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Drei Vorträge von Doktor Eberhard Arnold
EA 29/06, EA 29/07
Additional Information | |
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Author | Eberhard Arnold |
Date | November 01, 1929 |
Document Id | 20125980_01_S |
Drei Vorträge von Doktor Eberhard Arnold
[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]
EA 29/4
(incl. 29/6, 29/7)
Tolstoi Archiv Wien
IX. Latschkagasse 9/10
Drei Vorträge von
Doktor Eberhard Arnold
1. Tolstoi und der Kommunismus 20. November1929 >EA 29/4<
2. Der Weg zur Zukunft 22. [November 1929] >EA 29/6<
3. Vom Eigentum zur Gemeinschaft 24. [November 1929] >EA 29/7<
(Nachschrift von Egon Arnheim)
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Tolstoi und der Kommunismus
Es ist notwendig, dass wir den Programmpunkt Jesu wie er erfassen, wenn wir leben wollen. Wovon leben wir denn? Nur von der Liebe leben wir. Nur in der Liebe können die Menschen existieren! Und Jesus zeigt uns, worin der Weg der Liebe, im Gegensatz zu der alten Art das Leben anzufassen, liegt. Es sind dies die fünf Gebote aus der Bergpredigt.
Du sollst nicht töten, sondern dich vereinen! Immer vereinigen!
Du sollst nicht begehren. Die Begehrlichkeit nach dem anderen Geschlecht ist eine Illusion. Treu sein in der Liebe, der wahren, treu sein zu zweien. Immer treu! Werde frei von der Begehrlichkeit nach dem Fleische und nach der Abwechslung des Fleisches. Sei frei von der Begehrlichkeit und werde treu! Ergreife die Liebe, die in der Einheit, der Freundschaft besteht. Entkleide dich von allen überflüssigen Worten in der Rede. Sei frei von allem Schwur. Befreie dich von allem, was nicht unbedingt notwendig ist. Werde schlicht. Du bist dann wahrhaft, wenn du schlicht bist. Wenn es aber nicht so ist, so ist es ein Beweis, dass der Nerv der Wahrhaftigkeit in dir erkrankt ist.
Solange du noch an dein Recht glaubst und mit juristischen Dingen zu tun hast, bis du fern vom Lieben. Denn auf dem Eigentum beruht das Jus(?) und sein Fluch. Sei frei von Eigentum und Recht und gib dich hin der Liebe. Dann wirst du auch frei sein von jedem Versuch, Menschen zu richten und über sie zu Gericht sitzen zu wollen.
Diese schlichten Ratschläge der völligen Liebe gelten allen Menschen, insbesondere aber deinem Feind und jenen, die dir fremdartig sind. Also liebt sie alle. Wenn ihr das könnt, werdet ihr mit Gott Gemeinschaft haben. Der Feind, der sich immer wieder mir als Feind aufdrängt, der Gegner, der immer wieder dahin fährt, wo ich ungestört arbeiten möchte, der ist ja gerade der Mitmensch, mit dem ich mich am meisten zu beschäftigen habe. Jesus kennt nur zwei Arten von Menschen: die Feinde, die er völlig liebt und die Genossen des Geistes, mit denen er völlig vereinigt.
Dies sind die Gebote der Versöhnung statt das Zorns, der Wahrhaftigkeit statt des Stolzes.
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Kommunismus? Es ist ein Fremdwort für Gemeinschaft, auch Gütergemeinschaft. Denn das Eigentum kann nicht anders aufhören, als durch wahre Gemeinschaft, durch den Geist der Gemeinschaft, durch völlige Einheit. Die Versöhnung und das treu Sein, die Wahrhaftigkeit und die Feindesliebe, die weisen auf Gemeinschaft in allen Dingen hin; denn es gibt Gemeinschaft der Menschen nur auf dem Boden der Versöhnung. Nur wenn man die Treue kennt, wenn man auf jedes Recht verzichtet und jedes Eigentum aufgibt, wenn man ganz schlicht, wahrhaft und gerade heraus ist und wenn man eine offene Tür für alle Menschen und gerade für seine Gegner hat. Denn nur dann ist es ein Einheitsprinzip, sonst wäre es eine Klausur, ein Absonderungsprinzip!
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Wenn wir nun fragen, ist Leo Tolstoi ein Kommunist, so müssen wir, da wir nur mit JA und NEIN antworten sollen, NEIN sagen. Er war es nicht einmal bei Ende seines Lebens. Er war Individualist, der sich zur Liebe aller Menschen hingezogen fühlte. Warum aber blieb Leo Tolstoi Individualist und warum wurde er nicht Kommunist?
Es fehlte Leo Tolstoi etwas, etwas, was nicht erzwungen werden kann, etwas, was nicht auf logischen Wege rational klar gemacht werden kann, es ist etwas, was geschenkt werden muss: Der Glaube in einem ganz spezifischen Sinn: es kann keine Gemeinschaft der völligen Liebe geben, ohne völligen Glauben. Er stand der Mystik des Glaubens fern. Seine Abneigung bestand nämlich in der Verwechslung des Glaubens mit der Kirche. Er hat gegen die tiefsten Elemente des apostolischen Christentums eine Abneigung festgehalten.
Leider war es Tolstoi nicht vergönnt gewesen, in die tieferen Elemente der Bergpredigt hineinschauen zu können, wo uns Jesus fünf Hinweise gibt, in der Begegnung mit Gott.
Hier ist der Weg der völligen Liebe und der völligen Arbeit Jesu!
Der erste Hinweis ist die Verborgenheit. Wer nicht die Verborgenheit des Einatmens kennt, wer nicht die Tiefe des Versenkens kennt, soll es nicht wagen zu den Menschen zu gehen. Er kann wohl Menschen streifen, wohl Menschen anrempeln, wohl Menschen anbrüllen, aber nicht zu den Menschen gehen. Nur die, die aus der Tiefe des Herzens und des Glaubens wissen, was in dem Menschen ist, die können zu den Menschen gehen. Es kann ja nur Sinn und Gewicht haben, wenn man den Menschen kennt. Die Verborgenheit ist das Grundgesetz mit dem Umgang Gottes. Dass Gott ein wahrhafter Geist, dass Gott ein klarer Geist ist, davon wissen die wenigsten Menschen. Denn wenn wir vor sein Angesicht treten, will er völlige Klarheit.
