Eberhard Arnold

Korrespondenz, September 1920 (1)

[Arnold, Eberhard and Emmy papers - L]

1. September 1920

Herrn Kurt Woermann, Hamburg

Lieber Kurt Woermann!

Heute kann ich Dir wieder einmal einiges von unserm Ergehen erzählen und Dir von einem Fortschritt in unserer Siedlung berichten. Wir alle erfreuen uns noch öfter an der Erinnerung Deines letzten Hierseins und hoffen darauf, daß Du mit Maria recht bald zu uns kommen kannst. Wirst Du wohl zu der Arbeitsgemeinde nach Marburg fahren? Ich selbst kann nicht kommen, weil mir beim Holzhacken ein Balken ins Auge geflogen ist, so daß ich jetzt verhindert bin, in den Augen meiner Mitmenschen die Splitter zu suchen, ein Sport, den ich schon seit längerer Zeit aufgegeben habe.

Du erinnerst Dich gewiß an die sogenannte Villa, in der wir unsere Verlagszimmer hatten. Schon damals, als Du hier warst, hatten wir einige weitere Zimmer bezogen. Wir sind indessen von Lotzenius, dem kleinen gemütlichen Gasthaus, ganz ausgezogen und wohnen ausschließlich in diesem Haus von Konrad Paul, auf dessen Veranda wir damals mit den Habertshöfern saßen. Konrad Paul hat uns nun von neuem sein Haus mit 19 Wohnräumen, Scheune, Stallung, Obstgärten und 12 Morgen Land angeboten. Mein Freund Otto Schönhagen, der im Dresdner Magistrat im Bauamt tätig ist, das derartige Siedlungs-

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wesen zu bearbeiten hat und viele Gutachten für derartige Objekte bearbeitet, war am Sonntag hier, um uns mit seinem Rat zur Seite zu stehen. Er ist ein tüchtiger Fachmann, hat einen guten Blick und einen zuverlässigen Geschmack. Er weiß sich so sehr mit unserer Sache eins, daß er uns für seine Arbeiten, außer seiner Eisenbahnfahrt, keine Unkosten anrechnet. Unsere ganze Hausgemeinschaft ist begeistert von ihm und seiner Arbeit, die er für uns tut. Otto Schönhagen rät uns dringend zu, das Haus von Konrad Paul mit Scheune, Stallung, dazu Wiesen und Inventar für 200 000.- M. zu erwerben. Der Bau ist in allen Teilen solide, ja vorzüglich ausgeführt. Wenn wir versuchen würden, in Lehm mit dem billigsten Material und den billigsten Arbeitskräften zu bauen, würden wir dieselben Räume, die wir in Konrad Pauls Haus in bestem Stein- und Holzmaterial ausgeführt haben, nicht für denselben Preis herstellen können. Ich lege Dir eine Aufstellung bei, wie die Schätzung der Werte aufgebaut ist. Es ist zu bemerken, daß beide Parteien ein Interesse daran haben, die Immobilien billiger, das mobile Inventar teurer anzurechnen. Georg Flemmig, der all unsere Pläne auf sein Herz genommen hat, rät uns aufs dringendste, bei diesem Objekt zuzugreifen und diesmal im Geldpunkt nicht zu bedenklich zu sein; denn eine derartig günstige Gelegenheit würden wir in der ganzen Gegend nicht wieder geboten bekommen. Es liegt Georg viel daran, daß wir möglichst bald zu einem sicheren Abschluß und Anfang kommen, ist es doch für Georg wie für uns selbst innerlich und auch gesundheitlich und wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung, daß wir ein solches Heim gewinnen, wie es uns jetzt hier geboten wird. Georg Flemmig will in Marburg mit Dir diese Fragen beraten.

