Eberhard Arnold

Versammlungsprotokoll, 13. Juni 1931

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 31/4b

Wie stehen Jugendbewegung, Revolution und Natursehnsucht und Friedenswille zu unserer Gemeinde-Einheit?

13. Juni, 1931

Ich glaube, daß ihr alle tiefere Aufklärung von dem Geist Gottes, dem Geist der Gemeinde erwartet, in welchem Verhältnis unser Ursprung der Jugendbewegung und Revolution und Natursehnsucht und des Friedenswillens zu unserem Reich-Gottes-Glauben, zu unserer Gemeinde Einheit, zu unserer Vereinigung mit den Brüdern steht, die man die Hutterischen nennt. Ich glaube, daß in manchen von euch innere Nöte und Kämpfe hier und da aufgebrochen sind, wenn sie an die Anfänge dieses Verhältnisses, dieser Beziehung gedacht haben. Und ich sehe ja einen mich sehr schmerzenden Verlust in unserem Bruderschaftskreis, bei dem ich freilich nicht meine, daß diese gegenseitige Beziehung der Quellkräfte die Ursache zum Abfall war. Aber ich fühle doch, daß die Frage nach dieser innersten Quellenbeziehung zum Anlaß gemacht und zum Vorwand genommen wurde, dem beharrlichen Willen, - "bar jeder Erhabenheit", zu folgen. Und weil das so ist, sind wir doch dadurch gemahnt, auch uns Rechenschaft zu geben; denn wir meinen, wenn jemand stürzt, den wir heute so lieben wie immer und für den wir heute so glauben haben wir immer, -- wenn jemand stürzt, dann haben wir alle Veranlassung, das nachzuprüfen, worauf er sich zur Entschuldigung dieses Sturzes beruft.

Was war denn eigentlich der Ursprung der Jugendbewegung, Revolution, Natursehnsucht und Friedenswille? Wir sehen darin eine Erschütterung der Herzen durch die Sprache Gottes in der Geschichte. Das sehen wir darin. Vor dem Kriege war es so, daß das veraltete, verkalkte Standesbewußtsein des Kastengeistes und die verwelkenden Stilarten der damaligen Geschmacklosigkeiten und die ganze Unwahrhaftigkeit der gegenseitigen gesellschaftlichen Beziehungen und die ganze Hohlheit der

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Großstadtkultur, und auch der Schule in immer größer werdenden Kreisen der Jugend ein tiefes Verlangen erweckte nach etwas durchaus anderem. Man wußte natürlich nicht, was das durchaus andere sein würde. Und das wollen wir uns immer klar vor Augen halten, daß die damals aufwachenden Menschen nicht in ein Schema eingespannt waren, sondern sie waren wahrhaftig aufwachende Menschen, die noch nicht wußten, wohin sie gingen, die aber durchaus aufbrechen mußten.

Es war ein inneres Müssen, was sie drängte. Wohl war dieses innere Müssen wie aller Drang der Sinne ohne die vollbewußt gewordene Erlösung. Wohl war dieses innere Müssen dunkel und unstet. Aber dennoch war es wirklich ein inneres Müssen. Es wäre diesen jugendlichen Menschen gar nicht möglich gewesen, so in den Großstädten zu bleiben, wie sie es vorher waren. Dann hätten sie sich versündigen müssen an dem Drang ihres Inneren. Es handelt sich hier nicht einfach um ein Gewissen gegen die Gesetze des Guten, gegen die Überlieferungen des Wahren und Schönen. Es war ein anderes inneres Müssen. Es war nicht dasselbe, wie ein geschärftes Gewissen deutlich zu unterscheiden zwischen Gut und Böse. Wäre es das gewesen, dann hätte man gewußt, wohin man ging. Man wußte es aber nicht. Und dennoch war es ein inneres Müssen, ein heiliger Drang. Wie ist das zu erklären?

