Eberhard Arnold

Versammlungsprotokoll, June 1933

[Arnold, Eberhard and Emmy papers – T.S.H.]

EA 33/78

Gemeinde und Obrigkeit

1933 (Juni – Juli ?)

>(Juni –Bruderschaft am 11. Juni 1933 EA33-54 folgt auf diese Haushaltsversammlung)<

Ich habe diesmal zum ersten Mal auf einer solchen Reise den ganz starken Gesamteindruck gehabt, dass der augenblicklichen Regierungsform gegenüber und ganz besonders den kleineren nationalsozialistischen Körperschaften gegenüber sich die Bedenken mehren, ganz besonders unter verantwortungsbewussten Männern. Das hat mich innerlich sehr bewegt. Der gesamte Eindruck, den man eigentlich jetzt hat, ist zum ersten Mal der, dass es undenkbar erscheint, dass diese Stimmungen lange Zeit durch Gewalt niedergehalten werden. Man wird natürlich das eine Zeit lang schaffen, nur wenn die Verhältnisse sich sehr günstig gestalten würden, auf dem einmal beschrittenen Weg weiterzugehen.

Die Meinung einiger verantwortlicher Männer, dass es nicht möglich sei, dass die Sache sich über Jahre halten könnte, gewinnt an Wahrscheinlichkeit. Weltkonferenz. Deutschland und die anderen Mächte liegen recht ungünstig. Es sieht wirklich so aus, als wenn wir einem neuen Zusammenbruch der zivilisierten Wirtschaft entgegengehen, der kaum aufgehalten werden kann. Es ist so ernst, dass diese Zuchtrute Gottes, die zweifellos durch Gottes Weltregierung über Deutschland gekommen ist, vielleicht sehr bald abgebaut und weggeworfen wird. So sagte mir einer der führenden Männer, er habe den Eindruck, man würde den

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Nationalsozialisten dankbar sein, dass sie manche Schäden aufgedeckt hätten und abtreten könnten. Ich war erstaunt, wie weitgehend sich die Herzen aufgeschlossen haben in allen diesen Dingen; selbst bei solchen, die erst Nationalsozialisten waren, waren Bedenken, besonders auch durch die sachliche Situation.

Das Ganze kommt mir vor wie die Wehen der Endzeit. Ob es die allerletzte Endzeit ist, wissen wir nicht. Die Endzeiten Gottes bewegen sich ja in Kreisen und kommen wieder zurück und fangen immer wieder an, bis sie schließlich ganz herausfahren. Nicht beurteilen mit menschlichen Gedanken, Zeichen der Endzeit, Wehen der Gerichte Gottes. Das Furchtbarste, wenn irgendwas wieder zusammenkracht, auch in griechischen und spanischen Ländern, wenn wieder neue Regierungsformen zusammenbrechen. Es ist nichts Besseres zu erwarten, eher noch Schlimmeres. Man kann gar nicht mehr sagen, dass es schön wäre, wenn diese oder jene gewalttätige Regierungsform abträte. Es ist zu befürchten, dass noch eine gewalttätigere an ihre Stelle tritt. Eine überaus erschreckende Lage.

Ich habe offenherzig gesprochen und ihnen gesagt, dass wir uns nicht verstecken wollten, sondern so vorgehen wollten, dass wir an den entscheidenden Stellen den Vorstoß machen wollen. Unser Vorstoß wird eine Fülle von Bittgesuchen sein. Sie werden uns Gelegenheit geben vorzudringen, um dort die Sache, die uns aufgetragen ist, mit Ernst und doch mit Liebe, mit Eingehen auf die Ideale wirklich vorzugehen. Das ist unsere Aufgabe. Wir gehen zweifellos sehr schweren Zeiten entgegen, aber ich meine, wir haben sie nicht zu fürchten, sondern uns darauf zu freuen, dass es dazu kommen wird, hoffentlich sehr bald, das

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Allerinnerste des Herzen Gottes diesen zu bezeugen.