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Wir wären Dir sehr dankbar, wenn Du uns mitteilen könntest, ob Du jetzt für dieses Projekt die Summe aufbringen kannst, die Du seinerzeit im Auge hattest und ob Du Dich sofort für die Sache einsetzen kannst. Wir wollen sogleich an die Gründung einer Genossenschaft herangehen oder aber eine Stiftung vorbereiten. Viele sind für eine Genossenschaft, da diese Form der gemeinsamen Arbeit den bisherigen Plänen mancher Teilnehmer am besten entspricht. Georg Flemmig ist der Meinung, daß das Ganze auf meinen Namen gekauft werden sollte, da hierdurch der zukünftige Charakter der Siedlung gegen etwaige Eindringlinge am besten geschützt werden kann. Wir haben jedoch Georg Flemmig widersprochen, da hierdurch Mißverständnisse entstehen müßten.

Dem berechtigten Bedenken, das Ihr gegen die Genossenschaft habt, würde am besten Rechnung getragen, wenn wir eine Stiftung gründeten, in welcher mein Name und der Charakter unseres Unternehmens bezeichnet werden könnten. Es wäre mir wichtig, Deine Meinung über diese Möglichkeiten zu hören; besprich doch auch diese Frage eingehend mit Georg Flemmig. Bei dem fortwährenden Zu- und Durchfluten der verschiedenartigsten Freunde und Wanderer in Schlüchtern und in Sannerz ist es dringend notwendig, daß wir eine solide Siedlungsgrundlage bekommen, damit nicht alles auf der privaten Kraft Georg Flemmig und meiner Familie liegt.

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Wenn wir jetzt den Kauf hier abschließen, lassen wir unsere beiden jungen Landwirte sofort herkommen und bereiten das Land für das nächste Frühjahr vor. Sobald Du uns geantwortet hast, teile ich Dir Näheres mit. Bei dem Kauf soll die Hälfte der Kaufsumme gezahlt werden, während die andere Hälfte als Hypothek gebucht werden soll.

Mit herzlichen Grüßen in treuer Liebe

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[Eberhard Arnold an Professor Blunschli.]

1.September 1920.

Herrn Professor Blunschli

Frankfurt a/M. Gärtnerweg 54.

Sehr geehrter Herr Professor!

Wir danken Ihnen herzlich, daß Sie sich als Genosse unserem Neuwerk Verlag angeschlossen haben, und bitten Sie den Betrag für den Geschäftsanteil gleichzeitig mit der Beitrittserklärung bei der Filiale der Dresdener Bank Fulda, Depositenkasse Schlüchtern, zu Schlüchtern, einzuzahlen.

Mit genossenschaftlichem Gruß

[E.A.]

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1. September 1920

Herrn Professor Blunschli

Frankfurt a/M, Gärtnerweg 54

Sehr verehrter lieber Herr Professor!

Ihnen und Ihrer lieben Frau Gemahlin danke ich herzlich für Ihre freundlichen Grüße und Wünsche und für Ihre Mitarbeit im Neuwerk-Verlag.

Unserem Heini geht es recht gut; die Blinddarmoperation selbst war nicht einfach, weil mehrere Darmverwachsungen vorlagen, aber er ist vollkommen fieberfrei, darf schon allerlei essen und die Wunde ist zu. Für mein Auge halte ich gute Ruhe, die Ablösung ist zum Stillstand gekommen, und scheint es mir sogar manchmal, als wenn ich an den abgelösten Teilen wieder einen Lichtschimmer sähe. Ich danke Ihnen für die warme Fürsorge, die Sie uns, speziell mir zuteil werden ließen.

Die beiden Geschäftsanteile bitte ich der Filiale der Dresdner Bank Fulda, Depositenkasse Schlüchtern, Schlüchtern einzusenden.

Mit herzlichen Grüßen von Haus zu Haus Ihr treu ergebener

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[Eberhard Arnold an Lilian Stevenson]

1. September 1920

Miss Lilian Stevenson

Cooldara, Gerrards Cross.

Bucks. England.

Liebe Miss Lilian Stevenson!