Es ist das so zu erklären, daß eine Umwertung aller Werte eintrat. Es ist das so zu erklären, daß die bisherigen Unterscheidungen unter dem Gericht Gottes standen und das nun endlich offenbar werden sollte, daß sehr viele Dinge radikal böse sind, die auch die besten Menschen jeden Tag taten mit einer Selbstverständlichkeit, wie man jeden Tag Wasser trinkt. Eine Ahnung davon, daß eine solche zusammenbrechende Welt in ihrer Wurzel böse war, hatte diese Jugend erfaßt. Und doch wußte diese Jugend nicht: Was ist gut und was ist böse? Sie wußte nur eins: Sie muß hinaus aus diesem zusammenbrechenden,

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nichtswürdigen Dasein. Sie kann es nicht mehr mitmachen, was in dieser Großstadt, in diesem Staat, in dieser Kirche, in dieser Schule der steifen Magister und der gemeinschaftslosen Disziplin Mode war. Man mußte heraus aus diesen Großstädten, die Trümmerhaufen von Felsenschluchten waren und sich darauf noch was einbildeten. Man mußte heraus aus dieser Kunst, der gegenüber man nur Scham und Ekel empfinden konnte. Das, was man suchte, war das Wesentliche; das, wovon man sich abwandte, war das Unwesentliche. Noch aber wußte man nicht, was das Wesen aller Dinge, das Wesen des Menschen und das Wesen der Schöpfung und das Wesen der Neuschöpfung sei. Man wußte es nicht. So brach die Jugend auf.

Nun geschah etwas Erschütterndes und aufs tiefste Erschreckendes mit dieser Jugend. Sie hatte ja nicht den Halt eines wirklichen Glaubens. Nur Sehnsucht war ihr Glaube. Sie hatte ja nicht den Halt einer wirklichen Sinnesänderung, nur Ekel war ihre Buße. Diese Kraft konnte nicht ausreichen. Im Gegenteil mußte aus dieser gefährlichen Lage eine doppelte Not entstehen, die man zusammenfassen kann in einem einzigen Wort: Ehrfurchtslosigkeit.

Und diese Ehrfurchtslosigkeit mußte sich zum ersten der Erotik gegenüber zeigen, und diese Ehrfurchtslosigkeit mußte sich zum zweiten der Geschichte gegenüber zeigen. Der erotischen Frage gegenüber war diese Jugend, als sie aufbrach, außerordentlich fein und rein; denn man wollte keineswegs die freie Liebe, wie sie in den Großstädten proklamiert wurde, sondern man wollte frei sein von allen diesen Bindungen der Körper und der Körperlichkeit und man wollte frei sein von diesem Augenblicksrausch, in dem die Menschen sich gegenseitig besitzen, ohne Geistesgemeinschaft miteinander zu haben. Man wollte frei sein von dem Gedanken, daß in dem gegenseitigen Verhältnis von Junge und Mädel man nur dann seine Befriedigung gefunden hat, wenn es möglichst schnell

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zu dem naturgemäßen Abschluß der körperlichen Vereinigung kommt. Das gerade nannte man den Schmutz der Großstadt. Man wollte aber auch nicht das übliche gesellschaftliche Gebaren mitmachen, in dem die jungen Menschen streng von einander getrennt wurden und sich dann doch heimlich zu treffen wußten. Gerade darin sah man die Wurzel der Unwahrhaftigkeit.

Wieder sehen wir den Aufbruch verbunden mit dem Abbruch mit einer verkalkten Ordnung und einer Unterscheidung von Gut und Böse und dem Aufsuchen neuer Werte. Aber leider muß man feststellen, daß die Jugend nicht im stande war, diese Versprechungen zu halten, die sie sich gegeben hatte. Und sie konnte sie auch nicht halten. Solange sie Jesus Christus nicht erlebte, solange konnte sie auch nicht gewiß sein, den erotischen Mächten Widerstand zu leisten. So ist es denn dahin gekommen, daß in dieser Jugend die erschreckendsten Kathastrophen der Untreue sich ereigneten und ereignen mußten, und hier hört unsere Gemeinschaft, die Gemeinschaft der Gemeinde Gottes mit der Jugendbewegung durchaus auf. Hier tut sich eine Kluft auf, wo es kein Hinüber und Herüber gibt.

Ebendasselbe zeigt sich in der Ehrfurchtslosigkeit der Geschichte gegenüber. Was ist denn die Geschichte? Die Geschichte ist das Geschehen, welches im Laufe der Zeiten innerhalb der Menschheit vor sich geht. Das nennen wir Geschichte. Und wer die Ehrfurcht diesen sich durch die Jahrtausende hinziehenden Geschehen gegenüber verliert, der verliert jede Möglichkeit der Religion.

