Eberhard Arnold

Versammlungsprotokoll, 24. Juni 1933

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - T.S.H.]

EA 108

Ehelehr, Auslegung Peter Riedemann

Niederschrift vom Sonnabend, den 24. Juni 1933 Vor der Fahrt zum Standesamt

[Eheschließung Kurt und Marianne Zimmermann]

Die Eheschließung ist ihrem Wesen nach gestern schon klar geworden, worum es ihrem Wesen nach geht. Das Wort Ehe bedeutet Einheit. Das worum es geht und wofür Jesus seine Apostel gesandt hat, ist die Einheit. Diese Einheit ist eine Einheit der Gerechtigkeit, der Liebe und der Freude, eine Einheit des Friedens. Diese Einheit ist eine umfassende Kraft, die in Gottes Herzen lebt. Noch ist sie nicht in aller Welt zum Siege gelangt, sondern die großen Völker leben noch in der Uneinigkeit, geknechtet unter der Gewalt des Mammons und der Lüge, des Unfriedens, der Feindseligkeit, des Hasses und der Ungerechtigkeit, sie leben in dem Unfrieden des Hasses und der Zerrissenheit und der gegenseitigen Bekämpfung und Vernichtung. Sie kennen noch nicht die Freude der vollkommenen Liebe des Geistes, die die Einheit über alles stellt. Trotzdem ist in dem mächtigsten Geist, der mächtiger ist als alle anderen Geister, diese Einheit beschlossene Sache. Wohl aber will er sie nicht aufzwingen und niemandem mit Gewalt aufnötigen, denn er will in seinem Reich freie Geister, die aus innerster Freiwilligkeit zu seiner Gemeinschaft kommen. Eine unfreie und erzwungene Hingabe ist ihm weniger (schlimmer?) als nichts. Deshalb lässt er die Menschen in ihrem furchtbaren Unglück, es sei denn, dass sie in freiem Willen umkehren und seinen Geist der Einheit und seine Gemeinschaft des Friedens suchen und gründen. Die tiefste Einheit ist in Gott, eine verborgene Einheit, eine Einheit, die noch nicht über die ganze Welt offenbar geworden ist, eine Einheit, die aber in seinem Geisteswind, Odem und Hauch über die ganze Welt ergeht; wo sich Menschen finden, die für die Einheit seines Geistes bereit sind. Dort wird die Einheit gegründet und angerichtet in einer völligen Gemeinschaft; und diese völlige Gemeinschaft geht aus der von der innersten Vereinigung des Herzens Gottes und von der Verbindung der Herzen untereinander und gründet sich in einer Einheit der Güter- und Arbeitsgemeinschaft, als Kommune, als ein wirkliches Zusammenleben einheitlicher und einstimmiger Menschen.

Der erste Grad der Einheit ist also der, dass der Geist des Gottesherzens sich vereinigt mit den Geistern der glaubenden Gemeinde, dass die Menschengeister

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einig werden mit dem Gottesgeist der vollkommenen Einheit und Einmütigkeit.

Der zweite Grad ist der, dass die Herzen aller derer, die zu der glaubenden Gemeinde gehören, in gegenseitiger Abstimmung, Schwingung und Fühlung miteinander einig sind. In dem einzelnen Menschen drückt sich dieser zweite Grad so aus, dass der heilige Geist Gottes, der in dem Herzen herrscht, nun auch die Seele des Menschen mit all seinen seelischen Empfindungen und Kräften erfüllt und regiert. Kommt es so weit in einer Gemeinschaft glaubender und liebender Menschen, dann tritt zwischen den Menschen die Schwingung der gemeinsamen Freude, die Verbindung von Herz zu Herz in Kraft.

