Notes

Untergegangen

EA 12/06

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date May 13, 1912
Document Id 20126059_01_S
Available Transcriptions German

Untergegangen

[Arnold, Eberhard and Emmy papers – A.D.]

EA 12/6

Vortrag

Untergegangen

(von Dr. Eberhard Arnold)

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zu den

Christlichen Vorträgen in Dölau

Grosser Saal im Gasthaus "Dölauer Heide".

Redner:

Dr. Eberhard Arnold.

Montag, den 13. Mai: Untergegangen.

Mittwoch, den 15. Mai: Aus Todesfluten gerettet.

Freitag, den 17. Mai: Das geraubte Kind.

Sonntag, den 19. Mai: Verstossen und geadelt.

Gesang-Darbieten verschiedener Art.

Eintritt frei! Beginn 8 1/4 Uhr. Eintritt frei!>

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Dölau. 13. Mai 1912

I. Vortrag

Untergegangen!

Wir alle stehen noch heute unter dem Eindruck eines schwer erschütternden Ereignisses:

In der Nacht vom Sonntag, den 15. zum Montag, den 16. April, 2 Uhr 20 Minuten ist das größte Schiff der Welt untergegangen.

Der größte aller Menschen, der Menschensohn Jesus, der der Sohn Gottes war, hat uns gezeigt, wie wir alle Ereignisse ansehen unter dem Gesichtswinkel der Ewigkeit, wie wir aus allem zu lernen haben, was der Wert unserer Seele ist, und was Gott uns zu sagen hat.

Stellen wir uns so diesem furchtbaren Unglück gegenüber:

Was zeigt uns der Untergang des Titan?

Ist er ein Warnruf Gottes, gewaltiger als alle Stimmen aller Prediger und Zeugen des Herrn?!

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Diese technische Entwicklung hat ihre großen Vorzüge. Aber sie weist auch Nachteile auf . Und das begreift auch, wer einmal in den Unterwasserräumen eines solchen Dampfers gestanden und gesehen hat, wie sich dort über Wandflächen von vielen Quadratmetern über die mächtigen Eisenrippen nur die verhältnismäßig dünne Blechwand, vielleicht nur daumenstark, da hinzieht. Diese Wand ist stark genug, jeden Wasserdruck auszuhalten. Aber der Vordersteven eines rammenden Schiffes schneidet natürlich hindurch wie durch Butter. Und eine Kollision mit einem Eisberg führt gleichfalls zu schweren Zerstörungen.

Man muß daher an besondere Sicherheitsmaßregeln denken, und man hat alle diese modernen Schiffe durch feste und dichte eiserne Wände, die sogenannten Schotten, in einzelne Abteilungen unterteilt. Diese Vorrichtung hat den Zweck, bei Beschädigungen der Außenhaut die betreffenden Räume hinter dem Leck gegen den übrigen Schiffsraum abzuschließen.>

>Die "Titanic" gehört mit ihrem Schwesterschiff "0lympic" zu den größten Schiffen, die je den Ozean gekreuzt haben. Sie übertrifft mit ihren 45,00 Tons Deplacement die größten und schnellsten Dampfer der Cunard Line, "Mauretania" und "Lusitania", noch um 15,000 Tons. Der Dampfer ist 280 Meter lang , 30 Meter breit, und das Bootsdeck liegt 20 Meter über dem Wasser. Er hat neun Decks über einander und kann neben seiner Besatzung von 800 Mann noch 5000 Passagiere fassen. Wie die "Olympic " ist auch die "Titanic " ein mit dem größten Komfort eingerichtetes schwimmendes Hotel.>

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<gewiß,></gewiß,>

2. Petri 3, 9-15

<(Von Hans Dominik)

Auf hoher See, auf dem Atlantischen Ozean, an einer Stelle, wo die Seekarten 3500 Meter Tiefe verzeichnen, ist eines der modernen eisernen Riesenschiffe gegen eine der treibenden Eismassen gerannt. Die riesige Wucht des Anpralls hat die stählerne Schiffshaut zerrissen wie ein mürbes Taschentuch, und in gewaltigem Strom ergießen sich die Wasser des Ozeans in das Schiffsinnere. Theoretisch sollten die Schotten, die eisernen Zwischenwände, den Andrang des Wassers irgendwo abfangen und die eiserne Konstruktion schwimmfähig erhalten. Praktisch haben sie es bei der "Titanic" nicht getan. Und so dringt das Wasser immer weiter in das Schiff ein. In dem Maße aber, in dem Wasser an Stelle der Luft in das Schiffsinnere tritt, nimmt der archimedische Auftrieb, nimmt die Schwimmkraft der ganzen Konstruktion ab.

Schon hat sich der Schwerpunkt infolge der zunächst in das zerschmetterte Vorderteil eingedrungenen Wassermassen so sehr nach vorn verschoben, daß das lange Schiff beinahe senkrecht im Wasser steht, daß das Achterteil wie ein eiserner Turm aus den Wellen ragt. Unaufhörlich strömt das Wasser in das Schiff. Unaufhörlich nimmt die Schwimmkraft ab, bis nach qualvollen Minuten die Wellen über dem Heck zusammenschlagen. In diesem Augenblick ist das Gewicht des ganzes Schiffes einschließlich der in ihm enthaltenen Wasser- und Luftmengen ziemlich genau so groß wie das Gewicht des von ihm verdrängten Wassers.