Wenn also nun ein Teil dieser Jugend sich rühmte, absolut geschichtslos zu sein, sich einbildete, etwas Neues anzufangen, ohne die geringste Ehrfurcht vor früheren Geschehnissen und Ereignissen zu haben, so war diese Jugend verloren, verloren für Gott und sein Reich. Wieder tut sich hier eine Kluft auf, über die es kein Hinüber und

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Herüber gibt. Wer die Geschichte verachtet, verachtet Gott. Wer nicht erkennt, daß in dem Geschehen vergangener Jahrtausende die Hand Gottes eingegriffen hat, der hat keinen Glauben. Freilich müssen wir tief blicken lernen. Wir müssen frei werden von der üblichen Geschichtsbetrachtung, die sich an einzelne Stücke hält, die versucht, aus einzelnen kleinen Mosaiksteinchen einen großen Bau zusammenzusetzen. Es zerfällt alles in einzelne kleine Stücke, die man sich vergebens gemüht [?bemüht?] wieder zusammenzusetzen. Von dieser lächerlichen Torheit des Geschichtsforschers oder des Geschichtsstudenten müssen wir frei werden, von dieser Betrachtung, als könnten wir nachträglich Geschichte machen, kleben oder kitten. Wir müssen frei werden von jener üblichen Betrachtung der Geschichte der großen Kirchen und der großen Gewalten, der großen Kaufherren, der Mammonsmächte und der Teufelsknechte, der Schwert= und der Haß= und Gewaltmächte. Und wir müssen demgegenüber eine Geschichte der Liebe finden in der Jahrtausende alten Menschheit.

Wo sind aber die Menschen, die Geschichte der Liebe lesen könnten? So weit kam die Jugendbewegung nicht. Und deshalb kam sie nicht zu Christus. Weil ihr die Ehrfurcht fehlte vor dem, was Gott in der Geschichte der Menschheit getan und gelehrt hatte, konnte sie auch die entscheidende Tatsache, was Gott durch Christus getan hat, nicht entdecken. Daran starb die Jugend! Und wir werden die letzten sein, die an dieser regungslosen Mumie menschliche Wiederbelebungsversuche üben wollten. Wohl aber werden wir kraft des Auferstehungsglaubens dem Tode gebieten können, -- auch den Menschen gegenüber, die damals wach= und aufgerufen von Gott waren.

Die Revolution ist eine Sache, die nicht erst mit der Jugendbewegung in die Welt eingetreten ist. Sondern die Revolution ist eine ewig neu einsetzende Kraft, an eine Zukunft zu glauben, die noch nicht

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Gegenwart geworden ist, die im stärksten Gegensatz zu der Ungerechtigkeit steht. Die Revolution ist die ewig neu einsetzende Kraft im Glauben aufzustehen gegen das System der jetzigen Weltordnung. Sie ist die Hoffnung, aus den Kräften der zukünftigen Welt die jetzige Welt umzustürzen und von Grund aus zu verändern. So weit haben wir die Revolution begrüßt als eine Sprache Gottes in der Geschichte der Menschheit. Aber wieder liegt in dem Wesen der Revolution die Ehrfurchtslosigkeit gegen die Geschichte. Denn die Revolution muß so grundsätzlich unkonservativ sein, daß sie schon jede Erinnerung als ein Konservieren ablehnen muß. Sie ist so einseitig zukunftsgeschwängert, daß sie eine ganz arme Seele hat, weil sie keine Erinnerung an die große Vergangenheit Gottes in der Geschichte duldet.

Wenn wir mit sehr wesentlichen Menschen in der Revolutionszeit zusammengewesen sind, und wir haben sie gefragt, dann haben sie gesagt: Erst muß alles niedergerissen werden, alles vernichtet werden, alle Kultur, alle Religion, alle Kunst, alles -- bis auf den Boden; erst dann kann das Neue entstehen, welches ist: Die Revolution. Ich ging mit einem jungen Menschen durch die Straßen Berlins. Plötzlich sagte er zu mir: "Siehe meine Vision! Ich sehe diese Milionenstadt unbewohnt, kein Fenster mehr ganz - hohle Räume - Hohles Holz - keine Wohnung mehr ganz - keine Menschen in den Häusern - keine Straße mehr befahren - alles unbewohnt, wie einen Totenschädel - ohne Gehirn und ohne Fleisch sehe ich diese Stadt. So wird die Revolution über uns hereinbrechen!"

Das waren gewaltige Erschütterungen. Wenn man so etwas erlebte, begriff man es kaum, daß man noch weiter in dieser Stadt leben konnte, denn man begriff Wahrheit in dieser Vision.

