Eberhard Arnold

Der Krieg und das Böse

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - A.D.]

EA 15/21 (I)

Der Krieg und das Böse

Vortrag von Herrn Dr. Arnold.

Wir wissen, daß alle großen Entscheidungen, welche ausgefochten werden, nicht nur in der Welt des Sinnlich-Wahrnehmbaren entschieden werden, sondern vielmehr auf dem Gebiet des Geistes. Nicht nur dieser Krieg, der durch seine große Ausdehnung ein Weltkrieg geworden ist wie keiner, ist ein Krieg, der auf dem Gebiet des Geistes und der Geister ausgefochten werden muß. Denn wir haben nicht nur mit Fleisch und Blut, sondern auch mit Fürsten und Gewaltigen in der Luft zu kämpfen (Ephes.6,12). Da ist es von großer Bedeutung, daß wir ein klares Auge dafür haben, was gut und böse ist. Was der Prophet Jesaja (Kap.5,20) gesagt hat, paßt auch auf unsere Tage: "Weh denen, die Böses gut und Gutes böse heißen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen", die Weißes für schwarz und Schwarzes für weiß ausgeben wollen!

Wie auch in diesem Kriege, so ist es in Zukunft von gewaltiger Bedeutung, ein klares Urteil über Böses als Böses zu haben. Wir wissen, alles was böse oder gut ist, kommt aus dem Herzen. Deshalb ist dieser gewaltige Krieg ein Krieg in den Herzen und für die Herzen. Der böse Mensch bringt Böses und der gute Gutes aus dem Schatz seines Herzens hervor. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, ob wir in diesem Kriege in Gefahr geraten, unsere sittlichen Begriffe verwirren zu lassen, oder ob wir unser Gewissen bewahren in dem Sinne, wie es ein gereinigtes Gewissen wird, wenn es durch das Blut Jesu rein gewaschen ist.

In einer der Tageszeitungen fand sich eine Erzählung mit der Überschrift, "Das Gewissen". . . Diese Erzählung führte uns in das Sprechzimmer eines berühmten Arztes. Zu diesem kam eines Tages eine Mutter mit ihrem Sohne, damit dieser ihn von Schmerzen in der Seite befreien möchte. "Ich will ihn wohl heilen", sagte der Arzt, "doch was ist Euer Sohn?" "Er ist

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Laufjunge", antwortete die Mutter. "Höret Frau, Euer Sohn ist ein begabter Junge, er kann es zu Großem bringen, wenn ich ihm etwas herausschneiden darf." Die Mutter war es zufrieden, und der Dr. Diabolus - denn dieser war es - nahm dem Jungen etwas aus seinem Körper und setzte es in Spiritus. Dieser ward nun zunächst Kaufmann und brachte es zu großem Reichtum. Er brachte es aber auch zu großem Ansehen und ward im Laufe der Jahre zuletzt Minister. Da stand eines Tages der Dr. Diabolus vor dem Spiritusgläschen, in dem das herausgenommene "Etwas" sich befand und sah, wie es sich ängstlich hin und her bewegte. "Nein, ich lasse dich noch nicht heraus," sprach er, "erst muß er noch tun, was ich will." Da hörte er den Lärm vieler Stimmen von der Straße heraufschallen, und es drang der Ruf an sein Ohr; "Krieg, Krieg!" Befriedigt ließ er nun das gefangene Ding aus dem Gläschen heraus. Und es fiel auf die Straße und war von der Menge zertreten. Es war das Gewissen des Ministers Grey.

Das ist ein Märchen. Aber es ist an der Zeit sich klar zu machen, daß man, um die Verantwortung für einen solchen Krieg wie den heutigen tragen zu können, von seinem Gewissen operiert sein muß. Der Dr. Diabolus ist auch heute noch an der Arbeit. Auch an uns versucht er gerade in diesem Kriege seine Mittel zu gebrauchen. Auch uns sucht er von unserem Gewissen zu operieren. Er ist eifrig bemüht, unser Urteil über Gut und Böse zu verwirren, aus Licht Finsternis und aus Finsternis Licht zu machen. Es ist daher von größter Wichtigkeit gerade in dieser ernsten Zeit, sich nicht die Begriffe verschieben zu lassen.