Der dritte Grad der Einheit, der der materiellen Welt des Stoffes zugehört, drückt sich in der Gemeinde auf zwei Gebieten des Lebens aus. Zuerst geschieht die Verwirklichung in der Arbeit an Land und Erde. An Stoff und Werk entsteht die Verleiblichung des Christus als der Einheitsleib seiner arbeitenden Gütergemeinschaft und Kräftevereinigung. Und schließlich drückt sich dieses Hineindringen der Geistes- und Seeleneinheit in den Stoff in der körperlich-seelischen Vereinigung der Leiber in der Stiftung der Gemeinschaft von zwei Menschen aus; und wie der Erde ihren Samen bringt und immer von neuem ihre Frucht hervorbringt auf Grund des Regens und der Sonne und der Kräfte der Erde und der Weltregierung, so auch in der Familie, die dazu gegeben ist, damit Kinder geboren und auferzogen werden aus der Vereinigung der Leiber für die Gemeinschaft des Geistes und der Seele. So ist denn die Ehe zugehörig zu dem dritten Grad der materiellen Einheit, scheinbar etwas Niedrigstes und Geringes, weil sie die stofflichen und materiellen und körperhaften Kräfte der Menschen vereinigt. Aber diese scheinbare Niedrigkeit der Ehe, die oft genug verächtlich angesehen und behandelt wird, ist in Wahrheit dem tiefsten Sinne nach die höchste und ehrendste Erhöhung des Stoffes und des Menschengeschöpfes, die möglich ist. Und ebenso wie sich Gottes Geist nicht gescheut hat, die Familienver-

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bindung der Brüder und Schwestern als Beispiel zu nehmen für die Seelenschwingung und Geistesverbindung der Gemeinde in ihren Gliedern untereinander, so scheut sich auch Gott nicht, die leibliche Vereinigung der Menschen zum Beispiel und Bilde zu nehmen für seinen höchsten Willen und für seinen Auftrag, den er der Menschheit und der Erde zugedacht hat.

Und deshalb haben es schon die Propheten und Apostel ins Auge gefasst, dass ebenso wie Gott und sein Volk eins sind, ebenso Ehemann und Ehefrau miteinander eins sein sollen. Und wir werden die Einheit zwischen Gott und seiner Gemeinde an keinem Beispiel besser erkennen können als an der Einheit zwischen Mann und Frau. Der Prophet Hosea wurde in der Betonung dieser Wahrheit bis zu dem ungeheuerlichen Auftrag gebracht, dass er an seinem eigenen Lebensschicksal erweisen sollte, aus welchem Abwege Gott sein eigenes Volk wieder zu seiner rechten Gemahlin machen wollte. Unter dem Ehebruch des Volkes ist nicht eine sexuelle Sünde verstanden, sondern vielmehr die Abweichung von dem Glaubensbund des Geistes zu der falschen Verbindung mit Götzen und falschen Lehren und Verirrungen. Weil das Volk weit abgewichen war von der einen, allein möglichen Verbindung des lebendigen Gottes mit seinem Volk bis zu einer Götzenverehrung menschenmordender Moloche, steht der Prophet mitten unter dem Volk und zeigt an dem erschütternden Beispiel seines Eheschicksals, wie er das Erbarmen und die Liebe an seinem Weibe beweist, so will auch Gott dasselbe tun an seinem Volk. Und in der höheren Stufe, in der Gemeinde, die durch Jesus Christus und durch seinen heiligen Geist gegeben war, wird diese Erkenntnis noch tiefer und weiter gefasst. Und wieder fällt das Wort vom Ehebruch, und wieder deutet es nicht auf geschlechtliche Ausschreitungen hin, sondern auf die Verletzung der höchsten Einheit zwischen Gott und seiner Gemeinde. Und wiederum wird hier gesagt: Ihr Ehebrecher, wisst ihr nicht, dass der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, es kann niemand zugleich der Welt Freund und Gottes Freund sein; ihr könnt nicht zu gleicher Zeit

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den Mammon, das Geld und die Ungerechtigkeit zu eurem Ehegemahl haben und zu gleicher Zeit Gott und seine Liebe und Gerechtigkeit zu eurem ehelichen Herrn machen. Eins von beidem nur ist möglich. Entweder unterwerft ihr euch dem König des Reiches Gottes im Vertrauen auf seine liebende Führung oder ihr unterwerft euch den Obrigkeiten des gewalttätigen Schwertes und des Henkerbeils und werdet ihre Knechte.