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre freundlichen Zeilen vom August und für Beitritterklärung in unsere Verlagsgenossen schaft. In der Anlage übersenden wir Ihnen eine ausgefüllte Beteiligungserklärung, die Sie uns unterschrieben zurücksenden wollen. Da jeder Geschäftsanteil auf M.500. lautet + M. 20. Eintrittsgeld, bitten wir Sie herzlich, restliche M. 120. gleichzeitig mit der Beitrittserklärung an die Filiale der Dresdener Bank Fulda, Depositenkasse Schlüchtern, zu Schlüchtern, zu senden. Noch restliche M. 30. werden Ihnen auf Wunsch laut der Statuten gestundet.

Wir freuen uns sehr, daß wir Sie und Herrn Corder Catchpool als erste Ausländer in unsere Genossenschaft aufnehmen dürfen und hoffen, daß Ihnen noch recht viele folgen werden.

Gleichzeitig senden wir Ihnen durch unsere Expedition die gewünschten Neuwerk Hefte und danken Ihnen für die Bemühung bei Verwendung derselben.

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In der Hoffnung recht bald von Ihnen zu hören, verbleibe ich mit genossenschaftlichem Gruß. [E.A.]

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[Strünkmann an Fritz Hampke.]

den 1. September 1920

Herrn Fritz Hampke, Berlin Niederschönhausen.

Uhlandstr. 10

1.Sept. 1920.

Lieber Freund Hampke!

Wie Sie vielleicht wissen, habe ich seit Weihnachten v.J., seitdem unser Arbeitsbund vor einer großen Entscheidung stand, sehr schwere innere Kämpfe durchgemacht. Diese Kämpfe haben sich nach Stuttgart noch gesteigert. Da ward mir plötzlich eine Gewißheit, wir müssen in unserem Leben nicht bloß den Zins, sondern auch das Geld überwinden. Jesus hat das klar zum Ausdruck gebracht; auf der einen Seite Gott, auf der anderen Seite der Mammon; auf der einen Seite die Gottesliebe und Nächstenliebe, auf der anderen Seite die Geld und Goldliebe. Und des weiteren wurde mir plötzlich klar, wir müssen umsonst bauen. Wie vor tausend Jahren die Mönche ins Land kamen (damals war es genau so wie heute, Wälder, Steinbrüche und Lehmboden) und Klöster und Häuser bauten und gleichzeitig den Menschen das neue Evangelium brachten, so müssen auch wir ähnliches tun. Arbeiten um Gotteslohn, nicht um Geldeslohn, gleichzeitig den Massen die Vertiefung des Christentums bringen, welche uns durch die Berührung mit Indien zuteil ward.

Ich schrieb dann sofort an Freund Becker und entwickelte ihm meinen Plan der "fliegenden Bau Hütte".(Architekten, Handwerker, Arbeitsleute,

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letztere von den Syndikalisten) müssen sich zu einer fliegenden Bauhütte zusammentun. Sie müssen sich bereit erklären, umsonst zu arbeiten gegen freie Station und Arbeitskleidung, die Gemeinden müssen Holz und Steine hergeben, Land zur Verfügung stellen. Dann können überall Häuser im Rohbau fertiggestellt werden für die erste Benutzung. Der weitere Ausbau muß für die spätere Zeit vorbehalten bleiben. Ruht die "fliegende Bauhütte" in Gott, so wird ihr von christlicher Seite nach und nach allerhand geschenkt werden, so daß sie schließlich über eigene Wälder, eigene Steinbrüche, eigene Ziegeleien und eigene Werkstätten verfügt. Und so kann durch den erweiterten Herrnhuter Gedanken ein erneutes vertieftes Leben in das deutsche Volk getragen werden. Dann können wir auf einmal alles leben: Lebensreform, Wandervogelgeist, zinslose Gemeinwirtschaft. Des abends und an Sonntagen erzählen wir den Volksgenossen von den Wundern der heiligen Schrift, der Edda, vom Heliand, von den heiligen Büchern der Inder usw. So hat der Gedanke des Arbeitsbundes, der mehr exoterischer Natur war und der Pfingsten 1919 in Stolzenberg die äußere Organisation fand, eine exoterische Ergänzung gefunden in dem, was ich "fliegende Bauhütte" nenne. Führt der exoterische Kreis allmählich zur Arbeitspflicht, wird dagegen der exoterische Gedanke eine Vertiefung des Christentums, eine neue Jesus Ordnung hervorbringen. So hoffe ich, falls wir nicht bloß berufen, sondern auch auserwählt sind.