Nach der Bibel ist das Böse in die Welt gekommen, und jede Erfahrung bestätigt, daß der Hochmut die Wurzel alles Bösen ist. Der Sturz des ersten Menschen ist durch den Hochmut gekommen. Er wollte sich an die Stelle Gottes setzen, wollte sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Wir lesen in der Schrift von dem letzten Menschen (Offb.3,8), daß auch dieser das Wesen des Bösen offenbart in dem Bestreben, sich an die Stelle Gottes zu stellen. Lasset euch niemand verführen, der Tag des Herrn kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens, der da ist der Widersacher, und sich überhebet über alles, das Gott oder Gottesdienst heißet, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott, und gibt sich aus, er sei Gott. 2.Thess.2,3-4)

Die Erfüllung dieser Bibelstelle ist noch nicht da, aber das Geheimnis der Bosheit ist am Werke, offenbart sich darin, daß der Mensch sich an die Stelle Gottes zu stellen sucht, sich selbst anbetet, sich selbst verherrlicht, sich selbst dient, sich selbst auf den Altar stellt, die Ehre, die Gott zukommt, sich selbst gibt.

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Das hat sich schon erfüllt. In der verschiedensten Weise verkörpert es sich in den verschiedenen Kreisen: im krassen Atheismus Nietzsches, im idealen Sozialismus, der die Menschheit zur einheitlichen Brüderlichkeit emporheben will, im streng aristokratischen Bestreben, den Herrenkultus aufleben zu lassen.

Überall sehen wir das Bestreben des Menschen, sich selbst anzubeten. Der Krieg offenbart nicht nur in den Herzen das Böse, sondern er ist auch eine Enthüllung des Bösen in der Kultur, die Menschen als den höchsten Fortschritt gepriesen haben. Ein Hinweis ist der tiefe Eindruck weiter Kreise, daß das Blutvergießen dieses Krieges im schärfsten Widerspruch zu der hohen Meinung über unseren jetzigen Kulturzustand steht. Die allgemeine Hoffnung, daß der Weltfriede ohne Christus durch Rüstung oder Abrüstung gesichert werden könnte, ist aufs gründlichste zerschlagen. Keine Macht der Welt, sondern nur Christus kann Frieden bringen und Frieden bewahren.

Die Kriege beweisen dem Menschen, daß seine Kultur nicht imstande war, den Frieden zu erhalten. Gerade als die Menschheit glaubte, auf der Höhe der Kultur angelangt zu sein, brach der gemeinste Krieg aller Kriege aus. Gerade diese Völker, die sich für christlich gehalten, liegen im Kriege miteinander. Sie müssen es beweisen, daß, so wie die Dinge stehen, sie einen Staat nicht christlich machen können. Für alle, die sehen wollen, liegt es durch die Schrecknisse dieses Krieges klar vor Augen, daß die Höhe des Kulturzustandes das Böse nicht beseitigen und nicht überwinden kann. Diese Erkenntnis bildet die notwendige Voraussetzung, daß wir bei Christus die einzige Hilfe und Erlösung finden, wie sie uns die Welt in keiner Weise bieten kann.

Der Krieg offenbart das Böse, dadurch zeitigt er Gutes, und daher ist er von Gott zugelassen. Jesus hat gesagt: "Wenn allgemeine Kriege ausgebrochen sein werden, wird die Gesetzlosigkeit überhand nehmen, und die Liebe wird erkalten." Das Böse zeigt sich nicht nur in Hochmut und Eigenliebe, sondern auch in Gesetzlosigkeit in der Erkaltung der Liebe. Jede Gesetzlosigkeit bedingt in sich Haß. Das hat sich deutlich bei den Sozialdemokraten gezeigt. Sie wollten die Menschheit zur Höhe emporheben. Und wohin gerieten sie immer wieder? In den Haß. Und warum? Jede Selbsterhöhung muß in Haß ausarten. Das zeigt sich auch bei Nietzsche, der die Schwachen und Kranken beseitigen und vernichten lassen wollte. Der Haß ist ein Zeichen des Bösen, das zeigt sich auch in diesem Kriege. Das Wesen des Bösen zeigt sich in Haß und Mord. In der Heiligen Schrift sehen

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wir das Böse in Gestalt von Haß und Mord gleich nach dem ersten Sündenfall bei Kain sich zeigen.