Aber die Verborgenheit und die Klarheit macht es allein nicht aus, es muss auch ein reiner Wille vorhanden sein.
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Die beiden Herrscher der Welt sind der Mammon und Gott, das Eigentum und die Kommune. Jesus sagt, „entweder ihr gehört dem Gelde, gut, dann gehört ihm, oder aber ihr gehört Gott, dann aber brecht mit dem Gelde.“
Hinweg mit allem Eigentum, das war Jesus! Das Gegenteil ist der Teufel. Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen. Dort wo dein Schatz ist, ist dein Herz. Verlasst alles, was ihr bis jetzt festgehalten habt und wendet euch um zu Gott. Denn der Satan ist der Herrscher der jetzigen Welt. Solange du noch Angstvorstellungen hast um deine Existenz, solange ruht deine Existenz auf dem schwankenden Boden des Mammon. Und Jesus fragt, wo hängt deine Existenz, wo liegt deine Existenz, liegt sie in Leiden, in Sorgen oder – in Gott? Es gibt eine Notwendigkeit des stürmischen Rufens nach Gott. Wer das nicht kennt, der kennt Gott nicht. Und Gott will gedrängt und gerufen werden!
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Jesus sagt: Wenn ihr etwas haben wollt, das auf alles passt, so will ich es euch sagen. Was du erwartest, das tu den andern. Was du verlangst für deine Kleidung, deine Wohnung, deine geistige Ausbildung, dein Leben, das erkämpfe für alle deine Mitmenschen bis ins Letzte und Äußerste hinein. Es ist dies die praktische Anwendung für: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Du darfst aber nie mit der Masse rechnen, rechne auf keinen Massenerfolg, rechne auf kein Massenecho, kümmere dich gar nicht darum, was die Masse tut und sagt. Du bist souverän frei davon. Nur wer es wagt, im Gegensatz zu der Masse, einen ganz anderen Weg zu gehen, in der Gefahr hin, Niemanden oder nur wenige zu treffen, der kann die Wahrheit erfassen. Also sei bereit, die Masse aufzugeben.
Lebe in allem aus der Wurzel heraus. Sei echt in allem. So wie das Salz, das sich auflöst und wirkt dabei, wie der Baum, der Früchte trägt und verwelkt dabei. Der gute Baum wird gute Früchte tragen. Auf die innere Wesenheit kommt es an. Echt muss es sein. Was nicht wurzelecht ist, ist wertlos. Ist es aber wurzelecht, dann hütet euch vor dem Falschen. Hütet euch vor denen, die glänzend imitieren können, hütet euch vor denen, die gute Schauspieler sind. Wenn an der Tatsache des Apfels oder der Birne erkannt wird, ob es ein Apfelbaum oder ein Birnbaum ist, so werdet ihr an der Tatsache des praktischen Lebens erkennen, ob das die Wesenheit ist, die ich meine.
Nur eine Tat entscheidet. Ihr alle habt gehört, gehört und gehört, gesungen etc., gebetet etc. gelesen etc., aber die Tat entscheidet.
Und wer meine Rede hört, sagt Jesus, und er tut nicht danach, dessen Lebensbau kracht zusammen. Und nur wer meine Rede hört und danach handelt, dessen Lebensbau wird bestehen, denn er handelt aus der Wurzel heraus!
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Der heilige Geist wir(d) über uns kommen. und als er kam, da brachten sie alle ihre Besitztümer zu den Füßen der Apostel. Und niemand sagt, dass es ihnen gehört, sondern allen. Sie kümmerten sich um das Innere ihrer Mitmenschen. Sie hatten Gemeinschaft im Besitze und beim Rufen zu Gott. Es war eine Einheit, eine wirkliche Gemeinschaft unter ihnen, auch Gemeinschaft der Güter.
Suchen auch wir einen solchen Weg, indem wir unser Leben für alle einsetzen.
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[EA 29/6]
Der Weg zur Zukunft
Der Weg zur Zukunft ist ein Thema, das vielleicht diesen oder jenen unter uns verblüfft, aber das dürfte nicht so sein. Schon die Gestalt des Menschen zeigt uns, dass wir vorwärts Schreiten, vorwärts Blicken müssen. Wir sehen den schreitenden, den voranblickenden, den aufrechten Menschen in einer aufrechten Haltung. Wir gehören nicht zu den Tieren, die nach unten schauen und die Augen seitwärts haben; wir gehören nicht zu den Lebewesen, die den Bedürfnissen des Augenblicks ergeben sind. Wir sind nicht augenlose Würmer, die dahinkriechen, sondern wir sind aufrechte, vorwärts blickende, vorwärts schreitende Menschen. Einmal, da wir der Wirklichkeit gehören, zum anderen Mal, da wir der Zukunft gehören. Und jeder tiefere Mensch wird diese Aufgaben als die Aufgaben seines Daseins betrachten, die Wirklichkeit und die Zukunft zu erfassen und zu durchdringen.
