlichen Anreger der christlichen sozialpädagogischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft des Bruderhofes.

§ 15. In den Mitgliederversammlungen ist ordnungsgemäß Protokoll zu führen.

§ 16. Eine Auflösung kann nur in einer ordentlichen Mitgliederversammlung unter Herbeiholung der Willenserklärung der abwesenden Mitglieder nur dann erfolgen, wenn weniger als sieben Vereinsmitglieder gegen die Auflösung des Vereins sind. Bei dem Antrag auf Auflösung ist zu erwägen, ob für die Beibehaltung des Vereins entschlossenen Mitglieder für die für die Auflösung stimmenden Mitglieder auf Ausschluss wegen Verstoßes gegen § 1 erkennen müssen.

§ 17. Das im Falle der Auflösung des E.V. und des völligen Erlöschens der gemeinsamen Betätigung nach den Zwecken des § 1 vorhandene Vermögen fällt der Kinderfürsorge des Kreises Fulda zu und soll dem Kreisausschuss zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden, jedoch unter der Einschränkung, dass es im Falle des Vorhandenseins oder der Wiederaufnahme derselben Aufgabe und Arbeit nach den Zwecken des § 1 an demselben oder an einem anderen Ort des Inlands oder Auslands, wenn diese andere oder neue Arbeit wirklich nach den Grundsätzen des aufgelösten Vereins nach § 1 besteht oder in Angriff genommen wird, dieser anderen oder neuen Arbeit zugeführt wird. Gänzlich ausgeschlossen ist eine Aufteilung des Vereinsvermögens an die Vereinsmitglieder.

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Aufgestellt und angenommen am 15. April 1930. Die neue Fassung der Satzung soll in das Vereinsregister eingetragen werden.

Neuwerk-Bruderhof E.V.

in (Veitsteinbach bei) Neuhof (Fulda)

bisher Neuwerkverein E.V. Bruderhof.