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Das Jahrhundert nach der apostolischen Zeit

EA 26/09a

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Author Eberhard Arnold
Date January 01, 1926
Document Id 20126083_24_S
Available Transcriptions German

Das Jahrhundert nach der apostolischen Zeit

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 26/9a

Das Jahrhundert nach der apostolischen Zeit

Die große Zeitwende, in der wir stehen, hat mehr als eine tiefe Beziehung zu jener Zeitwende des ersten und zweiten Jahrhunderts, von der wir jetzt sprechen. Das Geisteszeugnis des 1. und 2. Jahrhunderts bewährt sich als ein solches durch seine doppelte Wirkung. Es handelt sich in dem Auftreten und Durchkämpfen des Christus-Zeugnisses einmal um eine Steigerung der Gegensätzlichkeit zur gegenwärtigen Weltzeit als zum unerhörten Heroismus; es handelt sich zum zweiten um eine Konzentration des Einheitswillens zur Bruderschaft der umfassenden Einheit des Menschensohnes, zur Gemeinde, im Willen zu Reich. In dieser Doppelheit besteht die Wirkung des Geistes , von Urbeginn bis ans Ende. Deshalb muss sich diese Offenbarung des Geistes in dem Sieg des Christus in diesem Sinne bewähren und beweisen. Die Steigerung der Gegensätzlichkeit findet in den ersten beiden Jahrhunderten ihren Ausdruck in der eschatologischen Spannung der Zukunfts-Erwartung. Gott und Dämonie, begehrlicher Ich-Wille und schöpferisch-schenkender Liebeswille sind die beiden Pole dieser Spannung. Das Reich Gottes als die Einheit der Zukunft, im Gegensatz zu der jetzigen Ordnung des Kosmos, der Dämonie der autonomen Gewalten des Staates und der Wirtschaft. Auf der einen Seite steht der begehrliche Ich-Wille, der Gewalt-Wille des vereinzelten Wesens, das irgendwie losgelöst ist, dem Urkeim der lebenden Einheit gegenüber, auf der anderes Seite steht der schöpferische Wille, der sich von neuem offenbart als Erlösung und Zusammenfassung in einer neuen Einheit.

Von Jesus geht historisch diese letzte Offenbarung des Urgeistes aus. In seinem Gebet, das er uns ans Herz gelegt hat, in seinem Anrufen des Vaters als Unser Vater ist sowohl die Spannung als auch die Einheit zum Ausdruck gebracht: dass der Urwille Gottes geschehe auf dieser zerrissenen Erde, dass das Reich Gottes komme in diese un-einheitliche

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Menschheit, dass er eine Name, der nicht genannt werden kann, geweiht werde, dass wir hier von dem Übel des Schlechten erlöst werden, dass wir die Vergebung unserer Schuld und ihrer Zusammenhänge erfahren und dass wir das erfahren in dem natürlich-wirklichen Zusammenhang, der Notwendigkeit des täglichen Brotes, in der Kraft der Vergebung gegen unsere Mitmenschen und im Glauben an Gottes Zukunft. Sein Ruf geht an die Menschen, seinen Weg mit ihm zu gehen, der ein Weg der unerhörten Spannung, der Weg des Todes, des schimpflichsten Todes, den es geben kann, war. Sein Ruf an die Menschen ist der, auf diesen Weg zu treten und diese Katastrophe als Schicksal freiwillig auf sich zu nehmen. Den Sinn erhält dieses Ärgernis durch den Glauben, dass hinter dieser Katastrophen-Politik sich eine letzte Einheit offenbart, die Gemeinde einer einheitlichen Form-Kraft, das Reich eines einheitlichen Herrschafts-Willens, eine Bruderschaft eines Nachkommen des Menschen, der anders ist als die Menschen, von einer menschlichen Jungfrau geboren, ein Menschensohn als Hinweis auf eine Zukunft, die anders ist, weil sie ganz von Gott ist. Der Charakter dieser Zukunfts-Einheit ist in der Bergpredigt ausgedrückt. In diesem Willen der Liebe und der Bruderschaft, in dieser Kraft, den Nächsten zu lieben wie sich selbst: dasselbe, was ich für mich will, für alle ebenso zu wollen. Hierin ist das umfasst, was der allgewaltige Gotteswille umfasst: es gibt keine andere Einheit als die Einheit des Alls; es gibt keine Einheit im Versacken der Einzelnen und Versekten der kleinen Gruppen; es gibt nur die Einheit im Ganzen: deshalb hat Jesus weder eine Kirche noch eine Sekte gegründet. Es gibt nur die eine einzige Lebensmöglichkeit, nämlich, die die Einheit des Ganzen ist: Jesus, der diese Einheit offenbart und gelebt hat, hat uns gezeigt, wie das Licht die Finsternis überwindet.