Denken wir an den großen Perser Zarathustra, der in seinem Kampf für Reinheit und Arbeit, für Land und Geist den Sieg des Lichtes über die Finsternis prophezeite, als das endgültige Zukunftsbild der Erde und der Menschheit. Zarathustra ist in mehr als einer Hinsicht außerordentlich bemerkenswert für das, was uns diesen Abend beschäftigt. Diese Arbeit kann nach Zarathustra nur dann fruchtbar sein, wenn wir von der Liebe beseelt sind, von der Liebe zu dem Geist und von der Liebe zu den Menschen, und wenn wir frei werden von dem Landraub der Frevler, die den Acker den Menschen wegnehmen, der doch Gott gehört und allen gehört. Zarathustra ist ein Geist, der den jüdischen Propheten auf das innigste verwandt war. Die jüdischen Propheten gehören für alle einsichtigen Geister zu den führenden Größen der Menschheitsgeschichte vom Anfang bis zum Ende. Ihnen war es gegeben, das Zukunftsbild der Menschheit zu sehen, als Gerechtigkeit, als Einheit. Sie waren mit der ganzen Spannung ihrer Seele auf die Zukunft der Menschen gerichtet. Sie waren durchglüht von dem Glauben, dass diese Zukunft den Menschen soziale Gerechtigkeit bringen müsse. Sie waren sich aber bis ins tiefste ihrer Seele bewusst, dass diese soziale Gerechtigkeit nur so zu den Menschen kommen kann, dass sie als Gerechtigkeit Gottes offenbar werden kann. Es ist diejenige Gerechtigkeit, welche das Hauptwort zu dem Adjektiv „gut“ ist. Es ist das gut Sein in der Totalität, in der Absolutheit des Begriffes und des Wesens. Die Zukunft der Menschen und der Menschheit besteht in diesem vollendeten gut Sein, in der Gerechtigkeit Gottes.
Wie aber wird dieses gut Sein offenbar? Es wird offenbar als Einheit, als Friede. Wir leben heute noch immer in einer Zeit, in welcher die Einheit und der Friede noch nicht in das Bewusstsein der Allgemeinheit getreten ist, wir wissen noch nicht, was Einheit und Friede ist. Wir haben noch keine Erfahrung davon, wie Einheit und Friede sich ausdrückt. Es steht außerhalb unserer empirischen Kenntnisse. Der Prophet weiß es. Ihm wurde es durch eine göttliche Inspiration offenbar.
Harmonie ist ein Begriff, den viele von uns aus der Musik kennen. Und es ist uns gewiss allen klar, dass diese Harmonie nichts Eintöniges, nichts Kraftloses, nichts Mattes und Schlaffes ist. Was ist Harmonie? Die Harmonie ist die Geschlossenheit in der Bewegtheit, die Ganzheit in der Mannigfaltigkeit. Die Harmonie ist die Kraft, die sich als Einheit betätigt. Wo Ganzheit und Geschlossenheit ist und es fehlt an der Mannigfaltigkeit und der Bewegtheit, dort ist keine Harmonie.
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Die Harmonie ist die Kraft der Einheit, die in einem ungeheuren Reichtum der Bewegtheit und Mannigfaltigkeit in Erscheinung tritt. Das ist der Friede, das ist die Einheit, die die Propheten meinen. Die vollendete Einheit, die in der Kraft der Bewegung und des Reichtums als Ganzheit in Erscheinung tritt. Die Freude, als den eigentlichen Charakterzug dieser Menschheit. Und das ist der Grund, warum wir so freudlos sind, da wir fern von der Gerechtigkeit und Harmonie und vom Frieden leben. Dass wir zerrissene, zerfetzte Wesen sind. Wesen der Verwesung; dem Tod verfallen, weil uns die Gerechtigkeit und der Friede fehlt.
Diese Freude aber wiederum ist die Wurzel der Liebe. Es gibt keine andere Liebe, als die Liebe, die wir aus der Freude schöpfen. Wer sich nicht freuen kann, der kann nicht lieben. Die Freude Gottes ist die Kraft des Glaubens und der Liebe.
Die Propheten sehen das Reich Gottes voraus als ein Paradies, als den Anfang unserer Erde, als ein Paradies der Arbeit der schöpferischen Kraft. Nun kamen Johannes der Täufer und Jesus, Männer, die ohne den jüdischen Propheten nicht gedacht werden können. Und sie riefen unter die Menschen, die Regierung Gottes ist da. Sie rückt heran, sie steht unmittelbar bevor. Jetzt ist der große Regierungsumschwung in der Menschheitsgeschichte gekommen. Sein Geist bricht herein und sein Geist ist Wirkung. Das war das Eigentümliche an Jesus, dass er, von der Zukunft erfüllt und bedrängt, Wirkung war. Nichts war bei Jesus ein Wort, das keine Wirkung gehabt hätte, nichts war bei Jesus wie Schall und Rauch, das nicht einschlug und durchschlug, sondern was er sagte, war Tat und Wirkung.
Nun könnte man denken, diese Zeit liegt hinter uns. Heute sind wir in eine Periode eingegangen, in der wir an diese religiösen Hintergründe der Vergangenheit und der Zukunft nicht mehr glauben können. Ist es wahr? Ich bekenne offen, ich glaube an keine Atheisten. Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die wirklich überzeugt sind, es kann keinen Gott geben.
Und selbst der Sozialismus ist die aufs wirtschaftliche verengte Zukunftsgläubigkeit der Männer Gottes. Der Sozialismus will die Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit als eine soziale Anwendung des gut Seins auf die Wirtschaft, auf die ökonomischen Fragen der Güterverteilung und –zuteilung (Arbeitszuteilung). Es ist, wie wir gesehen haben, der erste unter den drei jüdisch-prophetischen Gesichtspunkten.
Und die Revolution, die Karl Marx vorausgegangen war, hat ebenfalls eine Zukunftsahnung ausgesprochen. Gehen wir aber nun auf diejenigen Männer zurück, die dem modernen Sozialismus vorausgegangen waren, die ihre Urbegründer waren. Denken wir an die Männer des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Frankreich, England. Denken wir nur an einige von ihnen, so werden wir sofort klar sehen, hier lebt der alte Geist des Prophetentums. Fourier, dieser merkwürdige Mensch, brachte die Idee der Zukunftsphallanx auf. Eine Arbeiterarmee verstand er darunter. Er wollte, dass diese Arbeitsgruppen Abwechslung in der Arbeit finden sollen. Er erwartete als Christ, dass der Geist der Freundschaft und der Gemeinschaft und der Freude diese abwechselnden Arbeitsgruppen durchfluten und bestimmen sollte.