Der Krieg offenbart das Böse in Gestalt des Hasses und Mordes. Die Liebe ist erlogen. Eine geordnete Kriegsführung muß ausgeschaltet werden, ebenso wie eine Hinrichtung kein Mord ist. Der Scharfrichter braucht den Verbrecher nicht zu hassen. Er ist nur der ausführende Arm des Gesetzes. In diesem Kriege aber haben wir von schauerlichen Mord-und Greueltaten der Soldaten gegenüber dem gefallenen Feinde gehört, ferner von den Greueln wehrlosen Frauen und Kindern gegenüber. Hier sind wir dem Hasse in seiner greulichsten Gestalt begegnet. Der Krieg in der Kulturwelt, der Haß und Mord offenbart, ist wieder ein Beweis, daß die Höhe der Kultur nicht vor dem Bösen schützt. Es ist das von neuem ein Appell an unser Gewissen, für die Würde des deutschen Volkes aufzustehen den Feinden gegenüber. (Wir sehen, wie sich das Böse besonders klar in der Gemeinheit der Lüge bei unsern Feinden gezeigt hat.) Die Soldaten brauchen nicht zu hassen. Es ist unwürdig und nicht schriftgemäß, Haß und Groll zu hegen. Der Krieg offenbart die Macht des Bösen dadurch, daß er Haß in den Herzen erweckt. Wir alle haben es verschiedentlich sagen hören: "O, wie ich sie hasse, diese Engländer!" Ich kann das verstehen, aber nicht billigen. Haß ist nicht am Platze. Wir sollen unsere Feinde überwinden, aber nicht hassen. Die rechte Kraft zeigt sich darin den Feind zu unterwerfen. wie es in Belgien geschehen ist.

Wie Haß und Mord als Wesen des Bösen sich gezeigt, so offenbart sich das Böse auch als Macht der Lüge, wie sie sich besonders klar bei unseren Feinden gezeigt hat. Wir wissen ja alle, mit welcher Gewissenlosigkeit die Lüge in der ganzen Welt verbreitet wurde von unseren Gegnern. Dieser Lüge steht die Wahrhaftigkeit unseres Kaisers und unseres Volkes gegenüber. Für diese Güte Gottes müssen wir dankbar sein, und es soll unser Gewissen schärfen, daß wir umso klarer erkennen, wie abscheulich diese Lüge ist und den lieben lernen, der die Wahrheit von Gott und die Liebe, Wahrheit und Reinheit ist.

Der Krieg offenbart auch die Macht des Bösen als Unreinheit. Wie in Sodom die Leute böse waren durch die Sünden einer ungezügelten Sinnlichkeit, so offenbart der Krieg das Böse auf dem Gebiet der Unreinheit dadurch, daß die Gefahr droht, daß unter den Soldaten sich Zuchtlosigkeit verbreitet. Dem gegenüber ist es von großer Bedeutung, daß wir beten lernen, daß die Sünde der Unreinheit nicht um sich greift. (2.Tim.3,1-5). Wenn dieser

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Krieg im Gegensatz zu unseren Feinden ein Krieg der Wahrheit ist, wenn Grausamkeiten Wehrlosen gegenüber beim Feinde geschehen sind, nicht aber in derselben Weise bei uns, so wären wir doch unwahr, wenn wir behaupten wollten, wir wären besonders rein. Wir sind es gewesen zum Unterschied von unseren Nachbarn, aber wir sind immer mehr in den schmutzigen Strudel hineingerissen worden. Unsere Großstädte sind Sümpfe geworden. Durch diesen Krieg des Schreckens geht eine Mahnung an uns, ob wir aufwachen wollen zu einer Reinigung unserer Gewissen. Hier entscheidet sich das Ende des Krieges, ob unser Wille sich reinigen lassen will.

Zur Beleuchtung des Bösen unserer Zeit wollen wir eine Schriftstelle des Apostel Paulus heranziehen (2.Tim.3,1-5): "Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen..." Der Krieg offenbart das Böse in unseren Tagen in allen diesen Punkten. Wir haben daher Ursache, besonders wachsam zu sein. Niemand wird bestreiten, daß die Überhebung ihren Gipfel erreicht hat. Die Geldliebe hat einen ungeheuren Grad gewonnen. Man scheute sich nicht, in den Witzblättern über Gott zu spotten. Mit frechem Geiste hat man das Heiligste angetastet. Wir müssen zugeben, daß bei uns deutsche Zucht und Pietät den Eltern gegenüber sich gelockert hat. Die Autorität des Vaters hat nachgelassen. Der Ungehorsam gegen die Eltern ist ein Zeichen des Bösen.