Friedrich Schöll und Maria Schöll nahmen den Gedanken begeistert auf. Von Freund Becker erhielt ich zuerst keine Antwort. Dann kam er gestern selbst und wir haben uns grundsätzlich über alles geeinigt. Er stimmt mit mir in allen Dingen überein. Wir wollen Versuche machen zunächst in der Pfalz, in Freiburg in Breisgau und drittens im Kreise Schlüchtern. Der Mittelpunkt, der Mutterboden der ganzen Bewegung, soll Württemberg werden, welches der religiöse Mittelpunkt Deutschlands ist. Von dort muß die exsoterische Welle über Deutschland sich ergießen. Im Anschluß an diese Mutterkolonie muß auch die Führerschule entsteh-

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en, deren Gründung ich seit mehr als einem Jahr so heiß ersehne.

Selbstverständlich muß die "fliegende Bauhütte" selber wieder einen Resonanzboden haben, das muß unsere Siedlung sein. Beide aber, Siedlung wie "fliegende Bauhütte" müssen als unbedingte Grundlage ein Gut haben. Auf dieses Gut müssen wir hinaus, mit dem Gute müssen wir beginnen. So weit ist bis jetzt der Gedanke durchdacht und durchgearbeitet worden.

Heute schrieb ich an Frau General Vogl, die mich dieser Tage bat, ihr Hilfskräfte zu schicken für zwei arme Frauen, die bauen wollten. Diese sollten für freie Station und freie Kleidung die Arbeit freiwillig besorgen. Wahrscheinlich werde ich zunächst nach Freiburg gehen, nachdem ich im Kreise Schlüchtern die jungen Leute auch für den Gedanken der "fliegenden Hütte" gewonnen habe. Freund Becker wird zunächst Versuche in der Pfalz machen.

Da ich es aber für keinen Zufall halte, daß wir vier uns in Stuttgart fanden und daß wir der Hellaufsiedlung den entschiedenen Geist geben mußten, so möchte ich vor der ersten Gestaltung der "fliegenden Bauhütte" nochmals eine Zusammenkunft von uns Vieren gern in Mitteldeutschland sehen. Am 6. bis 10. September ist die Tagung der Edelkommunisten und christlichen Kommunisten, (die im Kreise Schlüchtern siedeln wollen) in Marburg. Freund Becker wird dorthin kommen, ich werde auch dort sein, ob Freund Schöll hinkommmen wird, weiß ich noch nicht. Ich habe ihn aber dringend gebeten, entweder vom 6. bis 10. Sept. in Marburg zu sein, oder aber am 12.September in Soden anwesend zu sein, damit wir vier uns über den Grundplan eingehend aussprechen können. Also, bringen Sie

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bitte das Opfer und kommen Sie, nachdem Sie zuvor mit Schöll sich in Verbindung gesetzt haben. Gerade Sie dürfen nicht fehlen, weil Sie unter uns Vieren der kühlste Redner sind.

Schließlich möchte ich Sie noch bitten, vorher auch nach dem Bauerndorf Zährendorf bei Berlin zu fahren und nähere Erkundigungen einzuziehen. Vielleicht wäre es möglich, dieses Bauerndorf Z. für uns zu gewinnen mit der Hilfe der Syndikalisten und der Jugendbewegung. Dann hätte die "fliegende Hütte" vielleicht 2 Ausgänge, den einen in Berlin, der mehr praktischer Natur ist, und der andere in Württemberg würde sehr religiöser Natur sein. So würden sich wieder einmal Norden und Süden ergänzen. Aber wie gesagt, Bauerndorf Z. ist natürlich vollständig Zukunftsmusik. Daß ich bei all diesen Dingen immer an das Wort der Bibel denke, "Ist ein Ding nicht von Gott, so wird es von selbst untergehen," brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben.