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Der gesamte Sozialismus und Kommunismus ist aber kein Zukunftsziel mehr. Er wurde durch die Hutterer schon verwirklicht und zwar auf österreichischem Boden. Hier
haben viele tausende von Menschen in wirklicher Gemeinschaft gelebt. Sie glaubten, dass das Reich Gottes herbeigekommen sei. Diese Menschen haben das, was Fourier und andere nur ausgedacht haben, gewagt und das, was Fourier als das messianische Reich vor sich sah, ist bei den Hutterern verwirklicht worden.
Wir müssen jetzt auf die Grundbedingungen bei Jesus zurückkommen, um uns klar zu werden, unter welchen Bedingungen kommt diese Einheit und Gerechtigkeit zu uns.
Auch der moderne Sozialismus muss von seiner Entgottung erlöst werden. Diese Entgottung ist vielfach nur theoretisch. Dazu aber hat uns Jesus den Weg gewiesen. Jesus hat uns gezeigt, dass das, was der Sozialismus fordert, das ist, was mit der Liebe zu Gott identisch zu setzen ist. Denn wenn wir nicht Gott ganz lieben, wird die Probe auf das Exempel beweisen, dass wir nicht unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Und umgekehrt. Denn wenn du deinen Bruder nicht liebst, den du doch siehst, wie sollst du Gott lieben, den du nicht siehst.
Jesus zeigt den Weg für die Zukunft und sagt in seiner Bergpredigt: Ihr hungert, ihr dürstet, ihr verendet; und gerade die Tiefsten sind es, die zu Grunde gehen. Aber Heil euch, die Stunde ist da, stürzt alles um, stellt alles auf den Kopf, denkt alle Dinge von der Zukunft Gottes jetzt aus, denkt einzig und allein von der kommenden Gerechtigkeit und Einheit aus, denkt einzig und allein von der kommenden Freude aus, fasst Fuß in der Zukunft Gottes. Lebt aus den Kräften der zukünftigen Welt, schaut, wie die Genossen der Zukunft sein werden.
Jesus zeigt die bessere Gerechtigkeit, die besser sein muss als selbst die der Theologen, als das Gutsein in der Wurzel, als das Gutsein im Wesen, als das Gutsein im Quell, als das Gutsein im Lebenssaft, als das Gutsein in der Essenz, im Existenzleben, in der Wesenheit der Dinge. Das ist der Unterschied gegen alle Theologie und Moral. Auf das Herz, auf den Nerv, auf den Saft kommt es an.
Und Jesus spricht von dem Lichte, dem Baume, dem Herzen und dem Salz. Der Baum ist lebendig und wachstümlich und wesentlich in seiner Lebendigkeit, das Licht ist brennend und glüht, kein kaltes Licht, sondern ein sich verzehrendes, Wärme und Glut ausstrahlendes, leuchtendes Licht. Das Licht ist in seiner Wesenheit hell und strahlend und wärmend und sammelnd zugleich. So wie die Urmenschen sich um ihr Lagerfeuer gesammelt haben und um ihr Herdfeuer und wie dieses Licht das Symbol ihrer Hausgemeinschaft und ihrer Lagergemeinschaft war, so sagt auch Jesus:
Stellt das Licht auf den Leuchter, ihr müsst eine Stadtgemeinde auf dem Berge werden. Eine Kommune sollt ihr werden, von wo die Lichtstrahlen in die ganze Welt ausgehen werden. Und nur, wenn solche lebendigen Kommunen über die ganze Erde ausgebreitet sein werden, wird der Fäulnisprozess unseres Untergangs aufgehalten werden. Und wenn das Salz seine Salzkraft verloren hat, hat es seine Wesenheit verloren. Ebenso wie das Licht, wenn es ausgelöscht ist, aufgehört hat Licht zu sein. Wenn wir es auch noch so nennen. Wir nennen es aber auch deshalb nur noch Licht, weil wir auf den zukünftigen Augenblick hoffen, wo es wieder angezündet werden wird. Und so geben wir selbst die verruchte und Fluch beladene Großstadt nicht auf.
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Längst ist das Licht der Großstadt vom Leuchter gestoßen, längst ist sie keine lebendige Stadt auf dem Berge mehr. Aber noch lebt die heilige Flamme, die sich herniederlassen kann und sie wieder anzünden. Denn wir glauben an das Wunder Gottes.
Alles, was Jesus sagt,m eint er in Beziehung auf das Herz des Menschen. Auf das Herz kommt es an. Das Herz ist die Urtiefe unseres Bewusstseins, es ist das unterbewusste Ahnen, es ist das innerste Glimmen unserer geheimen Lebensfunken, die verborgene Hoffnung unseres längst erloschen scheinenden Glaubens. Das ist das Herz, dein verborgenstes Wesen, das du niemanden zeigen willst. Dieses Herz sucht Jesus. Heil denen, die reinen Herzens sind, heil denen, die Herz haben, die barmherzig sind. Die Liebe, der Zug des Herzens, ist das Geheimnis des Herzens. Ja, wenn ihr Herzen habt, werdet ihr vollkommene Menschen werden. Es gibt für uns nur ein Ziel, nämlich vollkommene Menschen zu werden. Das aber können wir nur werden, wenn wir aus dem Herzen heraus leben und aus Gott heraus.
