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Für die Arbeit in der Kindergemeinde Sonnherz in Sannerz
EA 22/10
Additional Information | |
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Author | Eberhard Arnold |
Date | January 01, 1923 |
Document Id | 20126081_28_S |
Für die Arbeit in der Kindergemeinde Sonnherz in Sannerz
[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]
EA 22/10
Für die Arbeit in der Kindergemeinde Sonnherz in Sannerz
Säuglingsheime, Kindergärten, Kinderhorte, Landheime sind heute trotz aller Hingabe und allen Eifers nicht in der Lage, alle Not zu erfassen und ihr gegenüber die wirklichsten Werte gesunden Familienlebens einzusetzen. In der jetzigen Arbeitslosigkeit und Geldknappheit nimmt das Kinderelend in Deutschland so erschreckend zu, daß diese großen und kleinen Anstalten sich um so weniger halten können, je nötiger sie werden.
Die Neuwerkgemeinschaft Sonnherz in Sannerz, Reg. Bez. Cassel, fühlt sich gedrungen, von ihrem Lebenszeugnis aus, das sie durch Vortragsreisen und in Wort, Buch und Schrift ihres Verlages vertritt, ihre tägliche praktische Arbeit und Kraft vor allem anderen in den Dienst an den Kindern zu stellen. Sie will Kinder aus schwierigen Verhältnissen aufnehmen, Kinder, deren Mütter aus Mangel an Zeit, an Nahrung, an Geld oder an mütterlicher Veranlagung ihre Kinder vernachlässigen. Gesundes Leben auf dem Lande, einfache kräftige Nahrung, schlichte gute Kleidung, Heimat, Erziehung, voller Unterricht und Berufsausbildung soll den Kindern hier in der Hausgemeinschaft geschenkt werden, bis sie selbst im Leben einen eigenen Arbeitsplatz gewinnen können. Bisher finden hier, außer fünf zum Hause gehörigen Kindern, acht Großstadtkinder ihren Platz. Raum ist nur dann für zwei weitere vorhanden, wenn Betten und notwendigste Einrichtung für jedes neue Kind geschafft werden. Zwei Lehrerinnen und eine geprüfte Säuglingspflegerin stehen mit ganzer Kraft für die Arbeit zur Verfügung. Die Eltern der fünf eigenen Kinder suchen mit diesen drei verantwortlichen Kräften, den Kindern ihr Bestes zu geben. Uns liegt es am Herzen, daß dem Ganzen der Familiencharakter erhalten bleibt. Wir wollen keine neue Anstalt entstehen sehen, eine große Familie gemeinsamen Lebens soll es bleiben; die Kindergemeinde in der Gemeinde der Erwachsenen. Helft uns, daß wir den Kindern dieser Hausgemeinde das geben, was wir ersehnen.
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Die innerste Erweckung, das Wachrufen aller guten Regungen und Interessen, gute körperliche Pflege und gründlichen - der Veranlagung entsprechend, verschiedenartigen Unterricht, und nicht zuletzt die entsprechende Kleidung und Ernährung. Für die Gesundheitspflege fehlt es uns an Bettwäsche, Wolldecken und Handtüchern. Unseren Viehbestand - heute aus Ziegen, Hühnern und Schweinen bestehend - müssen wir unbedingt um zwei Kühe vermehren. Ebenso für Lehrmittel - vor allem für die notwendigen Bücher - brauchen wir Eure Mithilfe. Eltern und Behörden, die uns die Kinder übergeben, können in der jetzigen Notzeit so gut wie gar keine finanzielle Anteilnahme beweisen.
Helft uns, daß wir die uns aufgetragene Arbeit durchführen können. Man muß sich die Not in den Städten stets von neuem vergegenwärtigen und sich demgegenüber die Möglichkeiten solcher Landheime wie des unsrigen klar werden. Dr. Fritz Lade, der Stadtarzt des Magistrates unserer nächsten Großstadt, Hanau, schreibt über die jetzigen Verhältnisse in der Stadt und über unser Kinderheim Sonnherz in Sannerz: "Von hier könnte ich nur Trübes berichten. Die Menge schreit nach Brot. Tausende umstehen das Arbeitsamt. Meine Sprechstunde ist ein Bild des Klagens und letzten Kampfes ums Leben. Die Flucht in die Krankheit und somit Hoffnung aufs Krankenhaus! Massenhaftes Abladen der Kinder in die Heime! Ärztliche Begutachtung: Die im Kinderheim Sonnherz in Sannerz (Kreis Schlüchtern) untergebrachten Kinder habe ich wiederholt gesehen und untersucht; sie befinden sich in sehr gutem Pflege- und Ernährungszustand. Die Unterbringung der Kinder in dem von Dr. Eberhard Arnold geleiteten Haus entspricht den hier in Betracht kommenden hygienischen Anforderungen. Unterbringen von Kindern in diesem Heim kann ärztlich nur befürwortet werden. Hanau, den 22. Oktober 1923. Dr. Fritz Lade, Stadtarzt" Es wird Euch gewiß Freude machen, Euch jedes der unserem Hause anvertrauten Kinder vorstellen zu können:
Da ist zuerst Ruth, das Kind einer Verkäuferin und eines Gastwirts, ein liebes begabtes Mädel mit zartem Gefühl und innerster
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Empfänglichkeit für das Gute und Göttliche, zehn Jahre alt.