Indem wir nun in die Niederungen der Geschichte hineinsteigen, wollen wir den eigentlichen Ernst und die eigentliche Entscheidungskraft auf uns wirken lassen: wir wollen aus den „Versprengten

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Herrenworten“ einiges vorlesen: „Es wird Spaltungen und Irrlehren geben.“ „Siehe, viele deiner Brüder sind in Schmutz gehüllt und sterben vor Hunger, und dein Haus ist voll von Gütern und – es kommt nichts an sie heran“ (zum reichen Jungen). „Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe, wer ferne von mir ist, ist dem Reich fern.“ Die Jünger baten ihn. „ Dieses Zeitalter der Gesetzlosigkeit und des Unglaubens steht unter dem Satan, der die Menschen durch den Einfluss der unreinen Geister die echte Kraft Gottes nicht erfassen lässt. Deshalb offenbare deine Gerechtigkeit jetzt sogleich!“ Christus antwortete ihnen: „ Das Maß der Jahre Satans ist erfüllt, aber neue schreckliche Dinge nahen: So gehet hinaus in alle Welt!“ „Auch nicht mit dem Blick darfst du der Begierde Knecht sein.“ „Unter Schrecken und Ehrfurcht wichen ihm die Dämonen.“ „Mein Geheimnis mir und den Söhnen meines Hauses!“ „Wenn ihr nicht das Rechte zum Linken und das Linke zum Rechten macht, das Obere zum Unteren, das von vorn nach hinten kehrt, werdet ihr das Reich nicht kennenlernen.“ Nach den Propheten gefragt, antwortet er: „Den Lebendigen, der vor euch ist, könnt ihr lassen, und ihr fabelt von Toten.“ „Der letzte Feind wird vernichtet durch Christus. Der Tod wird aufgehoben durch den Eingeborenen. Die Herrschaft gehört dem Sohne. Alles ist geworden durch den Eingeborenen.“ „Ich erschließe euch meine ganze Herrlichkeit und zeige euch die ganze Kraft und das Geheimnis eurer Sendung, des Apostolats.“ „Niemals sollt ihr euch freuen können, wenn ihr nicht Liebe fühlt, wenn ihr euern Bruder seht.“ „ Zu dem Schwersten gehört es, den Geist des Bruders zu betrüben.“ „Gib und fordere nichts wider(?)!“ „Allen gib. Gott will, dass Allen Alles gegeben werde, was man hat.“ „Erbittet euch das Große, so wird das Kleine dazukommen.“ „Dein heiliger Geist komme auf uns und reinige uns!“ „Hebe den Stein auf. Du findest mich dort. Spalte das Holz. Ich bin dort.“ „Wer erkennt, dass das Alte neu und das Neue alt ist, ist reich in Gott.“ „Wer sucht, wird

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nicht ruhen, bis er findet. Wer gefunden hat, wird staunen. Wer staunt, wird herrschen und Ruhe finden.“