Wie in allem zielt Jesus darauf ab, dass wir von Gott her und von Gott heraus handeln. Und zwar, dass wir so handeln an allen, wie wir wünschen, dass sie an uns handeln sollen. Das ist die Lösung Jesu für das praktische Dasein. Werde sozial, werde kommunal! Lebt wie Jesus, so lebt ihr der Zukunft. Wir können uns schämen vor der Solidarität des Bienenvölkchens, vor einem Ameisenhaufen. Wir müssen leben wie Jesus, denn er nennt sich den Gottessohn und deutet hin auf die Nachkommenschaft der Menschheit. Er heilte die Kranken, widerstand dem Großen, lehnte ab die Gesellschaft und ging in den Tod. Er gründete die wahre Kommune der Zukunft, die völlige Gemeinschaft der Güter und der Arbeit. Die wirkliche Gemeinschaft der Gegenseitigkeit, die wirkliche Gemeinschaft in allen Dingen. Dass wir dieses Reich der Gerechtigkeit und Freude nur sehen, auch nur in unserer inneren Ahnung schauen können, müssen wir uns vollkommen umkehren und auswechseln, genau so radikal, dass du deine 40 oder 50 Jahre ausstreichst und von Neuem anfängst. Gott wird dir die Kraft geben, dass du brichst mit allem Geschehenen. Er ist nicht damit zufrieden, dass du dich mit einem Zukunftsideal begeisterst, sondern er verlangt, dass du deine Glieder, deine Muskelkräfte in den Dienst der Gemeinschaft stellst. Du musst einen Arbeitsplatz finden, wo die Einheit und die Liebe und die Freude gefördert wird. Hier ist Gerechtigkeit, Friede, Freude im HEILIGEN GEIST. Hic Rhodus, hic salta.
Wenn wir an die Zukunft glauben, müssen wir sie im Augenblick ergreifen. Der Geist ist die kollektive Seele der Zukunft. Die Norm der Zukunft, das Normativ der Zukunft kann unmöglich heute als normal anerkannt werden. Es muss heute als unnormal erscheinen.
Und deshalb ruft uns Jesus auf: Entscheidet euch für die Zukunft! Ihr sollt Botschafter des Messias sein.
Der Weg in die Zukunft besteht einzig und allein darin, dass wir Vertreter der Zukunft werden.
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[EA 29/7]
Vom Eigentum zur Gemeinschaft!
Vom Eigentum zur Gemeinschaft ist das große Thema, das uns diese drei Abende beschäftigt. Und es ist zunächst heute Abend an uns gelegen, dass wir den Fluch des Eigentums und die Ursachen seines Giftes erkennen. Die giftige Wurzel des Eigentums ist die Loslösung, die Verwesung. Der Tod ist das Gift des Eigentums. Denn das Eigentum stammt aus der Vereinzelung. Die Vereinzelung aber ist die Verwesung. Wenn unser Körper auseinanderfällt, so verwest er. Und wenn die Menschheitsgemeinschaft in Einzelne und das Eigentum auseinander fällt, so ist sie im Zustande der Verwesung. Die Vereinzelung des einzelnen Ichs; sie ist die giftige Wurzel des Eigentums. Und der Fluch des Eigentums besteht in der Tatsache der Zusammenhanglosigkeit der Einzelnen untereinander und der Einzelnen Gott gegenüber, als die Wurzel des Seins und des Lebens. Der Tod wird eintreten, die Menschheit liegt in Agonie. Sie ist dem Todeszustande verfallen. Und das stärkste Zeichen ihre Todeszustandes ist das Eigentum. Das Eigentum stammt aus der Ichsucht des begehrlichen Willens. Die Ichsucht des begehrlichen Willens ist die Wurzel der Vereinzelung.
Nehmen wir den Leib des Menschen, den Gott uns gegeben hat, als Vergleich der Menschheit, als Wirklichkeit, dass wir daran sehen sollen, wie die Menschheit sein soll. Als Dämonie erkennen wir im menschlichen Leib, dass sich ein Glied des Menschenleibes von der Bewusstseinseinheit loslöst, und nun im Gegensatz zu der Bewusstseinseinheit, der Funktionseinheit steht.
Jesus sagt: Ärgert dich deine rechte Hand, ist sie dir Anlass zum Tode, so hau sie ab und wirf sie weg. Wenn ein Mensch in der Bewusstseinseinheit lebendig ist, dann dienen alle seine Glieder und alle seine Funktionen der Einheit des Leibes. Und keines der Glieder dient sich selbst, ohne für die anderen Glieder da zu sein. Am bekanntesten ist die Krankheit auf diesem Gebiet in der Sphäre des sexuellen Lebens. Es ist zwar richtig, dass es in der sexuellen Sphäre am deutlichsten ist; wir können dasselbe aber auch bei allen anderen Funktionen und allen anderen Organen erkennen.
Und wenn sich eine bestimmte Funktion von sich aus vordrängt und bemerkbar macht, ist die Gesundheit vorbei, und die Krankheit ist da. Unser Herz ist dann gesund, wenn wir es nicht merken.
Gerade so ist es mit den einzelnen Menschen. Wenn der einzelne Mensch sich bemerkbar macht, sich aufdringlich macht, sich wichtigmacht, sich groß tut und vordrängt, so ist das ein Zeichen seines Verfalls, Anzeichen seiner Krankheit. Anders ist es nur dann, wenn alle für alle da sind und die Einheit sich für alle offenbart.
Das zeigt sich am deutlichsten beim Eigentum. Das Eigentum, das private, ist die Wurzel des Mordes. Aus dem Gegenstand des Eigentums stammt Krieg, der Konkurrenzneid und die gegenseitige Schädigung im Geschäftsleben. Aus dem Eigentum nährt sich die krankhafteste Form, die bezahlte Prostitution und die bezahlte Kaufehe, die auch nichts anderes ist. Aus dem Eigentum wird die Geschäftslüge und aller Art von Lüge in der gegenseitigen Verkehrsmethode geboren.