Hier aber ist das Evangelium der Freiheit, und ihr sollt nicht mehr der Menschen Knechte werden, und ihr dürft euch nicht mehr von mancherlei Meinungen hin und her bewegen lassen, sondern ihr sollt und müsst einig sein allein mit dem Geiste Gottes, in der befreienden liebenden Kraft Jesu Christi. Dann werdet ihr auch für die Ehe die rechte Einheit, Liebe und Treue finden. Und das apostolische Christentum hat es wohl vorausgesehen, was die Propheten des alten Bundes bereits vorausgesehen haben, dass ein solches Absagen an das übliche Treiben der Welt Verfolgung bedeuten müsse, und deshalb begeben sich alle die, die den Einheitsbund mit Gott vorbehaltlos schließen, in die Not der Verfolgung, in den Schmerz des Missverstanden- und Missdeutetwerdens. So gehört denn zu dem Weg der Treue und Einheit in dem Geist der Gemeinschaft die Bereitschaft zu Not und Tod; denn es wird dahin kommen, dass viele glauben werden, Gott einen Dienst zu tun, wenn sie diese falschen „Gottmenschen“ erniedrigen und ausrotten.

Aus dem allen ergibt sich klar, welche Rangordnung die Ehe innerhalb des Volkes Gottes und der Gemeinde einnimmt. Sie hat in der Rangordnung Gottes den dritten Platz. Der erste Grad ist die völlige Geisteseinheit des Volkes Gottes und der Gemeinde. Für diese Geisteseinheit sind alle Opfer zu bringen, …. und Familienopfer der Trennung. Der zweite Grad ist die ist die Seeleneinheit in der Gemeinschaft der Glaubenden untereinander. Auch für diesen zweiten Grad muss der dritte Grad der Familieneinheit geopfert werden, so oft es nötig ist. Der dritte Grad ist durch diese Überordnung der beiden anderen größeren Einheiten keineswegs verächtlich gemacht oder erniedrigt, sondern der dritte Grad

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ist vielmehr dazu ausersehen, dass an dieser Liebe und Treue, an dieser unzerbrechlichen geklärten Einheit der erste und zweite Grad denen verständlich werde, die keinen Zugang haben zu dem ersten und zweiten Grade. An dem dritten Grade der Familieneinheit, die in die Einheit der Gemeinde und in die Geisteseinheit mit eingebettet ist, können auch die unverständigsten und die blindesten Menschen erkennen, welch ein Geist der Einheit hier offenbar wird.

Weil nun aber die Ehe als der dritte Grad der Einheit zu der materiellen Auswirkung der Schöpfung gehört, zu der Natur, die auch ohne das Evangelium Jesu Christi und ohne den Geist besteht, so müssen wir uns für diesen Grad der Ehe auch mit der Obrigkeit auseinandersetzen. Unsere Eheschließung ist nicht abhängig von der Obrigkeit, aber wir müssen die gegebene Staatsordnung für diesen dritten Grad anerkennen und begrüßen es, dass die gegebene Staatsordnung eine Art der Veröffentlichung vorgesehen hat, die uns vieles abnimmt, was wir sonst zu tun hätten; denn die Eheschließung ist eine öffentliche Tatsache und deshalb ist es Sache des Staates, diese Bekanntmachung zu ermöglichen. Wir begeben uns in die Ordnung des Staates soweit diese Ordnung des Staates nicht der ersten Einheit des Geistes und der zweiten Einheit der Herzen in der Gemeinde widerspricht. Wir erkennen die Ordnung des Staates durchaus an als eine Notwendigkeit der unerlösten Menschheit innerhalb der materiellen Ordnung.

Solange die Menschheit die höchste Einheit im Geiste Gottes und den zweiten Grad der Vereinigung der Herzen noch nicht gefunden hat, ist es unter den Völkern notwendig, dass für die materielle Ordnung der Dinge eine unvollkommene Staatsgewalt ihre Geschäfte besorgt. Die Gemeinde ist dazu berufen, in allen Dinge der Geisteseinheit und der Seeleneinheit die Entscheidungen zu treffen und sich frei zu halten von allem gewalttätigen Werk der Obrigkeiten, und ihr Gemeindeleben, auch in der Durchführung der Arbeit in Land und Acker und auch in der Durchführung der Ehe allein in der Herzenseinheit bestehen zu lassen.

