Notes

Wille zur Macht und Beugung unter Gott

EA 11/05. Lecture notes.

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date February 14, 1911
Document Id 0000000058_25_S
Available Transcriptions German

Wille zur Macht und Beugung unter Gott

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - A.D.]

Grimmaische Strasse 13

hält

Herr Dr. Arnold Vorträge

über

Nietzsches

Kampf gegen das

Christentum.

Dienstag , 24. Januar: Das religiöse Ringen Nietzsches.

Freitag, 27. Januar: Das Diesseits bei Nietzsche und bei Jesus.

Dienstag, 31. Januar: Aristokratie und Racheaufstand bei den ersten Christen.

Freitag, 3·Februar: Die Verderbtheit der Decadence im Urchristentum.

Dienstag, 7. Februar: Jesus und der Krieg gegen die Moral.

Freitag, 10. Februar: Der Übermensch.

Dienstag, 14. Februar: Wille zur Macht und Beugung unter Gott.

Eintritt frei. Beginn 8 1/4 Uhr. Eintritt frei.>

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Leipzig.Hansahaus. 14. Februar 1911.

EA 11/5 (I)

Nietzsches Kampf Gegen Das Christentum

VII.

Wille zur Macht und Beugung unter Gott.

A. Irmner klarer steht es vor uns, was Nietzsche gewollt, warum er gekämpft hat bis aufs Blut, mit der Leidenschaft seiner ganzen Seele:

1.) Die Verderbtheit der Decadence muss überwunden werden!

2.) Nur Wenige, nur eine neue harte Aristocratie kann sie besiegen!

3.) Die religiöse Bejahung des Diesseits ist die Parole dieses Sieges!

4.) Die Moral ist der Feind, der dieser Krieg gilt: Krieg gegen die Moral!

5.) Der Übermensch ist das Ziel, das erkämpft, erstritten werden muss!

6.) Und das alles, dieser ganze riesenhafte Kampf gegen Verkommenheit, Kraftlosigkeit, Heuchelei und schwächende Moral, die Danaidenarbeit dieses aussichtslosen Krieges um die Bejahung des Diesseits mit allen Leiden und Erlebnissen - dieses aufreibende Ringen nach der neuen, stolzen Aristocratie, nach dem Übermensch, dem Übermensch an der Stelle Gottes - dieser unheimliche religiöse Ringkampf, der sich der Ermordung Gottes rühmt - wodurch wird er getragen, durch welche Kraft und welchen Antrieb wird das alles in Bewegung und Schwung erhalten?

Das heutige Thema gibt uns die Antwort:

Der Wille zur Macht ist der Peitschenschlag, der den Kämpfer dieses Krieges zu den äussersten Leistungen antreibt. -

Wille zur Macht heisst das Grundmotiv des Lebenskampfes dieses religiösen Genies! Wille zur Macht gegen die Beugung unter Gott.

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B. Der Wille zur Macht als Grundmotiv Nietzsches.

1.) "Diese meine dionysische Welt des "Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens - diese Welt ist der Wille zur Macht-und nichts ausserdem! Und auch ihr selber seid dieser Wille zur Macht und Nichts ausserdem!"

"Der siegreiche Begriff "Kraft", mit dem unsere Physiker Gott und die Welt geschaffen haben, bedarf noch einer Ergänzung: es muss ihm ein innerer Wille zugesprochen werden, welchen ich bezeichne als "Willen zur Macht", d.h. als unersättliches Verlangen nach Bezeigung der Macht.

"Das Leben strebt nach einem Maximal-Gefühl von Macht; ist ein Streben nach Mehr von Macht; Streben ist nichts anderes als Streben nach Macht."

"Man hat den Charakter des Willens weggestrichen, indem man den Inhalt das Wohin? heraus subtrahiert hat (Schopenhauer). Wollen ist nicht:

Wollen ist nicht "begehren" streben, verlangen, - Affect des Commandos.

Es gibt kein "Wollen", sondern nur ein Etwas-Wollen.

Das Wollen der Macht. Der Wille zur Macht schon früh in den Werken Nietzsches nachweisbar:

1a In der Zeit in Venedig, von Mitte März bis Anfang Juni 1880 spricht er vom "Gefühl der Macht", vom "Bewusstsein der Macht", vom "Bedürfnis des Machtgefühls": ''Liebe zur Macht", "Streben nach Macht", "Machtgelüst."

Die Macht tritt an die Stelle alles anderen, was der Mensch sonst erstreben soll.

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3. "Der Mensch strebt nach Glück" - was ist daran wahr? -Worum Glück kämpfen die Bäume eines Urwalds mit einander? Um "Glück?" - Um Macht. Der Mensch, Herr über die Naturgewalten, der Mensch, im Vergleich zu einem Vormenschen, stellt ein ungeheures Quantum Macht dar - nicht ein Plus von Glück.