Ich erinnere mich an eine verwandte Familie, die einen großen Geldverlust
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erlitten hat an Mahagoniwaldungen in Kuba und als diese Familie zu einem kleinen Familienkongress zusammentrat, da hieß es, wo können wir uns einschränken, wir können nicht aufhören erster Klasse zu fahren, wir können nicht Wagen und Pferde abschaffen, denn das würde unseren Kredit schädigen, wir können also nur in dem täglichen Leben der Kleinfamilie uns Entbehrungen auferlegen. Nach außen hin müssen wir eine lügnerische Haltung eines vorgetäuschten Reichtums durchführen! Oder, wir gehen durch eine Stadt hindurch und wir sehen elegante Erscheinungen mit feinen Stiefeln, feinen Strümpfen, feiner Seide und feinem Samt und wir erfahren, wie dieselben Personen wohnen und untergebracht sind. Wer einigermaßen Weltkenntnis besitzt, weiß Bescheid.
Es würde uns zu weit führen, diese Einzelheiten weiter zu ergründen. Für alle diese Dinge ist es das Eigentum, das den eigentlichen Nährstoff bietet. Ohne das private Eigentum würden alle diese Dinge wesentlich entgiftet sein. Ich habe schon einmal auf Max Stirner hingewiesen. Es ist noch zu untersuchen, ob nicht Max Stirner sein ganzes Buch ironisch gemeint hat. Er schrieb das Buch „Der Einzige und sein Eigentum“, und in diesem Buche hatte er den unerhörten Mut, das gesamte Leben von heute als nackten mörderischen Egoismus hinzustellen. Alles, was ich tue, tue ich für mich selbst. Das muss uns auch klar werden in der Liebe zwischen Mann und Frau. Es muss uns klar werden, dass auch diese Liebe der Besitzergreifung des Körpers Egoismus ist. Ja, es muss uns auch klar werden, dass die freundliche Geste, die wir hier und da unseren Mitmenschen gegenüber hervorzukehren pflegen, aus Egoismus stammt. Wir sind eben dann freundlich und freundschaftlich, wenn wir uns irgend einen Vorteil oder eine Erweiterung unseres Machteinflusses davon versprechen. Auch alles, womit ich anderen Freude zu machen versuche, tue ich nur, um den Kreis zu erweitern, wo ich zur Geltung komme. Max Stirner zieht ganz klar die Konsequenzen: dass die materielle, in die Wirklichkeit hineingreifende Auswirkung dieses Lebens das Eigentum ist. Wenn es so ist, dann haben wir unseren Kindern nichts anderes zu lehren und einzuprägen, als das Eigentum. Egoismus und Eigentum sind so völlig eins, dass das Eigentum nichts anderes ist als die Außenseite des Egoismus.
Nun sagt man dagegen: 1. Der Mensch hat doch wie alle Lebewesen den Selbsterhaltungstrieb von der Natur, von Gott bekommen, als eine wesentliche Kraft seines Daseins. Wenn man Achtung vor der Erschaffung haben will, muss man den Selbsterhaltungstrieb anerkennen und pflegen. Dieser Trieb strebt nach Eigentum und muss das Eigentum erlangen und festhalten. Der Mensch muss das Leben erhalten, das ist seine ethische Pflicht, so heißt die Gegenthese zu dem, gegen das, was ich zu sagen habe.
Dieser Selbsterhaltungstrieb ist verheiratet mit dem Geschlechtstrieb und wirkt sich aus als Machttrieb, als Profitgier.
Die gesamte Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft ist die Eigengesetzlichkeit des Egoismus und des Eigentums. Unsere gesamte Wirtschaft basiert einzig und allein auf der Profitgier, auf dem Egoismus der Selbsterhaltung und Machterweiterung in dem Sein des Einzelnen. Und man hat richtig spekuliert, denn Jesus hatte schon gesagt, wenn des Satans Reich mit sich selbst uneins wäre, so wäre es längst zerfallen. Und so zerfällt unser hochkapitalistisches System nicht. Nun besteht ein gewisser Zusammenhalt innerhalb dieses Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.
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Denn diese dämonischen Kräfte der Profitgier sind einig in sich selbst. Sie verfolgen dieselbe Tendenz. So sind denn die Besitzenden die Besessenen, sie sind die dämonisch Besessenen. as Eigentum, das Geld, die Wirtschaft ist Eigengesetzlichkeit geworden; wie an dem Körper des Perversen das Geschlechtsglied eigengesetzlich geworden ist. Die Eigengesetzlichkeit ist die Dämonie. Das ist der Fluch der Jahrhunderte, in denen wir leben, dass unser Leben zerrissen, zerfetzt ist, dass wir den Götzen der Eigengesetzlichkeit verfallen sind, dass wir alle niederknien vor der Eigengesetzlichkeit, und ganz besonders vor der Eigengesetzlichkeit des Geldes und der Wirtschaft.
Die Entwicklung unseres Abendlandes geht rapid bergab. Und wenn wir im Mittelalter das Übergewicht der Kirche gehabt haben über den Staat und über das ganze Leben, und wenn wir später das Übergewicht des Staates gehabt haben über das Leben der Kirche und der Wirtschaft und über das Leben aller Dinge, so stehen wir heute in einer Entwicklungsperiode, in welcher die Wirtschaft das Übergewicht erlangt hat über Staat, Schule, Kirche und Dasein. Ich will hier kein Urteil aussprechen, welches die bessere und schlechtere Möglichkeit war, ich will nur feststellen, dass wir jetzt angelangt sind in der Sklaverei unter das Materielle. Das ist Tatsache.
Als ersten Punkt haben wir den Selbsterhaltungstrieb genannt. Nun der zweite Einwand: Der Einwand des Kollektiv-Egoismus, indem man sagt, ich lebe ja gar nicht für mich, ich will mein Eigentum nicht für mich selbst haben, ich will es für meine Frau und Kinder oder sonst irgendjemand, ich will ja gar nicht, wenn ich in den Krieg ziehe, mein persönliches Eigentum verteidigen, sondern ich trete für alle ein.