Leben Sie wohl! Auf Wiedersehen in Marburg oder in Soden.

Ihr getreuer

(gz.) Strünkmann.

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1. September 1920

Herrn Georg Flemmig

Schlüchtern

Mein lieber Georg Flemmig!

Es ist mir recht schmerzlich, daß Du es noch nicht möglich machen konntest, mich während meiner Augenkrankheit zu besuchen. Ich denke oft in meinen stillen Liegestunden an Dich und sehne Dich herbei. Hoffentlich wird es Dir bald möglich sein, einmal zu mir heraufzukommen.

Heute habe ich vom Verlage aus eine wichtige Frage an Dich. Für Deine Dorfgedanken wäre es mir wichtig, wenn Du noch eine Vermehrung dieser Aufsätze vornehmen könntest. Du erzähltest uns bei Schultheis' und auf der Reise so wunderbare Geschichten, gewiß hast Du noch manches Manuskript, das Du für dieses Büchlein heraussuchen könntest. Es wäre mir sehr lieb, wenn es Dir möglich wäre.

Vor Marburg muß ich Dich unbedingt, auch im Blick auf die Marburger Tagung, sprechen und erbitte herzlich Deinen Besuch. In treuer Liebe, Dein

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[Heinz Ploum an Eberhard Arnold.]

Altenburg, 1. 9. 1920

Mein lieber Eberhard Arnold!

Wir rücken dem Ziel immer näher! Dein Brief vom 25. August 20. zeigt es mir. Habe vielen Dank für Deinen Brief.

Es ist nicht schön, wenn man immer vom Geld reden muß aber ich hoffe, daß wir das auch bald überwunden haben.

Ich kann mir eine ungefähre Vorstellung machen von dem Plan, den Du mir schildertest nur habe ich die Sorge, ob der Anger mit seinem Gemüse pp. zu den 24 Morg. Land gehört oder nicht. Denn Du mußt bedenken, daß wir jeden Fetzen Land nutzbar machen, denn ich rechne so: das gesamte zur Verfügung stehende Land pp. muß den Siedlern zur Ackernahrung dienen, sowie auch das Groß und Kleinvieh Futter bringen, denn ein Ankauf von Futter pp. mittel muß möglichst vermieden werden um die Rentabilität zu steigern. Nun, das wird sich ja alles finden es muß eben ein Wirtschaftsplan aufgestellt werden und zwar ist jetzt schon einer nötig. Um die Wintersaat zu bewerkstelligen, damit wir im Frühjahr ernten könndn: ich denke da an Brotgetreide u.s.w. Wenn es Dir Recht ist, werde ich mich der Mühe unterziehen und für eine Anbaufläche von 24 Morgen Land, auf ca. 30 Personen sind 10 Stück Vieh (klein und groß) den gesamten Apparat ausarbeiten und ihn Dir zur gefl. "Kenntnis unterbreiten." Nun weiter! Also Lehmbauten willst Du errichten! Fein! Wer baut sie? Unsere Leut? Wie wär's, wenn ich mitbaute, ich habe Ahnung davon, d.h. einen gesunden, praktischen Sinn. Wie wäre es, wenn ich unser Häuschen selbst baute? Du sollst sehen, in einem Monat bezugsfähig. Es sollte mich freuen, bald genaueres über den ganzen Plan zu erfahren und vor allem zu wissen, wann ich kommen kann. Und nun die Geldfrage! Du weißt, Erbschaftssachen durch die Gerichte gehen langsam, aber sicher darum ist es mir leider nicht möglich, Dir etwas genaues über Zeit und Höhe der Zahlung zu sagen. Wohl werde ich die Tausendmark incl. Zinsen in den nächsten Tagen Dir zusenden. Hätte ich einen Erbschein auf mein väterl. Erbteil, dann würde ich darauf ein Darlehen für Dich aufnehmen. [Aber leider] sind wir heute noch nicht so weit. Auch muß ich [Loch] einige Möbel Kaufen,