In dieser Zeit, wo die Urgemeinde nicht mehr war, ist eine Wende gegeben. Es kommt mir darauf an zu zeigen, wie Jesus in diesen Jahren gesehen wurde und wie man glaubte, dass er gesprochen habe. Von Jesus geht die Sendung aus, die Sendung der Apostel und Propheten, die Sendung, die in die Welt hineingeht, die die ganze Welt umfasst. Um Gott handelt es sich; deshalb ist die regula fidei das Symbol der Taufe, das Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer aller Dinge und aller Welten, das Bekenntnis zu dem Logos, der in Jesus Mensch geworden ist, das Bekenntnis zu der Gemeinde als der vorhandenen jetzt wirklichen Realität des Geistes und des kommenden Reiches; wenn Gott kommt, wenn Christus da sein wird. Die Aufgabe der Apostel und Propheten war immer die eine einzige, alle Völker, alle Menschen zu erreichen und alle Völker und alle Menschen aufzurufen zum Schülertum und Jüngertum Jesu, des Kommenden. Das Schülertum bedeutete, dass alle seine Worte, alles, was er gesagt und gelebt hatte, unter allen Menschen lebendig bleiben sollte. Das Jüngertum bedeutete, dass die Wirklichkeit seines Lebens, das er allein hat, Wirklichkeit werden lassen, unter den Menschen von den Menschen gelebt werde. Die ersten Christen waren pneumatische Menschen, geist-begabte, geist-erfüllte, zum äußersten entschlossene Blutzeugen, Menschen, die noch nicht von einer Tradition bestimmt waren, Menschen, die durch die Unmittelbarkeit des urchristlichen Geistes geführt waren. Nicht Bischöfe und Diakone als Träger der Ordnung und der Überlieferung waren damals die bestimmenden Männer der Gemeinde sondern die Apostel, Propheten und Lehrer als Träger des freiwirkenden Geistes, der von Jesus, dem Christus, war.

Bald trennte sich das Juden-Apostolat von dem Heiden-Apostolat. Es kam bald das Schlagwort auf, die Christen seien das dritte Ge-

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schlecht. Das erste Geschlecht seien die Völker, die Heiden, mit ihrer Vielheit der göttlichen Darstellungen, mit ihrer Vermischung des Guten und Bösen in der Gottheit, das zweite Geschlecht seien die Juden mit ihrem national abgegrenzten Gott, mit ihrem Monotheismus, der für die Heiden nicht Gott war, weil er nicht dargestellt werden kann und so den Heiden das Judentum als eine Art Atheismus erschien; das dritte Geschlecht waren für sie die Christen mit einem Gott, der überhaupt nicht mehr mit heidnischen Begriffen vorstellbar war, losgelöst von dem Naturboden der Nation und dem Bereich ihrer Frömmigkeit. Sie waren des Menschenhasses und des Atheismus, der Staats-Zerstörung und der Zerreißung der menschlichen Gesellschaft überführt. Von Anfang an war das Geheimnis der werdenden Gemeinde eine wunderbare Einheit des Konservativen und des Revolutionären ….. Nur wenn wir uns wahrhaftig bekennen zu dem Schöpfer und uns zugleich bekennen zu dieser kommenden Herrlichkeit am Ende der Dinge, nur dann werden wir uns zu Jesus bekennen können als den kommenden Christus. Die Spannung des Christentums liegt darin, dass es im Innersten konservativ ist, andererseits durchschaut es in den Staatsgewalten die Lüge und Unwahrhaftigkeit. Die Lüge wird enthüllt bis zum Äußersten, die Haltung der römischen Behörden den Christen gegenüber war durchaus berechtigt und wohlbegründet, denn in der Tat hat das Christentum den Römerstaat unterwühlt und aufgehoben, es hat zwei Jahrhunderte gedauert, bis das Sklaventum überwunden war. Das Christentum verzichtet auf Revolution des Straßenlärms; Licht wirkt stärker als Dynamit. Das Christentum hat den Gewaltstaat der Römer überwunden. Der Retter aus dem Chaos dieser Welt war da; das kommende Reich, das aus dem Chaos den Kosmos der Zukunft gestaltet, war in ihm erschienen und war in der Gemeinde die Gewissheit für diese Einheit und für alle Welt. Der Herr ist der Geist; wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, die Freiheit von der Übergewalt der Verhältnisse, von der Autonomie der Gegebenheiten, von der staatlichen

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Gewalt und dem wirtschaftlichen Zwang wurde in der Urgemeinde geglaubt im Vertrauen auf den Geist. Der Enthusiasmus war kein Blutrausch, war keine Ektase der Übersteigerung natürlicher Gefühle: er war ein überwältigt Sein aus der anderen Welt; (er ist) entstanden durch das Einschlagen des senkrechten Blitzes aus einer anderen Welt in diese unsere Ebene. Dieser lebendig machende Geist ist identisch mit dem Ursinn, mit dem Urwort, mit dem Logos, mit dem Ende aller Dinge, wenn alle Gegensätze vereint offenbar werden sollen.