Was die Obrigkeit betrifft …. , so darf man nicht annehmen, dass uns das alles in den Schoß fällt, sondern man muss vielmehr stark seine äußerste Pflicht tun. Man kann einem Großkapitalisten nichts Besseres zumuten, als dass er seine Mittel einer friedlichen Gemeinschaft zur Verfügung stellt, auch einem Staat nichts Besseres. Ob es geschehen wird, wissen wir nicht. Ich habe keinerlei Bedenken dagegen, da bei einer Obrigkeit, die uns besonders viel Sorgen macht, weniger anzunehmen als von einer Obrigkeit, die uns wenig Sorgen macht. Ich glaube, dass wir von allen Stellen gute Werke anzunehmen haben, Gelegenheit geben, ein gutes Werk zu tun und sich daran zu beteiligen. Freilich ist die Bedingung die, dass man dadurch in keine Knechtung kommt. Grundbedingung.

Wie müsste man ganz klar sein in allem? Praktisch ist unsere Aufgabe, dass wir uns an Herrn von Kühlmann wenden, Gerbaulet beauftragt, seinen Namen nennen, Gesuche schreiben für die 3.418 Hektar nordwestlich des Distriktes 192, Forstministerium. An die Hessische Heimat GmbH zu Händen des Prokuristen Schrott ein Gesuch richten, dass er uns helfen möchte, die Nachbargüter zu erwerben.

3. an den Regierungspräsidenten zu Händen der Abteilung für Arbeitsbeschaffung, ob er Regierungsrat Dr. Knost (?) …. dass wir von den neu zu erwartenden Geldern (Hilfe) für Bauten erbitten, um damit vorangehen zu können. Wir können nicht erwarten, dass jedes unserer Gesuche von Erfolg sein wird, aber ihnen mit diesen Bittgesuchen die Bedeutung unserer Sache ans Herz legen wollen.

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Sehr wichtig erscheint mir, dass wir in dieser Lage der Dinge für die Obrigkeit in treuem Gebet zusammenstehen. Ich glaube, gerade diejenigen Dinge, welche das Bitten für die Obrigkeit betreffen, sollten wir recht tief in unser Herz aufnehmen.

Wichtig, dass die hutterische Bruderschaft in dem Schicksal ihrer Bruderschaft durch hohe Generäle Hilfe erfahren hat. Durch Fürst Bethlen Gabor, in der Weltgeschichte Führer gegen die Türken, eine neue Heimat in Siebenbürgen, wo nachher durch die besondere Führung der Kärntner die Neugeburt erfolgte, nachdem die alte Gemeinde ziemlich erstorben war.

Das Zweite war wieder eine merkwürdige Sache, denn nach 1765 wurden die nach der Walachei geflohenen Reste, von 75 auf 150 Köpfe angewachsen, von dem berühmten Generalfeldmarschall Romanzow wiederum gerettet. Sie waren in der Walachei von türkischen und rumänischen Leibgarden sehr heimgesucht, oft zerstört und befanden sich in einer unhaltbaren Situation. Da hat der russische General ihnen 1769 das Versprechen gegeben: Ich will euch auf meinen Gütern Unterkunft geben, ohne Waffendienst, eigene Gerichtsbarkeit. Nachher enttäuscht durch die Nachkommen Romanzows, als der Zar Paul ermordet wurde; Audienz in den entscheidenden Stunden, immer an die höchsten Stellen. Wie treu die Brüder den Präsidenten Wilson und seinen Stellvertreter aufgesucht haben, so haben sie von Siebenbürgen den Kaiser Josef II aufgesucht und auch die russischen Kaiser wiederholt aufgesucht und sind so weit vorgedrungen. Die andern haben auch beständig mit ihren adligen Grundherren und mit den Landesherren verhandelt, und bekanntlich hat auch Jakob Hutter an Ferdinand einen Brief geschrieben, der die Folge hatte, dass er hingerichtet wurde.