Die lange Brautschaft und Ehe, der Zustand des Verliebtseins und der Flitterwochen auf diese beiden Menschen, ist nichts anderes als Egoismus zu zweien. Wer seine Frau liebt, liebt sein eigenes Fleisch. Wer seine Kinder liebt, liebt sein eigenes Fleisch und Blut. Nicht nur die Liebe zur eigenen Familie, sondern auch zur Mespoche, das Zusammenhalten der Sippe, die feste Treue der Horde, auch der Siedlung unter sich, die Verteidigung des Stammes, des Staates, ja noch mehr, auch der Bürgerkrieg für die eigene Kaste oder für die eigene Klasse ist – Kollektiv-Egoismus.
(Erklärung von Kollektiv-Egoismus): Die Zahl entscheidet hier nicht, sondern das Wesen. Es kommt nicht darauf an, ob ich nur für mich allein sorge, oder ob ich für mit mir Verbundene sorge. Darauf kommt es gar nicht an, das wäre nur ein arithmetischer Unterschied. Die Frage besteht nur darin, ob ich für mich und die zu mir Gehörenden ausschließlich sorgen will im Gegensatz zu allen anderen.
Ich will es offen heraus sagen, ich bin Gegner das Nationalismus und Patriotismus, ich bin ein Gegner des proletarischen Klassenkampfes, ich bin auch ein Gegner der üblichen Klassenvorherrschaft der Besitzenden, und noch eins, ich bin ein Gegner des Erbrechtes! Ich behaupte, dass Egoismus überall dort ist, wo es sich um Wahrung von gemeinsamen Interessen kleinerer oder größerer Gruppen handelt. Ich bin Gegner des Parteiwesens!!
Unser gesamtes öffentliches Leben ist diesem Fluch verfallen. Wofür ist das Militär da, wozu ist das Gericht da, wofür ist die Bürgerarmee da? Das alles ist doch zweifellos da für das Eigentum, für das Losgelöste, dem Tod verfallene Einzelne.
Es gilt, dass wir die Untergangsatmosphäre zerreißen. Solange der begehrliche Wille, der Kampf ums Dasein, solange der Eigenanspruch und das Eigenanrecht und Vorrecht gilt, solange sind wir verloren. Wir sind dem Zustand der Zerteilung und Entgottung verfallen. Ich will Ihnen ein kleines Beispiel erzählen, damit Ihr Geist sich wieder erholt und Sie dann wieder
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frei mitdenken können. Hier ein kleines Beispiel dafür, wie diese Atmosphäre die Menschheit umklammert hält: Wir erfuhren in Berlin von einer schwer tuberkulösen Frau, die in einem Zimmer wohnte, wo den ganzen Tag hindurch kein Lichtschimmer hineindrang. Diese Frau konnte nicht einmal mehr allein aufstehen und so wurde sie täglich von einem Hausbewohner aus dem Bett heraus gehoben und abends wieder hinein gelegt. Unter unsäglichen Mühen gelang es uns, und mit Aufbietung aller unserer Geldmittel ein sonniges Zimmer in einer gesunden Gegend für sie zu mieten. Und als wir hinkamen, sie abzuholen, da ging sie nicht weg. Diese Umgebung ist ihr zur Gewohnheit geworden. Und so ist der Zustand der Menschen heute: Der Fluch des zerstörten Lebens ist zur Gewohnheit geworden! Es gilt, dass wir aufwachen und das Evangelium hören, das uns freimachen will von dem Fluch des entgeisteten und entgotteten Lebens.
Schauen wir nun in die Natur hinein, um uns von den Schreckensbildern zu erholen. Worin besteht denn unser Leben, ganz natürlich betrachtet? Wir leben von der Sonne, von der Atmosphäre, von der Luft, vom Wasser, von der Erde und ihren Bodenschätzen, und dazu leben wir von unserer Arbeitskraft, die diese Kräfte der Natur durch Anstrengung des Geistes und des Körpers zu verwerten versteht. Wem ist die Sonne gegeben? Allen, allen, allen ist sie gegeben. und wenn eine Gleichheit besteht, dann besteht sie in der Schenkung des Sonnenlichtes. Doch es gibt Menschen, die leben im Schattendasein, aber sie sollen heraus ins Licht der Sonne. Und nun sagen die alten Hutterer in ihren Schriften: „Wenn die Sonne nicht so hoch hängen würde, sie wäre auch als Eigentum beansprucht worden von einigen Leuten zur Schädigung der anderen, die dann nichts mehr davon zu sehen bekämen. Aber sie hängt zu hoch.“ Denn der Eigentumswille, der sich aneignet, was ihm nicht zukommt, würde auch bei der Sonne nicht Halt machen. Wie ist es mit der Luft? Sie wird teilweise schon gekauft. Und die Kurorte, sie nehmen doch Kurtaxe, also lassen sie sich die Luft bezahlen. Wie steht es mit dem Wasser? Wie mit der Wasserkraft? Wie aber steht es mit der Erde? Besteht ein Vernunftgrund, dass die Erde persönlichem Eigentum zugeteilt sein müsse? Ist die Erde etwas anderes als die Sonne? Auch die Erde dürfte kein privates, persönliches Eigentum sein. Die Erde gehört den Erdbewohnern, denen, denen Gott die Erde bestimmt hat. Heute aber befindet sich die Erde in privaten Händen. Was ist „privat“, was heißt „privat“? Privataufgabe, Privatauto, Privateigentum, Privatweg? Privare heißt rauben! Also das geraubte Eigentum! Aber wem ist es denn geraubt? Gott und der Menschheit ist es geraubt. Der Schöpfung Gottes ist es weggenommen und der Einzelne hat es sich angeeignet, oder er hat es ererbt, was dasselbe ist. Und jeder hält es fest.
Der Fluch des Eigentums würde dem Menschen schon von Natur klar werden können, aber er braucht prophetische Geister der Wahrheit, die ihm die Sache ganz klar vor Augen führen. Und solche Menschen, die hat Gott ihnen immer gesandt!