Hansemann, elf Jahre alt, zuerst gedrückt und beinahe versteckt, hat freie, frohe Augen bekommen, lernt gut, und hat sich gut in die Kindergemeinde eingegliedert. Er macht uns immer mehr Freude. Hans hat keine Mutter mehr. Sein Vater vermag für seinen Jungen nicht zu sorgen.
Erika, ein liebevolles aufgewecktes Kind von sieben Jahren, freundlicher Willigkeit, hat eine fleißige Frau zur Mutter, die ihre zehn [am] Lebengebliebenen von zwölf, von ihr geborenen Kinder, selbst nicht alle ernähren kann, da ihr Mann, der Vater, wenig Verdienst nach Hause bringt. Pastor Paul Le Seur und seine Frau haben uns deshalb zusammen mit der Mutter gebeten, daß Erika ganz bei uns auferzogen werden möchte.
Ingelein, drei Jahre alt, ein immer froher und vertrauens- voller werdendes, sehr begabtes Kind aus der Familie des Geologie-Professors Krause, ist uns vom Berliner Mutterschutz übergeben worden, sodaß Suse Hungar, unsere älteste Lehrerin für sie die Vormundschaft übernommen hat.
Hannelore, drei Jahre alt, die Pfingsten zu uns gekommen ist, war völlig unterernährt und bedarf noch heute besonderer Pflege und Kräftigung, um lebensfähig zu werden.
Anstelle des kleinen uns sehr liebgewonnen Uwe Peters, zwei Jahre alt, der jetzt wieder bei seiner neuverheirateten Mutter ist, hat uns unsere Suse Hungar aus Frankfurt zwei Buben aus Frankfurt, Christian und Karl, beide neun Jahre alt, gebracht. Christian ist Waise und Karl hat auch kein Zuhause.
Das kleinste Kind unseres Hauses, Susi Günther - Ladewig, ist 3/4 Jahre alt, der Vormundschaft Eberhard Arnolds anvertraut. Die Mutter ist ein fleißiges Mädchen und stammt aus dem Berliner Norden. Durch unsere Vorträge in Berlin wachgerufen, sucht sie das neue Leben
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durchzuführen und mit dem Kinde bei uns zu bleiben. Schwester Monika von Hollander überwacht und leitet die Pflege und Nahrung des Kindes.
Suse Hungar, seit zwanzig Jahren bewährte Lehrerin, ein Jahrzehnt in der sozialen Heimarbeit tätig gewesen, hat die Hauptverantwortung für die kleineren Kinder. Ihre Organisations- gabe verbindet sich mit dem Talent, mit Entschiedenheit und Bestimmtheit anzuleiten, ohne daß sich die Kinder geknechtet fühlen.
Gertrud Dalgas, seit fünf Jahren Lehrerin, in der freideutschen Jugendbewegung und den Gedanken der Landerziehungs- heime und Schulreformen verankert, versteht es, in den größeren Kindern Interesse für die Zusammenhänge des Lebens zu wecken und ihnen zugleich die nötigen Einzelkenntnisse beizubringen.
Emmy, Frau Eberhard Arnold, fühlt sich mit diesen beiden Freundinnen und Mitarbeiterinnen gemeinsam und mit ihrer Schwester, Monika von Hollander, die eine ausgebildete Krankenschwester, Säuglingsschwester und Hebamme ist, und schon kleinere Krankenhäuser geleitet hat, für die Kinder und ihre Versorung verantwortlich.
Unser kleiner Pachthof mit seiner Landwirtschaft und gärtnerischen Abteilung, mit seinen ca. 18 Morgen Acker, Wiese und Obstbau, ist mit Emmy Arnols und unseres treuen Rolands Hilfe in erster Linie für die Kinder da, wie auch der Buch-Verlag des Hauses sich immer zuerst (Eberhard Arnold und Else von Hollander) für die soziale Kinderarbeit verantwortlich fühlt.
Helft uns, daß die Kräfte und Möglichkeiten unseres Hauses einer größeren Anzahl Kinder zu Nutze kommen möchten, als es bisher geschieht, indem wir für die jetzt mit uns lebenden Kinder zunächst die besten Lebensbedingungen ermöglichen.