Während auf der Meeresoberfläche nun der letzte schlimme Todeskampf der Besat zung anhebt, sinkt das verwundete Schiff unter der Oberfläche immer weiter in die Tiefe. Immer noch steigen Luftblasen an die Oberfläche, ein Zeichen, daß auch jetzt noch Wasser in das Schiff eindringt und Luft durch irgend welche Öffnungen herauspreßt. Dadurch aber wird der Auftrieb immer mehr verringert, und mit steigender Geschwindigkeit gleitet die riesige Eisenmasse, die noch vor wenigen Stunden der Schauplatz fröhlichen Lebens war, in die eisige dunkle Tiefe.

Wir können mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die "Titanic" vom Momente ihres Untertauchens an mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa sieben Meter in der Sekunde nach unten gegangen ist. Dann dauerte diese letzte schaurige Fahrt etwa acht Minuten. Dann stieß die Masse noch einmal hart und schwer auf den tonigen Grund des Atlantik und legte sich dann zur ewigen Ruhe auf die Seite.>

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Bekanntlich herrscht in der Luft in der Höhe des Meeresspiegels ein Druck von einer Atmosphäre. Das heißt, die Luft drückt auf jedes Quadratzentimeter Fläche mit der Kraft von einem Kilogramm. Da ein normaler Mensch etwa dreiviertel Quadratmeter Körperoberf1äche hat, so lastet auf seinem Körper also ein Luftdruck von rund 7500 Kilogramm oder 150 Zentner. Dieser Druck müßte ihn zermalmen, wenn dem nicht von innen, dadurch daß die Luft unser Blut und Gewebe durch setzt, der gleiche Druck entgegenwirkt.

Je zehn Meter Wassertiefe geben eine weitere Atmosphäre Druck. Als das Schiff nach etwa drei Stunden zehn Meter unter der Meeresfläche war, war die Luft im Schraubentunnel bereits auf die Hälfte ihres Volumens zusammengepreßt und die meisten der im Tunnel Befindlichen dürften schon danach mit eingedrücktem Brustkasten in Bewußtlosigkeit versunken und schmerzlos hinübergeschlummert sein.

Doch weiter geht die Fahrt in die Tiefe. Nach einer Minute sind etwa 400 Meter Tiefe erreicht. Ein Druck von vierzig Atmosphären, das Doppelte des Dampfdrucks in Lokomotivkesseln, herrscht in allen Teilen des Schiffes. Und wo die Druckdifferenzen sich nicht schnell genug ausgleichen können, da brechen die schweren eisernen Wände und Träger zusammen wie Kartenpapier. Längst ist alles tot, was noch von Menschen im Schiffe war. Die Leichen aber sind bereits bis zur Unkenntlichkeit zusammengedrückt und zerquetscht.

In 350 Meter Tiefe stößt das Schiff auf den Boden. Hier herrscht ein Druck von 350 Atmosphären. Der hat sich den Ausgleich überall mit unwiderstehlicher Gewalt geschaffen. Die Schränke, die dicht verschlossenen Möbel, alles, was nicht schnell Wasser einlassen konnte, ist wie von einer Riesenpresse zusammengequetscht. Am längsten haben es die Tresors des Schiffes, die großen stählernen Kassenschränke, in denen die Passagiere ihre Kostbarkeiten aufbewahrten, ausgehalten. Aber einem Druck von 350 Atmosphären, einem Druck, der mit etwa drei Millionen Kilogramm auf einer normalen Geldschranktür lastet, haben auch sie nicht standhalten können.

Das Schiff liegt in einer Tiefe, die keinem lebendigen Menschen erreichbar ist. Ein Taucher kommt im allerbesten Falle und unter ständiger Lebensgefahr bis in 60 Meter Tiefe. Darüber hinaus wirkt der Druck unbedingt tödlich. Aber wir haben ja andere Dinge, die wir in die Tiefe senden können. Lote, deren mit klebrigem Fett gefüllter Hohlboden uns Proben des Meeresgrundes heraufbringt, registrierende Thermometer, die uns die Temperatur jener eisigen Abgründe vermelden, und endlich photographische Platten in druckfesten Kasetten, die uns berichten, wie mit zunehmender Tiefe immer weniger Sonnenlicht nach unten dringt, wie schon bei fünfhundert Meter eine ewige Finsternis an Stelle von Tag und Nacht getreten ist.