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Nun wollte man aber wissen: Was tritt denn an die Stelle, was kommt dann, wenn das alles weg ist, was bisher gewesen war? Das weiß der radikale Revolutionär nicht. Darum ist er zu vergleichen mit dem jugendbewegten Menschen, obgleich er durchaus nicht mit ihm identisch ist. Er kann ja nicht wissen, was werden wird, wenn die Revolution gesiegt haben wird; denn er hat ja alles vergessen, was Gott in der Geschichte getan hat -- in der Zeit größerer Umwälzungen. Er ist zu vergeßlich den großen Dingen gegenüber, als daß er für die große Sache der Zukunft etwas wissen könnte. Nur ahnen, nur kämpfen, nur umstürzen, nur niederreißen, nur brüllen kann er. Aber Klarheit geben für die Zukunft und über die Zukunft, das kann er nicht. So ist es denn auch naturgemäß gekommen, daß innerhalb der sozialistischen und kommunistischen Bewegung das Wort vom Zukunftsstaat erlöschen mußte, weil man von diesem Zukunftsstaat nichts Bestimmtes aussagen konnte. Man kann es nicht. Und man kann es noch weniger, seitdem der Gegenwartsstaat des russischen Bolschewismus vor uns steht, - trotz seiner gewaltigen Erfolge auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet. Wieder muß in Rußland die Revolution beginnen, die auch die geschichtliche Tatsache des Bolschewismus von sich wirft und auch das vergessen wird. Und wieder wird sie von Zukunftshoffnung bestimmt werden, von der sie doch nichts weiß.

Wir müssen also an der Revolution sehen: obgleich sie zukunftsgläubig oder zukunftsbestimmt ist, ist sie doch nicht lebendig. Wohl ist es notwendig, daß in den Männern und Frauen dieser revolutionären Bewegung diese Zukunftssehnsucht und dieses Zukunftsverlangen gesteigert wird, bis es ein Zukunftsglaube werden kann. Aber eine Brücke zwischen dem Revolutions= und dem Reich-Gottes-Glauben gibt es nicht, weil der Revolutionär nicht glauben kann; denn ihm fehlt der Inhalt des Glaubens, weil er die Geschichte verachtet.

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Und wer die Geschichte des vorübergegangenen Geschehens nicht achtet, der kann auch für die Zukunft keinen inhalterfüllten Glauben haben. Daß nun die Revolution allen Werten des Lebens, - wie der Treue zwischen Mann und Frau - gleichgültig gegenüberstehen muß, ergibt sich aus dem allen ganz klar. .... denn die Treue ist die Wahrhaftigkeit. Nur wer aus der Wahrheit ist, hört Seine Stimme.

Dann kann uns vielleicht die dritte Kraft jener Ursprünge doch weiterhelfen: Die Sehnsucht nach der Natur und dem Naturzusammenhang dessen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und in der Tat: Hier ist das Graben und Suchen jener Bewegungen, an die wir denken, in besonderer Weise erfreulich und beglückend gewesen; denn hier ging eine Ahnung der Gemeinschaft auf. Auch die Revolution spricht von Gemeinschaft in Form des Gerechtigkeits-Kommunismus; aber je weniger sie dem Inhalt der alten Propheten glaubt, desto weniger .....

Es war viel weniger Kommunismus als vielmehr rücksichtslose Staatsgewalt geworden.

Die Menschen nun, die unnatürliche Großstadt, das Kleiderwesen, das Essen und Trinken der Stadtmenschen verließen, suchten draußen in den Bergen und in den Wäldern den geheimnisvollen Zusammenhang der Natur, das geheimnisvolle Zusammenleben zwischen all den Insekten zu ergründen, den Zusammenhang zwischen den Sternen und den Winden. Man suchte die Reinheit, die Einheit. Man wollte nicht mehr die Klassifizierung der Pflanze .... Man suchte den strömenden Quell - lebendiges Wasser,

Was suchte man dort draußen in der Natur noch? Man ging nicht allein hinaus wie der Tourist, auch nicht zu zweien wie das Liebespärchen, sondern man wanderte in kleinen Scharen; sie wollten Wander- und Erlebnisgemeinschaften sein. Jugendherbergen gab es damals nicht, die Gasthäuser wurden gemieden. Man wollte die Natur und den Natur-

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zusammenhang so erleben, daß auch die Gemeinschaft der Wandernden als Wandergemeinschaft offenbar werden sollte. Wir suchten nicht Gott in der Natur und auch nicht Gott jenseits der Natur, sondern wir suchten und fanden Gott hinter der Einheit der Natur und in dem Erlebnis unserer Wanderschar mitten in der Natur.