4. Der Dämon der Macht. - Nicht die Notdurft, nicht die Begierdenein, die Liebe zur Macht ist der Dämon der Menschen. Man gebe

2.) ihnen Alles, Gesundheit, Nahrung , Wohnung, Unterhaltung - sie sind und bleiben unglücklich und grillig: denn der Dämon wartet und wartet und will befriedigt sein. Man nehme ihnen Alles und befriedigt diesen: so sind sie beinahe glücklich - so glücklich, als eben Menschen und Dämonen sein können. Aber warum sage ich dies noch? Luther hat es schon gesagt, und besser als ich, in den Versen: Nehmen sie uns etc. Ja! Ja! Das "Reich"!

5. Das Kriterium der Wahrheit liegt in der Steigerung des Machtgefühls. Wahrheit - Wille zur Wahrheit heisst ihr's, ihr Weisesten, was euch treibt und brünstig macht? Das ist euer ganzer Wille, ihr Weisesten, als ein Wille zur Macht und auch wenn ihr vom Guten und Bösen redet und von den Wertschätzungen. Nicht der Fluss ist euere Gefahr und das Ende eures Guten und Bösen, ihr Weisesten, sondern jener Wille·selber, der Wille zur Macht, - der unerschöpftzeugende Lebens-Wille.

"Wo ich Lebendiges fand, da fand ich Willen zur Macht. und noch im Willen des Dienenden fand ich den Willen, Herr zu sein.

"Dass dem Stärkeren diene das Schwächere, dazu überredet es sein Wille, der über noch Schwächeres Herr sein will: dieser Lust allein mag es nicht entrathen.

"Und wie das Kleinere sich dem Grösseren hingiebt, dass es Lust und Macht am Kleinsten habe: also giebt sich auch das Grösste noch hin und setzt um der Macht willen das Leben dran.-

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6.) Zwecke und Ziele

6) "Alle "Zwecke", "Ziele", "Sinne" sind nur Ausdrucksweisen und Metamorphosen des Einen Willens, der allem Geschehen inhärirt: des Willens zur Macht.- Zwecke; -Ziele; -Absichten-haben, Wollen überhaupt, ist soviel wie Stärker-werden-wollen, Wachsen-wollen, und dazu auch die Mittel wollen."

"Alles Geschehen aus Absichten ist reducirbar auf die Absicht der Mehrung von Macht!"

7.) Physiologisch

7a.) Lust 7b Geschlechtlich

7.) "Leben zu definieren als eine dauernde Form von Processen der Kraftfeststellungen":

7.) "Der Trieb sich anzunähern und der Trieb, Etwas zurückzustossen, sind in der organischen wie unorganischen Welt das Band. Der Wille zur Macht in jeder Kraft - Combination, sich wehrend gegen das Stärkere, losstürzend auf das Schwächere."

7.) Der Wille zur Macht sich specialisierend als Wille zur Nahrung, nach Eigentum, nach Werkzeugen, (Leib x.B.)

Lust: Eine Reizung des Machtgefühls durch ein Hemnis. Also in aller Lust ist Schmerz inbegriffen.

"Die ungeheure Wichtigkeit, mit der das Individuum den geschlechtlichen Instinkt (nimrnt: das Zeugen ist die höchste Machtäusserung des Individuums."

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Der Wille zur Macht erscheint

a. bei den Unterdrückten, den Sklaven, als Wille zur Freiheit," zum Loskommen.

b. bei einer stärkeren, wachsenden Art als Wille zur Übermacht, einschränk zur "Gerechtigkeit." d .h. zu dem gleichen Mass von Rechten, wie die herrschende Art.

c. bei den Stärksten, Unabhängigsten als überwältigen, Mid-sich-fortreissen, In Dienst-nehmen, in Besitz nehmen - Liebe.

Noch einige Blicke auf den Entwicklungsgang.

1.) Anfang

1.) Als Primaner schildert er seinen damals noch unentschiedenen Kampf zwischen der "Macht der Gewohnheit", dem "Bedürfnis nach Höherem" und dem "Bruch mit allem Bestehenden" - zwischen dem Zweifel, ob nicht 2000 Jahre ein Trugbild geleitet" und dem Gefühl der eignen Vermessenheit u. Tollkühnheit."

2.) Ende. Sein Wahnsinn. Buch. Ende December 1888 stürzte er in Turin auf der Strasse nieder. Er wird in seine Wohnung gebracht und liegt zwei Tage fast regungslos auf dem Sofa. Durch überlautes Sprechen und Spielen, durch den Verlust des Geldbegriffs und grinsendes Wälzen auf dem Boden tritt der völlige Ruin dieses g rossen Geistes in Erscheinung . Mit eckig-grossen Krankheitszügen beschreibt er eine Anzahl Blätter. Er dünkt sich in ihnen als Gott, als Dionysos, der von seinen Freunden zerissen neu erstanden am Po wandelt. Er will um der Basler Professur willen nicht , so egoistisch sein, die Schaffung der Welt zu unterlassen. In seinen Rasereien am Klavier stösst er unsäglich schauerliche Dinge über sich selbst als den Nachfolg er des toten Gottes aus.