Ist das nicht unsere Photographie? Wollen wir nicht unser Gewissen schärfen, indem wir das Böse hassen und es von uns werfen? Nur so kann der Krieg uns zum Segen werden, nur so können wir die Aufgabe des Deutschtums erfüllen. Und so ruft euch Moses zu sowie auch der Prophet: "Ich habe euch das Gute und das Böse, den Segen und den Fluch vorgelegt" (5.Mos.30,15). (In der Luther-Bibel: "Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.")

Der Gegensatz des Bösen ist Gott. Die Grundsätze der Moral sind nicht haltbar ohne Gott. Wenn wir das Gute und das Böse kennen und kennen nicht den Guten, können wir keine klare Unterscheidung haben und noch weniger eine Hilfe. Wie wir das Wesen des Bösen in der Unwahrheit gefunden haben, wie ihr gesehen habt, daß es sich in Haß und Mord

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offenbart hat und sich in der Unreinigkeit gezeigt, so ist Gott allein das Gute. Nur in Ihm können wir alle Lüge abtun, weil Er uns in Christus die Wahrheit bringt, weil Er die vollkommene Liebe ist, weil Seine Reinheit uns von aller Unreinigkeit erlöst. In Ihm können wir die Kraft erlangen unseren Hochmut zu beugen, um Kinder Gottes zu sein. Er ist es, der aus unserem Willen etwas Neues macht. Dann werden wir nicht zerbrochen werden um zu sterben, sondern um zu leben, weil Gott der Gute in uns lebt, in uns lebendig geworden ist. Und so ruft euch der Prophet Jerem. 25,5 zu: "Bekehret euch ein jeglicher von seinen bösen Wegen."

Was unser Volk braucht ist eine echte Bekehrung, Frontveränderung. Wir müssen uns ganz zu Gott wenden. Es gibt keine größere Tat für den Willen des Menschen als die Abkehr von dem Bösen. Diesen Willen und diese Tat kann nur Gott in uns wirken, weil Er allein der Gute ist. Und wenn wir diese Tat ausführen, dann ist unser Leben in der Kraft Gottes diesem Kriege gewachsen. Der gute Mensch bringt Gutes hervor aus dem Schatz seines Herzens. Nur wenn weite Kreise Christus haben, können wir die Aufgabe erfüllen, der Welt das Gute zu bringen und ihr Christus zu verkündigen. Der Staat als Ganzes ist dazu nicht im Stande, aber Gott kann Glieder der Welt in dem Grade umgestalten und erneuern, daß sie als seine Schar von gereinigten Männern und Frauen sich für das Gute entschieden haben und die Wirkung des Herrn verbreiten.

Das Wort Gottes hat euch eine Botschaft zu bringen. Wenn ein Gerechter Böses tut, so soll des Guten, das er getan, nicht mehr gedacht werden, und wenn ein Sünder Gutes tut, so soll des Bösen nicht mehr gedacht werden, das er getan hat. Vor Gott gilt nur das wirklich veränderte Leben.

Die Gnade Gottes, in der Person Jesu erschienen, kann das schlimmste Leben bedecken, wenn in Christo ein neues Leben angefangen wird. Wer unter uns sich verurteilen muß, soll wissen, daß Gott seinen Sohn gesandt hat, alle Schuld zu bedecken, alle Fesseln unserer entarteten Sinne frei zu machen. Wer sich der Lüge und der Selbstsucht gewidmet hat, wer Haß und Mord begangen oder in Unversöhnlichkeit gelebt hat, der kann und muß in Gott ein neues Leben beginnen. Gott gibt die Kraft, ein neues Leben in Christus, seinem Sohne, zu leben. Es ist notwendig, mit Gott eins zu werden durch seinen Sohn. Denn in Christus und in seinem Tode ist das Böse unseres eigenen Lebens aufs Vollkommenste verurteilt und abgetan, und in Christus und seinem Leben ist Gott als der Gute vollkommen offenbart und allein zu finden. Ebr.4,16: "Darum lasset uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe not sein wird". Jesus kann durch seine Erlösung unser Gewissen reinigen. Gott nimmt jeden an, der ehrlich zu Ihm kommt, wie er ist.