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Beides ist bedeutsam, dass die Brüder sich nicht gescheut haben, auch von blutigen Händen Hilfe anzunehmen. Nur eins: Bewaffnete Begleitung zu verweigern. Das war das eine, dass die Brüder sich nie gescheut haben, auch von blutiger Hand Hilfe anzunehmen. Zweierlei erkannt: Erstens, [ich kann nicht sagen] „ich will nur ganz reine Hände, aus denen ich etwas empfangen will“, denn ich habe ja selber keine reinen Hände. Es gibt keinen Unterschied, der vor Gott absolut bestünde. Entweder wir müssen die ganze Welt richten, oder wir enthalten uns des Gerichts über die, die außerhalb der Gemeinde sind. Deshalb geht Paulus so weit: Nehmt, was euch vorgesetzt wird, ohne zu untersuchen, ob das mit einem besonderen schädlichen Götzendienst zusammenhängt. Eine gewisse Anerkennung, dass die Obrigkeit, die Gewalt über die Menschen hat, ohne blutiges Schwert nicht sein kann, aber mit der entscheidenden Beantwortung dieser Tatsache: Die Gemeinde Christi ist ohne Schwert.

Das andere ist ebenso wichtig: Zu lernen, dass wir nicht zu scheu sein sollen den entscheidenden Stellen gegenüber, sondern dass die Gemeinde Christi sich als Gesandtschaft des letzten Reiches Gottes verpflichtet halten soll, sich an die höchsten Adressen zu wenden, nicht aus Hochmut und Arroganz und Anmaßung, sondern aus Aufrichtigkeit, weil es das Bedürfnis der tiefsten Aufrichtigkeit ist, mit derjenigen Stelle über die entscheidenden Dinge zu verhandeln, die die Hauptverantwortung der entscheidenden Stellen trägt. Es verlangt die tiefste Aufrichtigkeit, dass man sich an die entscheidenden Stellen wendet. Buch „Innenland“ nicht nur dem Oberpräsidenten Philip

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von Hessen, sondern auch den Oberpräsidenten des Reiches, Hindenburg, und Hitler vorzulegen.

„Du wirst sicher vorgelassen werden“, das war mir sehr ermutigend. Deshalb alle unsere Gesuche … So bitten wir dich um deinen offiziellen Besuch sobald als möglich, mehrere Tage bei uns und die Sache aufs genaueste zu erkunden, …Verweise auf Tremmel und Zwickel, abwarten, dass du unsere sämtlichen Gesuche befürworten wirst.

Was den Arbeitsdienst betrifft, so meint Normann Körber, dass nach seiner Erkenntnis eine wirklich militärische Vorbereitung nicht in Betracht käme. Es werden zwar Übungen gemacht, nach seiner Meinung keine militärischen Vorübungen; aber darüber müsste ein rechter Soldat lachen.

Nach seiner Meinung keine militärische Vorübung. [Wir stehen] vor einer doppelten Situation: einmal vor dem ganzen Ernst der Lage, die Europa, Asien und Deutschland [betroffen hat] zum Zweiten unserm Zeugnis unserer Obrigkeit und der Regierung gegenüber.

Die Bittgesuche für die positive Führung, weil in diesen Bittgesuchen nicht nur Geldgesuche, sondern vor allen Dingen die Tatsache unseres gemeinsamen Lebens und des Grades unserer Gemeinsamkeit, auf dem wir uns augenblicklich befinden, dass das sich verbindet mit dem Zeugnis unserer geistigen Verfassung, unserer wesentlichen Stellungnahme auf den Gebieten des Geistes.

Natürlich bin ich noch nicht zu der Ruhe gekommen, um das alles vollständig zu übersehen und zusammenfassen zu können.

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[Ich bin] aufs innerlichste erschüttert über das alles, was da auf unsere Herzen einströmt. [Wir können] nichts Bessere tun als in schweigender …. [Schluss ist abgerissen].

übertragen Marianne Z.

NMR 1988