Woher kam es nun, daß auch diese frohe, idealste und zarteste Bewegung nicht zum Ziel führen konnte? Sie ist nicht zu verwechseln mit der Jugendbewegung; denn diese Bewegung (der Natursehnsucht) hat ja auch zu anderen Zeiten stark eingesetzt. Warum konnte auch dieses nicht zur Entscheidung führen?

Hier begegnen wir den tiefsten und letzten Geheimnissen des Daseins und Seins. Es ist schrecklich, es aussprechen zu müssen: Auch die Natur, soweit unsere Augen und unsere Sinne reichen, soweit wir sie in Raum und Zeit wahrnehmen können, auch die romantisch empfundene Natur, ja auch die Natur ist vergiftet. Und das wußte man nicht. Wohl merkte man es hin und wieder, indem man sich von der Fleischnahrung abwandte. ....... Wohl scheint in dem Vegetarismus eine Ahnung aufzustehen, daß da doch in diesem Raubtiercharakter der Natur etwas erschreckend Giftiges liegt, der Giftzahn der alten Schlange. Aber man ist von Natur nicht wahrhaftig genug, um die Folgen, die innersten und letzten Folgen zu ziehen. Und so entsteht gerade bei dem, der in der Romantik der Natur stecken bleibt, eine immer zunehmende Unwahrhaftigkeit gegen sich selbst. Das ist typisch im Vegetarier. Auch mit dieser Unwahrhaftigkeit verbindet uns keine Brücke. Wir können uns mit ihr nicht vereinigen. Denn die Gemeinde der Wahrheit, die Gemeinde der Einheit Christi, richtet ihren Hauptkampf gegen jeden Pharisäismus, gegen jede Heimlichkeit, gegen jede Überheblichkeit, gegen jede religiöse Unwahrhaftigkeit, und die ist das Urwesen dieser Richtung. Auch hier ist eine Kluft aufgetan, über die es kein Hinüber und Herüber gibt.

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Dann ist es doch der pazifistische Wille, die Friedens-Bewegung? Hier handelt es sich um eine Grundbewegung, von der zwei Strömungen ausgehen: die menschliche und die völkische. Beide sind sehr ehrlich. Die eine sucht die Verwandtschaft der ganzen Menschheit; die andere sucht die heimatgebundene Volksgemeinschaft, gegründet auf der Annahme, daß nur auf dem Boden dieser Heimatsgemeinschaft Menschheitsgemeinschaft entstehen kann. Die Völkischen haben den allgemmein pazifistischen Friedensgedanken festgehalten, ... besonders aber die Menschheitlichen .... Man darf das nicht verwechseln. Man muß sich klar sein, daß unbestimmte religiöse Grundbewegungen zu allen Zeiten der Menschheit da waren, so auch zur Zeit des Bauernkrieges, als die "Utopia" von Thomas Moore geschrieben wurde.

Wir leben in einer Zeit, in der das Volk nach Befreiung schreit. Und immer wieder .... wir ins Elend ...... Abrüstungsbeschlüsse, Volkstagungen .... und wir erkennen, daß es alles Schande ist. Wie kommt das? Daß alle diese Sehnsucht dieser süßlichen ..... Lug und Trug ist, wie ist das zu erklären? Wie ist das zu fassen?

Ich habe eine ganze Anzahl von Vorkämpfern der sogenannten Friedensbewegung kennen gelernt oder von ihnen gehört, und bei den meisten dieser führenden Vertreter reichen die Friedenskräfte nicht aus, um mit der eigenen Frau in Frieden zu leben. Ihre Ehen sind oft zerstört oder vergiftet, geschieden oder getrennt. Warum hatten die ...... keine Kraft, die eigene Frau zu überzeugen und in Frieden und Einheit ihre Ehe zu erhalten? Was ist das mit dieser Unfähigkeit der Friedensbewegung, wirkliche Gemeinschaft und Einheit durchzuführen?

Hier muß doch innerlich eine Unwahrhaftigkeit oder zum mindesten eine Einsichtslosigkeit zugrunde liegen, die sich aufs Bitterste rächt. Wenn schon in der Natur der Raubtiercharakter neben der wunderbaren

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Einheit der hin= und herwebenden Gegenseitigkeit festgestellt werden muß, so muß auch in der Natur der Menschheit die Tatsache anerkannt werden, daß die alte Menschheit nicht friedensfertig [??] ist, nicht friedenswillig ist, nicht friedensbereit ist. Wohl hat sie Friedenssehnsucht, und diese Friedenssehnsucht ist überall, wo Menschen sind, weil ja überall auch Menschenherzen sind. Und in jedem Herzen wirkt ein letzter Strahl der ersten Schöpfung, ein letztes Echo des ersten Rufes Gottes über dem Chaos. Das webt überall; die Friedenssehnsucht ist in jedem Menschen. Aber die Fähigkeit zum Frieden ist denselben Menschen nicht gegeben. Denn ihnen ist ja die Fähigkeit zur Gemeinschaft nicht gegeben.