Jesus ist der Freund des Menschen, deshalb der Feind des Eigentums. Jesus will das wahre Leben für die Menschheit, und deshalb ist er der Feind des Selbsterhaltungstriebes als egoistisches Dasein. So sagt uns auch ein Paulus-Brief: Jeder Mensch soll so gesinnt sein, wie es Jesus war. Er hielt
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sein Vorrecht nicht fest, sondern er gab alles auf und ließ alles los, und nahm den niedrigsten Platz unter den Menschen ein. Er wurde nicht nur der ärmste Mensch, sondern er wurde auch der niedrigste Mensch, indem er in die Verbrecherklasse eingereiht wurde. Er hat nichts für sich festgehalten, er hat kein Geld gehabt, sondern die Wanderkommune hatte eine Gemeinschaftskasse. Und er sagte ganz klar: Wer dem Selbsterhaltungstrieb lebt, ist dem Leben verloren. Wer sein Leben halten will, wird es verlieren. Und wer nicht alles verlässt, was er hat, passt nicht zu mir. Keiner von euch passt zu Jesus, der noch im Eigentum sitzt, verkaufe alles, was du hast und gib es weg. Wer mehr als einen Rock hat, gebe ihn weg. Auch deine zweite Arbeitsstunde sollst du weggeben. Die zweite Arbeitsstunde ist ja die Quelle des Eigentums. Und wenn einmal die Güter, wie die Sonne und auch die Erde der Allgemeinheit gehören, nämlich Gott und seiner Herrschaft, so soll auch deine zweite Arbeitsstunde Gott und der Allgemeinheit gehören. Sammelt euch kein Vermögen! Lasst euch befreien von allem Recht und allem Vorrecht!
Bis jetzt sprachen wir nur vom Eigentum, jetzt aber wollen wir von der Gemeinschaft sprechen.
Wir sprechen zunächst von dem Begriff „Leben“. Nietzsche selbst hat gesagt, Jesus stellt ein wirkliches Leben dem falschen gegenüber. Was ist das wahre Leben, das wir führen sollen? Was ist Leben? Lebendig ist ein Leib dann, wenn alle Organe und alle Funktionen in der Bewusstseinseinheit vereinigt füreinander und für die Aufgaben des Leibes da sind. Leben ist da, wo die geschlossene Einheit in der Bewegung da ist. Nur aus dem Lebendigen kommt das Leben. Nur wo Leben ist, kann neues Leben entstehen. Leben ist aber nur dort, wo die Einheit ist, die Einheit in der Bewegung, Einheit in der Mannigfaltigkeit, Einheit im Bewusstsein, Einheit im Willen, Einheit im Fühlen und Denken. Das Leben ist organische Einheit, Bewusstseins-Einheit, Leibeseinheit. Der Mensch ist nur dann lebendig, soweit die Menschheit einig ist. Und einig ist die Menschheit nur soweit, soweit sie von einer Kollektiv-Seele, von einem Gemeinschaftsgeist geführt und bestimmt wird, indem alle für alle eintreten, bzw. wirken.
Wenn wir Gemeinschaft haben wollen, müssen wir den Geist der Kommune wollen.
Ich lehne also die sogenannte kommunistische Gemeinschaft ab. Ich glaube nur an diejenige Gemeinschaft und Kommune, welche an den Geist glaubt. Die Kollektiv-Seele der Gemeinschaft ist der HEILIGE GEIST. In ihm ist die Gemeinde einstimmig und einheitlich, in ihm ist die Gemeinde reich, sehr reich an Gaben und Kräften und verschiedenen Auswirkungen. Aber ebenso, wie im Leib die Einheit nur durch Opfer aufrecht erhalten werden kann, so kann auch in dieser Welt, in dieser Gemeinschaft die Einheit nur durch Opfer aufrecht erhalten werden. Auch das ergibt sich klar, denn wenn diese Einheit ohne Opfer da wäre, wäre sie doch eine Befriedigung des Eigentums. Es muss in der Gemeinde der Einzelne zu jedem Opfer aller seiner Kräfte, zur Hingabe seines Lebens bereit sein. Nur der hat die rechte Liebe, der sein Leben lässt für seine Brüder. Losgelöste, offene, freie Hände müssen wir haben, wenn wir in der Gemeinde zupacken wollen. Nur dann können wir in die Gemeinschaft kommen und nur dann können wir dem Geist der Gemeinde angehören.
Wenn wir dieses Geheimnis erfassen, dann werden wir begreifen, dass diese
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Botschaft lebensbejahend ist. Es ist kein Absterben um des Absterbens willen, sondern es ist ein Loslösen von dem alten vergifteten Leben um der neuen Geburt willen. Eine Abwendung von der Illusion um die Wirklichkeit zu gewinnen, die Herausholung (Umkehr) vom dem Unwesentlichen zu dem Wesentlichen.
Was nun über diese Welt kommen muss, das ist das Feuer, ein Netz von heiligen Fackeln, ein Netz von heiligen Bergfeuern, ein Netz organisch-lebendiger Zellen.
Das Urchristentum war gewohnt, unphilosophisch und schlicht zu reden. Davon einen Beweis, wie die Zukunft der Menschheit aussehen sollte: Das Bild der Tischgemeinschaft und Hochzeit.
An einer Tischgesellschaft sollen alle vereinigt sein. In einer Hochzeitsgesellschaft sollen alle vereinigt sein. Und die Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau soll das Symbol werden für die Einheit des Volkes und Gott. (Das Geschlechtsleben ist ein Egoismus zu zweien.) So zeigt uns auch die Gemeinde Jesu Christi hier, in dem ehelichen Leben eine Geisterfüllung zu zweien. Und dieses Geheimnis, unsere Aufgabe in der Gemeinschaft, besteht darin, dass unser gesamtes Leben symbolisch wird für die Zukunft der Menschheit in dem kommenden Reich Gottes, und dass so die Vereinigung zwischen Mann und Frau symbolisch wird, zwischen der Einheit Christi und seiner Gemeinde. Mann und Frau, lebt nicht füreinander. sondern miteinander!
Vom Eigentum zur Gemeinschaft!