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wenn ich nicht das Glück haben sollte, trotz allem noch etwas vom Vater zu erhalten. Ich werde aber mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln auf die schnellste Erledigung der Erbfrage dringen, damit ich in 4 6 Wochen Deinem Wunsche gerecht werden kann. Hätte ich irgendeine Werturkunde zur Hand, würde ich sie Dir geben, damit Du Geld aufnehmen kannst. Reichen denn Deine Berliner pp. Verbindungen nicht dazu nur diese paar 100000 Mk. zu erlangen? Ich denke doch aber macht es lieber wie ich bleibst "unter uns"!

Es tut mir herzlich leid, daß ich Dir noch keine positive Antwort geben kann doch sei versichert, ich bin sofort da, wenn ich die Mittel habe und bleibe bei Dir als Dein Eckhart! Ich freue mich und meine Frau mit mir, daß wir bei Euch die Stätte finden sollen, wir den Tempel eines Christus geweihten Lebens bauen können. Daß Du meinem psycho physiologischen Können soweit zumutest, daß es ein H.Pl. abend werden soll, ist für mich erfreulich, aber ich stimme mit Else v.Hollander darin überein, daß es besser, es nicht zu tun denn das ist eine Falle für mich, sie birgt die Eitelkeit!

Nach Marburg kann ich leider nicht wäre es im Oktober, ja! Mache Dich darauf gefaßt, und Ihr alle, daß wir Euch in 4 Wochen "auf die Bude rücken" denn dann ist Ferien fürs "Männchen", wies "Frauchen" sagt!

Mit herzlichem Gruß an Dich und alle

Dein treuer

Heinz Ploum.

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[Franz Fr. Kaestner an Eberhard Arnold.]

Wildbad Badhotel, 1. September 1920

Mein lieber hochverehrter Herr Arnold!

Heute will ich Ihre mir so teuren Zeilen vom 20.August etwas ausführlicher beantworten. Meinen kurzen Eilbotenbrief, worin ich aufklärend sagte, daß der Franziskus in "Isola Garda" ein ganz einfaches Menschenkind des 19. Jahrhunderts ist und keinesfalls mit dem Heiligen von Assisi verwechselt werden darf, werden Sie pünktlich erhalten haben. Auch ich bin ein Freund des heiligen Franz, ja "Der Blütenkranz" und "Das Leben des heiligen Franz" sind mir hinlänglich bekannt. Ich habe stets mein Studium nach echt deutscher Art recht ausführlich getrieben. Mit manchen habe ich lange ringen müssen, bis er sich mir gab, bis ich ihn erlebte. Aber nachgegeben habe ich niemals. Auch Franz von Assisi gehört zu ihnen. An den trockenen wissenschaftlichen Studien hat mir nie viel gelegen, erst wenn der geistige Kern erfaßt, erst wenn er wie der Scholastiker so schön sagt zum Habitus geworden war, gab ich mich zufrieden.

Sonderbar, wie das, was wir Zufall nennen, immer wieder ins Leben hineinspielt. Am Vormittag ehe Ihr Brief eintraf, hatte ich wieder einmal Notizen niedergeschrieben, Vorarbeiten zu irgendetwas noch Unbestimmtem, das, wenn mir die Gnade zuteil wird, über kurz oder lang Gestalt annehmen soll. In diesem Zukünftigen wird auch Franz von Assisi eine Hauptrolle haben, Ja kurz zusammenfassend sage ich, wir lieben alle Kreaturen in Gott. Da ist es fast gleichgültig, ob es sich um einen nahen Verwandten, um einen Aussätzigen oder um ein Tier handelt, und wer in Gott lebt, ist fähig alle irdischen Leiden zu ertragen, ja jeder körperliche Schmerz dünkt ihm ein Kleines im Vergleich zu seelischen Qualen. Das Fünklein einmal entfacht lodert zum lichten Brand, wird Weißglut und ruht nicht eher, als bis es aus der irdischen Schale herausströmt. Dann mag die Hülle abfallen. Trotzdem dürfen wir nicht in den Fehler der Scholastik verfallen, welche vergaß, daß hier hinieden [Fleisch] und Geist eng mit einander verbunden sind. Sünde am Körper ist