Und was ist der Friede? Der Friede ist die Harmonie. Die Harmonie ist die bewegte Einheit, ist Geschlossenheit und harmonische Festigkeit, die bewegte Ganzheit im Reichtum der wirkenden Kräfte. Das ist der Friede. Friede also ist lebendige, schaffende Gemeinschaft. Friede ist Reich Gottes. Es gibt keinen anderen Frieden als das heilige Reich Gottes. Und wo sonst die Menschen reden, da ist kein Friede, sondern falsche Prophetie.

Das ist das Erschreckendste; denn wie wir bei dem Aufbruch der Jugend sahen, wie wir bei der zukunftsschwangeren Gerechtigkeit in der Revolution und ....... sahen, die Brücke fehlt, die uns verbindet ... . So ist das am erschreckendsten der Friedenbewegung gegenüber; so werden wir eben erkennen, daß diese Friedensbewegung einen noch höheren Anspruch stellt als der kommunistisch- revolutionäre Wille; denn der war ja immer eingeschränkt auf den Klassenkampf einer bestimmten Gruppe von Menschen und wollte von der völligen Gehaltsgemeinschaft, oder wenigstens von der Arbeitsgemeinschaft dieser Gruppe aus die anderen Ziele zur Kommunistischen Gemeinschaft [verfolgen]. Da war der Pferdefuß des versteckten Teufels schnell zu erkennen. Hier aber, bei der

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süßen Friedens ......., bei dem lieblichen Getön und bei dem sammetweichen Blick der ehrlichen, blauen Augen, bei der ..... bei dem umfassenden Sinn, alle Völker, alle Gruppen, alle zu vereinigen, wo ist denn da der Teufel zu erkennen? Hierzu gehört der scharfe Blick des wahren Propheten, der scharfe Blick des Wortes Gottes, der scharfe Blick der apostolischen Klarheit.

Und die Menschheitsgemeinschaft tritt an die Stelle der Christusgemeinschaft, und wir sind verloren.

Und das war wohl die größte Gefahr in unserer Entstehung. Denn naturgemäß wird mit dieser süßlichen Versöhnungspolitik die Sünde vertuscht, verheimlicht, verwischt. Man könnte nicht immer so himmelblaue Augen machen, so süßlich lächeln, so zufrieden bleiben. Das kann man nur dadurch, daß man das Schwarze weiß macht, daß man also ein falscher Prophet wird.

Wir sehen, auch dieser Sache gegenüber können wir in ihren letzten geschichtlichen Auswirkungen keine Brücke bauen; denn von nichts sind wir schärfer abgeschieden als vom falschen Prophetismus. Das fromme Antichristentum muß von uns viel entschiedener abgewehrt werden, als das gottlose Antichristentum. Das frömmelnde Antichristentum, das ist die gefährlichste Gefahr unseres Weges. Das mochten wir auch erleben, wenn wir uns der armen Menschen angenommen haben, die von bösen Geistern hin und her geworfen sind, die oft Lichtblitze der Wahrheit haben, dann wieder schwarze, dunkelste Dämonie. Wir mußten diesen Menschen unsere Liebe zuwenden, weil wir Glauben hatten; weil Jesus sagte: "Wenn ich die Teufel durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen."

Und doch erlebten wir in unserer Sannerzer Geschichte auch die schwersten Kämpfe mit dem falschen Prophetismus in Gestalt der Dämonie.

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Haarscharf führt der Grat, der Ziegenrücken des felsigen Gebirgsrückens, haarscharf führt er rechts und links am Abgrund vorbei. Wer rechts abstürzt, verfällt in Heimlichkeit, Selbsttäuschung, selbstangemaßter religiöser Dinge, für die Gott keine völlige Macht gegeben hatte. Wer links abstürzt, fällt in den Sumpf. Der eine fällt in den unendlich tiefen Gebirgssee, in dem sich die Bläue des Himmels spiegelt; der andere in den Sumpf, in dem er nicht einmal schwimmen kann. Wie können wir an diesen Gefahren, rechts und links abzustürzen, vorübergehen, wenn der Nebel .... wenn wir nicht wissen, wo wir den nächsten Schritt hinsetzen sollen? Wenn die Glaubenskräfte nicht ausreichen für ein Jahr, für eine Woche, nur für einen Augenblick. So dicht war der Nebel, wir konnten nicht den nächsten Schritt sehen, wie wir weiter gehen könnten. Als der Reiter über den Bodensee geritten war und er sah zurück, da packte ihn das Grauen, daß er tot vom Roß zu Boden fiel. Aber die Sonne geht auf über den Nebeln, und wenn wir bereit sind durch Todesnot zu fahren, dann dürfen wir gewiß sein, daß wir das Ufer erreichen, den Blick auf die Stadt gerichtet, auf den Berg gerichtet.