Aus diesem Glauben heraus ergibt sich die Stellung der Urchristen, ergibt sich ihre Stellung zu allen Verhältnissen. Auf dies Eine muss hingedeutet werden, dass die Besitzfrage, die Familienfrage, die Frage der Bruderschaft und die proletarische Frage ein Gebiet besonderer Kraft der ersten Christen gewesen ist. Es wurde nicht das geringste von irgendwelchen äußeren Maßnahmen unternommen, um dieses Grundproblem zu lösen, aber etwas viel stärkeres war da: die Macht des Geistes, die in der Liebe und Achtung vor der Berufung des anderen Menschen wirkliche Gemeinschaft aufkommen lässt; Gastfreundschaft und Bruderkuss sind Kennzeichen dieser Gemeinde. Diese Kennzeichen (sowie das Symbol des Bluttrinkens) waren der Anlass zu Verleumdungen der Heidenwelt; indem sie die Christen gemeinster Schmutzerei geschlechtlicher Vermischung beschuldigten und ihnen nachsagten, dass sie das Blut und Fleisch der entstandenen Kinder schlachteten und für ihre Mahlzeiten verwendeten. Dasselbe Furchtbare der Verdächtigung taucht der Besitzfrage und der Gastfreundschaft gegenüber auf. Die Tatsache, dass die Christen unter Brüdern kein Eigentum kannten, dass sie den Rechts-Standpunkt aufhoben durch die Liebeskraft des schenkenden Willens – das konnte von den Heiden nicht begriffen werden. Deshalb haben auch die damaligen Heiden das Familienleben der ersten Christen nicht verstehen können. Wenn sie gegen Wirtschaft und Staat und Rechtsordnung Bedenken trugen, so hatten sie auf der anderen Seite in der Neugründung der Familie, in

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der Aufrichtung der Einehe, in der Überwindung des Geschlechtslebens eine Kraft einer neuen Gesellschaftsordnung.

In den ersten Zeiten des werdenden Christentums konnte man versucht sein zu glauben, dass nur von den verantwortlich dienenden Brüdern die Durchführung der Einehe gefordert wurde, bald setzte sich jedoch die Klarheit der Einehe, die nicht durch ein natürliches Recht begründet war(en), durch. Sie war rein religiös begründet in dem Verhältnis Gottes zu seinem Volk, in dem Verhältnis Christi zu seiner Gemeinde. Dieses Verhältnis ist das Geheimnis der Zeitwende, auf die wir unser Auge lenken. Von der damaligen Welt verfolgt, der Laster und des Menschenhasses und der Staats-Zerstörung beschuldigt, gingen die damaligen Christen mit Freuden in den Tod. Diese Freude kann nur durch eine Gewissheit erklärt werden, die der jetzigen weit überlegen ist.

Die Auffassung der Gemeinde ist heute sehr selten geworden. Wir sind bei den Ausdruck ‚Gemeinde‘ gewohnt, an die Formung des Gemeinschaftslebens zu denken. Das Wesen der Gemeinde ist durch diese Dinge angedeutet, nicht gegeben. Die Gemeinde ist etwas durchaus Überweltliches, das in diese innerweltlichen Verhältnissen hineinbricht, das sich immer wieder als die letzte Wirklichkeit, als die einzige Tatsächlichkeit der letzten Zukunft erweist. Sie ist da, wo der Einzelne den Stein aufhebt; sie ist da, wo zwei oder drei wirklich vereinigt sind; sie ist frei von äußeren Formen und äußeren Gebäuden und doch kann sie darin gegenwärtig sein; sie ist im Wasser und im Sturm, wie Johannes gesagt hatte: „Ich tauche euch in Wasser hinein, aber ein anderer kommt nach mir; er wir euch in ein anderes Element hineintauchen, in das Pneuma, in den Geist Gottes hinein, denn er wird euch in das Feuer hineintaufen.“ In das Feuer, das nur in der Luft brennen kann, eben durch das Feuer dieses Gerichtes hindurch, werdet ihr gerettet werden in die Luft dieses heiligen Geistes. Gemeinde ist da, wo das geschieht. Die Tatsache der Gemeinde kann nicht ohne das radikalste Ernst-Nehmen