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auch Sünde am Geist. Erst in einem völlig zu Blüte und Reife entfalteten Körper kann sich der Geist klar und rein offenbaren. Vom großen Einfluß unterschiedlicher klimatische Verhältnisse will ich gar nicht reden. Ja, der Körper ist eben der Raum, das Gefäß, in welchem sich der Geist, die Seele offenbaren will. Gott ist ewig unveränderlich zeit und raumlos. Aber, um sich zu offenbaren, mußte der Einzig Eine aus sich heraustreten in Zeit und Raum. Unfaßbar klingt es, aber hier muß sich die Allmacht einem selbst auferlegten Zwang unterziehen, hier am Saume zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit tritt schon in Erscheinung, was uns die Tragödie des Alls dünkt. Im Raum stoßen sich die Kräfte, so will es das Naturgesetz. Nur durchStoß und Reibung kann sich die physische Welt erhalten. Die Seele aber, das Göttliche, drängt, so sonderbar es klingt, weltverachtend zurück zum Einig Einen. Aber in dieser "Selbstsucht reinster Wesensart" vergißt die Seele, daß selbst der Schöpfer, um sich zu offenbaren, einem Zwang unterlag. Und es kann auch die Seele ihre Bestimmung erst restlos erfüllen mitten im werktägigen Leben. Ganz herrlich ist die Frömmigkeit des Franz von Assisi. Wie ich schon sagte, es ist für uns, deren Ziel im Vorwärtsschreiten gewachsen ist, selbstverständlich, daß wir alle Kreaturen nur in Gott lieben in selbstloser Hingabe. Aber wir sind kühner, wir sind willensstärker geworden. Schon Meister Eckehardt weiß, daß ein wohlhabender Mensch unter Umständen Gott näher sein kann als ein bettelarmer, Ebenso ein Mensch, der natürliche Sinnentriebe nicht durch Askese vergewaltigt, man denke nur an die tief innerlichen Chasidim. Jede übertriebene Enthaltsamkeit, Askese, birgt eine gewisse Feigheit vor dem Leben in sich. Weltflucht ist Eigensucht. Es ist, um ein ganz profanes Beispiel zu gebrauchen, viel leichter, mich des Tabaks zu enthalten, wenn ich nie unter Raucher komme, als wenn mir, der selbst leidenschaftlich geraucht hat, tagtäglich der Qualm von guten Havanna Cigarren in die Nase zieht. Wir sind eben gewachsen, ja müssen immer noch weiter wachsen und willensstärker werden. Ich bin mir wohl bewußt, daß ich in "Isola garda" in den Worten, die ich Eckehardt über Sinnenliebe in den Mund lege, weit über [ihn]