Was ist die Offenbarung, die uns in allen diesen Jahren der Sannerzer Wunder offenbar geworden ist?

.......

Wir wurden erschüttert von dem Aufbruch der Herzen. Wir wurden erst entscheidend getroffen, als wir das Leben der Brüder sahen in der Urgemeinde Jerusalem und in den Brüdern, die man die Hutterischen nennt.

Urgemeinde ..... im Anfang ...., und sie ist es heute die uns voranleitet in besonderer Klarheit in der Erneuerung der Gemeinde des Huttertums. Und hier sind nun alle die Dinge, nach denen wir uns gesehnt haben, erfüllt worden. "Die Brücken sind abgebrochen" soll ja nur

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heißen, die Brücken zu dem, was ohne die Erlösung Christi ...,

Zu den historisch gewordenen (Bewegungen) gibt es kein Hinüber und Herüber mehr. Aber unser Lebensfaden verbindet uns; denn sie waren doch ein Weg desselben ..... Wären sie aber ihrem inneren Ruf treu geblieben, alle diese vier Bewegungen und Erwartungen, dann hätten sie die Offenbarung Gottes in der Geschichte, dann hätten sie den geschichtlichen Jesus, und dann hätten sie das Reich Gottes ..... müssen. Deshalb haben wir nichts zu verleugnen von jenem Aufbruch der Jugend in der Jugendbewegung, in der Revolution, in der Suche nach der Natureinheit und in dem Friedenswillen. ......

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Hier wird nur in der Einheit völliger Gemeinschaft alles erfüllt, was wir ersehnt haben. Daß hinter jenem hohen Berg eine Hoffnung schlummert, ist Erfüllung geworden. Wir haben nicht nur eine blaue Blume gefunden, sondern das verborgene Reich ist entdeckt. Hier ist das Friedensreich durchgebrochen in der Kraft der Apostel und Propheten. Hier ist Gemeinde mehr, als jeder Kommunismus sein konnte. Hier ist Gerechtigkeit und Friede und Freude im heiligen Geist.

Solange wir im unbewußten und unterbewußten heiligen Müssen standen, solange hatten wir einen Widerwillen gegen die feste Formung des Lebens. Jener Drang des inneren Müssens hatte ja den Charakter der Unbestimmtheit an sich. So werden (wurden) wir aber tiefer ......

Ein Antlitz leuchtet uns auf. Und wir fangen an zu schauen und zu staunen. Die Erkenntniss stammt aus dieser verborgenen Lichtwelt. Und plötzlich hören wir eine Stimme, und diese Stimme ist nicht nur der Aufruf, ein modernes, schwärmerisches Gebot zu erfüllen. An die Stelle des heiligen Müssens ist das heilige Sollen getreten. Der Wille Gottes wird uns offenbar, daß er geschieht, und wie er auf dieser Erde geschehen soll. Nicht nur in unbestimmten, ungenauen ...., sondern

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der Wille Gottes wird uns offenbar, daß wir die Arbeit unserer Hände und all unser Tun und Schaffen dem Willen Gottes entsprechend anfangen, ordnen und durchführen. Das ist das Geheimnis der Brüder, die man die Hutterischen nennt.

Während das nun geschieht, daß wir den Willen Gottes erkennen, da erleben wir anstatt des unbestimmten Ekels die wahrhaftige Buße; anstatt der ungewissen Ahnung den Glauben, der den Inhalt des kommenden Reiches zu fassen vermag und jetzt hier in die Tat umzusetzen vermag. Da erleben wir, daß wir in den Kräften der zukünftigen Welt die Gegenwart gestalten und mit den materiellen Inhalten erfüllen; daß das Reich Gottes nicht nur angemalt erscheint wie in einem kitschigen Zukunftsgemälde, sondern wir erleben es, daß das Reich Gottes Wirklichkeit ist.