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Geistesauswirkung der letzten Einheit des Reiches Gottes und der Gemeinde Jesu Christi mit der bestehenden Wirklichkeit der Staatsobrigkeit und ihrer Gewalt (in Einklang zu bringen), und hier gilt es, von Fall zu Fall eine klare und saubere Entscheidung zu treffen, dass wir uns einzuordnen vermögen, wo es möglich ist, und dass wir, sobald es sich darum handelt, dass wir dem Staat eingeordnet werden in seiner gewalttätigen Macht, dass wir dann Abstand nehmen von dem Gehorsam des Staates und uns entschließen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.

So halten wir es denn für eine Sache, die getan werden muss und die in Ordnung geht, dass unser Paar sich zum Standesamt begibt, um dort ihre Entschließung bekannt zu geben. Durch diese Staatsordnung wird diese Ehe in der materiellen Welt bekannt gemacht. Die wirkliche Eheschließung aber findet nicht durch die Staatsgewalt statt. Sie kann (vielmehr) einzig und allein durch die Geisteseinheit der Gemeinde – durch ihre Bevollmächtigten ausgesprochen und bestätigt werden. So stehen wir denn mit der Familie inmitten dieser Welt, die noch nicht von dem Geist der völligen Einheit durchdrungen ist, in einem harten Kampf, auch gegen die gewalttätige Obrigkeit, die in einem harten Kampf mit ihren Lehren auch unsere Seelen und Geister knechten möchte mit Irrlehren, die uns zu einem gewalttätigen ungerechten Weg zwingen möchten, und die mit dem Wege Jesu Christi nichts mehr gemein haben.

Wir stehen inmitten dieser Welt als kämpfende und als verfolgte Schar. Diese Verfolgung ist die Verfolgung um der Sache willen, die die völlige Glaubensgemeinschaft und Einheit des Volkes Gottes darstellt. Dieser Verfolgung wollen wir stets eingedenk sein und niemals vergessen, dass sie schwer und hart ist und dass sie doch zum Siege und zum Endziel des Friedens führen wird. „Lasset euch nicht von mancherlei fremden Lehren hinreißen; denn es ist gut, dass das Herz fest werde.“ Die mancherlei und fremden Lehren wollen heute in das, was sich Christentum nennt, einreißen. Fremd sind diese Lehren alle, insofern sie nicht die reine Lehre Jesu Christi und seines Gerechtigkeit bringenden Einheitsgeistes bringen sondern die gewalttätige Unterdrückung im Auge haben. (Schluss?)

Wir gedenken hierbei auch der Familien des jungen Paares und wissen wohl,

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dass diese Familien bis heute nicht in der Lage sind, die Geistesaufgabe, die uns aufgetragen ist, zu verstehen und wissen auch, dass sie zum großen Teil auf der Seite der Verfolger stehen. Wir wünschen ihnen dafür den Frieden und hoffen mit Gewissheit darauf, dass durch diese Eheschließung und durch die Bestätigung unserer bruderschaftlichen Einheit der Geist des Friedens und der Gerechtigkeit anstatt des Unfriedens und der Ungerechtigkeit einziehe. Wir wünschen von Herzen, dass auch dieser Schritt, den wir heute kraft des Gemeindegeistes tun, auch in den Familien dahin führe, dass sie zu einem wirklichen wahren Gottesfrieden und Gerechtigkeit gelangen. So soll denn diese neue Familiengründung dahin führen, dass die alten Familien ganz neu ergriffen werden von dem Geist der Einheit, des Friedens und der Gerechtigkeit und von dem einen Wahrheitsgeist, der sich mit keiner fremden Lehre vermischen lässt.

So beauftragen wir euch denn, tapfer diesen Schritt zu tun, damit wir morgen zu der eigentlichen Segnung dieses Bundes des Reiches Gottes und seiner Gemeinde schreiten können.

Gott führt ein recht`s Gerichte

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Die Segnung dieses Bundes in der Gemeinde des Geistes der Einheit.

So bitten wir Gott, dass er euch überschütte mit den Kräften der zukünftigen Welt und dass er euch gebe die Kräfte seiner ersten Schöpfung und der letzten Schöpfung in dem Reiche Gottes. So seid ihr jetzt kraft der völligen Einheit des Geistes im Namen der Gemeinde Gottes vor Gott und vor Menschen eine rechte Ehe für immer und ewig.