Eisig kalt, finster und totenstill ist es auf dem Boden der Tiefsee, wo jetzt die zerschmetterte und zerquetschte Eisenmasse ruht, die von der "Titanic" übrigblieb. Nur Tiefseefische kommen dort vor: groteske gespensterhafte Wesen>

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Blatt II

Untergegangen

l. Petri 3, 9-15

1. Joh. 2, 15-17

Telegr. unseres Korrespondenten.

h. London, 20.April

Nachdem die ganze Welt 24 Stunden in Heroismus geschwelgt hat, ist es an der Zeit, aus den massenhaft vorliegenden, von britischern Patriotismus und geschäftlichem Eigennutz gefärbten Berichten einige nackte Tatsachen herauszuschälen, die zwar nicht sehr tröstlich, aber vielleicht heilsam sind. Aus den Erzählungen einiger Überlebender, die nicht geneigt sind, sich als Helden aufzuspielen, geht folgendes hervor: 1. Die "Titanic" fuhr zur Zeit des Zusammenstoßes mit einer Geschwindigkeit von 23 Knoten die Stunde, wofür wir, wie gemeldet, das Zeugnis des Unteroffiziers Moody haben, der sich am Steuerruder befand. 2. Eisberge und Eisfelder im Kurse der "Titanic" waren nicht nur Tage vorher von anderen Dampfern angesagt worden, sondern wurden, wie Lady Duff Gordon, eine der Geretteten aussagt, den ganzen Nachmittag und Abend vom Schiffe aus beobachtet . Noch spät abends wurde ihr ein solcher Eisberg gezeigt, den die Schiffsmannschaft auf über 100 Fuß Höhe über Wasser schätzte. 3. Alle Berichte sind einig darüber, daß die Nacht sternenhell, die See glatt wie ein Spiegel war. 4. So hell war die Nacht, daß die Scheinwerfer als überflüssig erachtet wurden und, trotzdem man sich inmitten einer ungeheuren treibenden Eismasse wußte, nicht in Tätigkeit traten. 5. Die "Titanic" fuhr mit der vollen Wucht ihrer Höchstgeschwindigkeit von 23 Knoten pro Stunde auf einen Eisberg zu, dessen man im Auskiek und auf der Brücke angeblich erst ansichtig wurde, als er nur noch eine drittel Meile entfernt war. 6. Dieser Eisberg muß mindestens die Höhe des Schiffes gehabt haben, denn nach den Aussagen der wenigen Passagiere, die sich zurzeit in den Räumen der obersten Decks befanden, wurden diese bei dem Zusammenstoß von einem Schauer zerriebenen Eises überschüttet. 7. Ob es wahr ist oder nicht, daß dieser ungeheure Eisberg erst gesichtet wurde, als er nur noch eine drittel Meile entfernt war, bleibe dahingestellt. Jedenfalls gab der erste Offizier Mr. Wilde, der die Wacht auf der Brücke hatte, keinen Befehl an den Maschinenramm, rückwärts zu gehen oder zu stoppen, sondern er versuchte, mit einer leichten Wendung an dem Eisberge vorbeizugleiten, wofür wir wieder das Zeugnis des Quartermeisters Moody haben, der zurzeit am Steuerruder stand. Offenbar hatte der erste Offizier Mr. Wilde nicht mit dem unter Wasser viel ausgedehnteren Teile des Eisberges gerechnet. Als er sah, was geschehen war - bezeugt Quartermaster Moody - zog Wilde einen Revolver aus der Tasche und schoß sich auf der Brücke tot. Nach demselben Zeugnis glitt das Vorderteil der "Titanic" über die unter Wasser befindliche Eisfläche hinweg und brach dabei das "Rückgrat". Verschiedene Passagiere, die beim Kartenspiel im Rauchzimmer saßen, sahen den Eisberg dicht an der Schiffswand>

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<vorbeigleiten.></vorbeigleiten.>

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Das Verhalten Einzelner im Untergehen

Nachts, 20 Minuten vor 12 Uhr, erfolgte der Zusammenstoß. Fast alle Passagiere waren bereits im Bett. Sie wurden durch die Gewalt des Stoßes aus den Betten geworfen. Auch das Deck war mit Wasser und Eis bedeckt. Zuerst gelang es den Offizieren, Ordnung zu halten, dann begann ein wildes Jagen nach den Booten. Man hörte mehrere Schüsse und erfuhr, daß drei Mann erschossen worden seien, die Frauen und Kinder wegdrängen wollten.>

[inserted in margin]: Wer seinen Bruder nicht liebt, bleibt im Tode - ist ein Totschläger.

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3

Laßet euch erretten aus diesem verkehrten geschlecht! (Ap. 2,40)

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<v.></v.>

Ismay gestand ein, Kapitän Smith sei am Abend des Unglücks Gast Wideners bei einem großen Diner gewesen. Ismay weiß nicht, wie lange dieses gedauert hat. Der Offizier Boxhall sagt aus, Andrews, einer der Konstrukteure der "Titanic", habe dem Kapitän fünf Minuten nach der Kollision erklärt: die "Titanic " wird innerhalb einer Stunde sinken. Ich weiß nicht, weshalb den Passagieren nicht mitgeteilt wird, daß Gefahr besteht.">

[inserted in margin]: Friede! Friede! und ist kein Friede! (Jer. 6,14)

Laßet euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht! (Ap. 2,40)