An König Humbert und einen Kirchenfürsten stellt er seine Ankunft in Aussicht als "Der Gekreuzigte". Jetzt hatte er sich in seinem Dionysos-Wahnsinn bis zum Gottesbewusstsein gesteigert. In dieser Zeit unterschreibt er sich abwechselnd Dionysos, Dionysos Zagrens oder der Gekreuzigte.

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nicht der letzte [M.S. mutilated] [Er]krankung im Dezember-Januar 1888/1889 gerecht zu werden. Schon 1875 hat Nietzsche in einem Briefe seine Krankheit ein Gehirnleiden genannt (Briefe I, S.322.326). Es ist demnach ganz verkeht, mit Ziegler und Möbius die Erkrankung in die gesundesten Jahre 1881-1885 zu verleg en. Wenn [M.S. mutilated]voll ihm ein wirkliches Christentum erschienen ist? "Er liebte [inserted in M.S.: Ecce 38] Pascal als einen ihm Gleichgearteten; sein Zu-Grunde-gehen empfand er als das eines geliebten Freundes, ja, als ob es ihn selbst bedrohe (Bd X.S.xxvi.) (Ecce S 38 (dass ich Pascal liebe) und die unzähligen Erwähnungen, die er in sämtlichen Schriften findet). Sera spricht ganz im Sinne des Ecce S. 25.27. wenn er (S.l65) bei Nietzsches Bekämpfung des Christentums von einem schwermütigen Verlangen.

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Wir sehen es, sein gigantischer, religiöser Ringkampf ist, der ihm die Losung "Wille zur Macht" abgenötigt hat. Der Wille zur Macht ist das Motiv und die Triebkraft dieses Kampfes.

S. 24 Vielleicht wird gerade jene Entsagung uns auch die Kraft verleihen, - vielleicht wird der Mensch von da an immer höher steigen, wo er nicht mehr in einem Gott ausfliesst. Ist nicht die Grösse der Tat zu g ross ftir uns? Mtissen wir nicht selber zu Göttern werden um ihrer wtirdig zu erscheinen?

Hörten wir doch dass nach ihm "Einzelne Menschen die ganze Selbstgenügsamkeit eines Gottes und alle seine Kraft der Selbsterlösung geniessen könne." "Jeder von uns möchte am liebsten Gott sein." So nennt er sich direkt selbst Gott. Der Glaube an uns ist der höchste Peitschenschlag und der stärkste Flügel.

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Das Ich will seinen Gott gebären und alle Menschen ihm zu Füssen sehen.

Gott soll nichts sein als der Höhepunkt der Macht. gedacht als das Freigewordensein von der Moral, die ganze Fülle der Lebensgegensätze in sich fassend Gott als der grösste Immoralist der Tat, als Wille zur Macht ohne Güte und Weisheit

"Entfernen wir die höchste Güte aus dem Begriff Gottes: -sie ist eines Gottes unwürdig. Entfernen wir insgleichen die höchste Weisheit: Nein! Gott ist die höchste Macht. Das genügt.

III. Der Wille zur Macht im Christentum.

a.) Nietzsches Kritik

"Der stolze Sünder ist eine bekannte Figur in allen kirchlichen Sekten.

"Auch der Freigeist und ebenso der der Gläubige wollen Macht. Schicksal, Verfolgung, Kerker, Hinrichtung: so freuen sie sich des Gedankens, dass auf diese Weise ihre Lehre der Menschheit eingeritzt u. eingebrannt wird, nun doch noch zur Macht zu gelangen."

"Die Liebe zur Macht: Nehmen sie uns den Leibt"

"Alle Werte der obersten Wünschbarkeit decadence-Werte. Meine Behauptung ist, dass allen obersten Werten der Wille zur Macht fehlt, dass Niedergangs-Werte, nihilistische Werte unter den heiligsten Namen die Herrschaft führen.

Macht durch Beugung . Verzicht auf Macht, aber nur Macht aus Gott. Wer sein Leben u.s.w.

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Wille zur Macht und Beugung unter Gott.

Macht aus Gott durch Beugung unter Gott

1. Wer nicht hasst seinen Vater - und dazu sein eignes Leben der ist mein nicht wert.

2. Wer nicht allem absagt -

3. Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich

4. Wer sein Leben gewinnt Matth. 10.39

5. Lass Dir an meiner Gnade genügen -

Darum will ich mich am liebsten meiner Schwachheit rühmen.

6. Ich habe mehr gearbeitet als sie alle, nicht aber ich, sondern -

7·) Wer sein Leben gewinnt, wird es verlieren.

Wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es gewinnen.