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des Einzelnen, das Ernst-Nehmen des Willens Gottes für den Einzelnen geschehen. „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, sonst kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Nicht um die Seligkeit des Einzelnen geht es, es geht um das Reich Gottes. Wenn es aber um das Reich Gottes geht, dann geht es um den Einzelnen. Das Reich Gottes kann nur so gewonnen werden, wenn die Einzelnen ganz anders werden. „Darum könnt ihr auch euch nicht wundern, dass ich euch sagte, ihr müsst von neuem geboren werden, entzündet werden zu dem neuen Gerichtsfeuer; ihr müsst geboren werden aus Feuer und Wasser und Geist“, so wird Gemeinde.

Das Geheimnis der Gemeinde wurde in der urchristlichen Gemeinde, in der Gegenwart des Christus und seines Geistes, in dem Erlebnis seines Feuer-Gerichtes und seiner Geistes-Bezeugung bezeugt. Es ist die Gemeinde, die dasselbe ist wie die Kirche, vor der wir Ehrfurcht haben. Das Wesen der Kirche geht auf das Geheimnis der Gemeinde zurück, was in ihr wirksam ist. Dieses Geheimnis der Gemeinde ist das einzig Wirkliche, es ist nicht von irgendeiner Kirche abhängig. Diese radikale Unabhängigkeit zu erfassen fällt uns europäischen Menschen heute schwer.

Die Krisis, in der sich das zweite Jahrhundert befand, äußerte sich darin, dass dieses Geheimnis der Gemeinde sich mit der Erdschwere auseinanderzusetzen hatte, ein Schicksal unausweichlicher Bestimmung von Gott. Wie diese Krisis vor sich ging, das ist das Merkwürdige des Vorgangs: Gnosis und Synkretismus war die Urgefahr des Auseinanderbrechens in Kirche und Sekte. Das Durchalten in diesem Kampf war der Sieg der Wahrheit, der sich aus (an) dieser Krisis bewähren musste. (Marcion und Montanus) Beide legen sich einen Fluch auf, der die Einheitlichkeit der Gemeinden gestört hat. Das Kirchentum nimmt die Spannung zwischen der Gegensätzlichkeit des heroistischen Kampfes in dem Sinne ernst, dass sie sich verpflichtet fühlt, auch auf die Gefahr hin, das Licht zu verdunkeln, in alle Menschen irgendetwas von Licht hineinzutragen. Die Sekte nimmt die Spannung zwischen der Gegensätzlichkeit Kirche und Sekte, zwischen dem Kampf Gott und

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Mammon, Welt und Einheit der Bruderschaft in dem Sinne ernst, dass sie das reine Licht bezeugen und leben will, ohne wieder und wieder durch die Finsternis dieses Licht in Dämmerung verwandeln zu lassen. Ähnlich war es auch bei den Gründern des Sektentums innerhalb der katholischen Kirche, die das Licht ungebrochen vertreten, um doch mitten in die Menschheit hineinzugehen. Praktisch ist diese Ausführung durchaus unmöglich; darin liegt der Charakter des Glaubens, dass sie etwas durchaus Unmögliches unternimmt, denn weder in Kirche noch Sekte ist das Licht allein zu sehen; es ist die Frage der Berufung, wohin der Weg der Menschen führt. In der Urgemeinde wirkten die Gaben so ineinander. Wir brauchen eine Überwindung des Kirchentums und des Sektentums, ein ökumenisches Zeugnis. Dieses ist nur möglich, wenn wir in Jesu die Nachricht, die weder Kirchengründung noch Sektengründung ist, ernst nehmen.