Die Revolution ist bei uns inhalterfüllte Wirklichkeit. Das kommende Reich der Gerechtigkeit ist unter uns wirksam. Die Tatsächlichkeit unseres Lebens ist so erfüllt von den Realitäten der Zukunft, daß wir in dieser Zukunft leben, daß diese Zukunft unter uns lebt in der Gegenwart als Gottes Geist. Und auf diesem Wege erfahren wir das rechte Verständnis für die erste Kreatur der ersten Schöpfung. Jetzt gewinnen wir den unterscheidenden Blick für das, was Gott in die erste Schöpfung hineingelegt hat, als den lebendigen Atem seines Geistes und seines Lebens.

Wir sind hineingestellt in die Natur dieser ersten Schöpfung als Kämpfende. Der Romantiker kann nicht kämpfen in dem Bewußtsein seiner Natureinheit. Er kann alles, nur kämpfen kann er nicht. Er kann wohl den schimmernden Panzer und das blinkende Schwert anlegen, aber er sieht sich dabei in den Spiegel.

Wir sind berufen zu dem Kampf. Das ist also, daß die neue Kreatur, die uns zu dem wahren Ebenbild Gottes zurückruft, daß diese im Kampf

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steht mit der alten Schöpfung und sie doch anerkennt. (?) Wie wir es in der Ehe sehen, daß der begehrliche Wille nicht ..... daß er bekämpft werden muß, und doch daß dieser beseelte Körpermechanismus eine göttliche Symbolik darstellt. Denn wenn eine wahre Glaubenseinheit und ..... im Dienste der Gemeinde Christi steht, .....

So könnten wir an allen anderen Beispielen des Lebens zeigen, wie uns die Wirkung des von Gott in die Natur ..... zugleich des zum Tode führenden antigöttlichen Lebens ins Herz gibt ..... (??)

Nicht irgendeine Politik, Menschheitsgemeinschaft, Naturschwärmerei, Friedensgesellschaft bedeutet Reich Gottes, sondern das Offenbarwerden des Reiches Gottes in dem Offenbarwerden der Gemeinschaft Jesu Christi.

Die Gemeinde ist nicht nur der unsichtbare Leib, sondern Leib bedeutet, daß es materielle Realität wird, was Geist ist; daß Jesus einen Leib bekam, das war kein Scheinleib. Es war ein Leib, in den sie Nägel einschlagen konnten, den sie mit dem Speer stechen konnten. Ein Leib, den sie töten konnten. Ein solcher Leib war es.

Und ebenso ist der neue Leib Christi körperlich, materiell, real. Aber wer ihn als Scheinleib betrachtet, als sogenannte unsichtbare Gemeinde, wie die D.... den Leib Christi als Scheinleib bezeichnet haben, der... Er muß hinaus ge.... werden in die Gemeinde dieser Erde. Er muß schaffen auf dieser Erde. Nur dann ist er Leib. Was sie den unsichtbaren Leib nennen, ist (unsere?) in Wahrheit unsichtbare Seele (Seligkeit??).

Nun also müssen wir zu dem Glauben kommen und in dem Glauben wachsen, daß das, was die Brüder an wirklicher Gemeinde, an fester Sitte und Ordnung errungen haben, daß das auch bei uns Wirklichkeit wird. Wir müssen Sitten haben, die Sitten des ausgeschenkten Geistes. Wir müssen Ordnung haben, ja sogar Ordensordnungen. Sonst werden wir kein Leib.

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Das also zeigen uns die Brüder, daß wir einig sind in Eintracht, daß wir die materielle Gerechtigkeit nun viel klarer und bestimmter in die Tat umzusetzen haben, als wir es je vorher geahnt haben. Das ist nur möglich, wenn wir anstatt ......... in Gelassenheit und Glauben, der nur in der Demut möglich ist. So wollen wir uns mit den Brüdern vereinigt halten, die Einstimmigkeit suchen, nicht locker lassen, bis wir in allem unserem Verhalten zu wahrer Einstimmigkeit gelangt sind. Denn das wäre eine verlogene Einstimmigkeit, wenn sie sich nur auf die paar Menschen auf unserem Hof beschränken würde. Sondern mit allen denen, die mit uns und wie wir in völliger Gemeinschaft leben, an die Macht Gottes glauben, an die Gemeinde Gottes glauben als den materiellen Körper Christi in der Welt, .....

Das ist die Erfüllung der Jugendbewegung, der Revolutionssehnsucht, der Natureinheit und der Friedenssehnsucht.