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hinausschreite. Ja, Eros ist auch nur ein Gott gewollter Trieb, dem Gesetz von Zeit und Raum zwangläufig verbunden. "Blut und Geist fluten im Geschlecht." Alles auf dieser Welt, auch Eros, ist ein Sakrament des Einig Einen. "Jede Tat ein Gottes Kult." Entsetzlich ist der Gedanke irgendwelcher Pose. Wo Inbrunst im Innern brennt, kann keine Pose sein. Das eigene persönliche Wohlergehen spielt hier stets eine ganz untergeordnete Rolle. Eine besitzergreifende Lust ist in diesem meinem Sinne also auch etwas Verwerfliches, es ist krasser Egoismus. Nein, auch in der Sinnenliebe sei man glücklich im Beglücken. Sie sprechen von der intimen Freundschaft des heiligen Franz mit der heiligen Klara. Ich möchte hier unbedenklich von Liebe reden. Denken Sie nur an die köstliche Legende, wie Klara mit Franziskus und den anderen Brüdern tafelte. Noch einmal sage ich "Blut und Geist fluten im Geschlecht", in dieser Legende tritt es köstlich zutage. Durch unglücklichselige Umstände sind die Sinnentriebe in Sonderheit im Abendland im wahren Sinn des Wortes degeneriert. Der Orient zeigt uns noch heute, wie natürlich es eigentlich sein müßte. Wo starker Geist ist, ist meist auch starke Sinnlichkeit. Aber die Sinnlichkeit wird dann vom Geist derartig stark durchströmt, daß ihr Ineinanderfluten heilige Weihe ist. In einem kleinen Pastorale "Rein empfangen" glaube ich in konzentrierter Form alles gesagt zu haben. Abschrift liegt bei. (Folgt demnächst.) Aus dieser körper seelischen Einheit zwischen zwei Menschen, die, wie Sie sehr richtig sagen, in den sogenannten Eheschließungen nur selten ist, wächst eben die Treue hervor. Unverbrüchliche Reinhaltung ist dann selbstverständlich. Jeder andauernde Zwang aber wächst zur Grimmasse, zur schrecklichen Unwahrheit. Und hier liegt ein starker Hinderungsgrund jeglicher Gemeinschaft. In der Lüge des Zwangs müssen viele aufwachsen. Ihre Seele verkrüppelt. Auch ich bin Ihrer Ansicht, daß keine Gemeinschaft möglich ist, ohne vom Geist durchdrungen zu sein. Aber vergessen wir auch hier nicht, daß wir noch im Raum leben, wo Stoß und Reibung laut ehernem Gesetz nötig sind. Ja, aus diesem Gesetz heraus ist dem physischen Menschen das Recht

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auf Leben, das Recht auf erwerbende Arbeit gegeben, sagen wir also durch Wirkung von Stoß und Reibung bedingt. Würde dieses Gesetz aufgehoben, müßte das Weltall in sich selbst zusammenstürzen, die Menschen würden allmählich völliger Lethargie verfallen. Dieses Stoßen und Reiben der Kräfte Kräfte bedingt durchaus keine Anarchie. Dafür hat der Mensch den freien Willen, den Geist, die Seele. Vermöge dieser göttlichen Gaben kann sich ein jeder von ihm zustehenden Rechten selbst mehr oder minder enthalten.

Ein nur Geliebtwerden kann uns nicht glücklich machen, nein, ich wiederhole, glücklich sind wir im Beglücken, im gegenseitigen Dienen im Sinne eines heiligen Franziskus. Aber ganz können wir das Geliebtwerden, also das Recht, das uns zusteht, hienieden kaum entbehren. Der Heilige von Assisi ist der beste Beweis, wieder denke ich an seine Liebe zur heiligen Klara, die er aufsuchte, wenn er nicht ein noch aus wußte. Ja,ich glaube, es gibt auf Erden heute noch Menschen, die ohne eigene Schuld viel ärmer sind als Franziskus. Diese Bedauernswerten müssen trotz überströmendem Herzen in Vereinsamung elend verkümmern, und würden den heiligen Franz ob seiner innigen geistigen Beziehung zur heiligen Klara unendlich beneiden.

Nach meiner Meinung liegt auch im Verkennen des ehernen Raumgesetzes das Versagen der meisten kommunistischen Siedelungen. Man vergißt eben das durch die Natur bedingte Recht auf Besitz und Erwerb. Dieser Anreiz darf keinesfalls genommen werden. Lenin müssen wir dankbar sein, er hat uns am tragischen Beispiel Rußlands gezeigt, wo graue Theorie hinführt. Nirgends wird mehr geschoben, geschachert und gewuchert als im bolschewistischen Rußland, wo offiziell auch der geringste Handel verboten ist.

Sehr freue ich mich auf "Gustav Landauer in seinen Briefen", die demnächst Carl Josef Friedrich in Ihrem Verlag herausgibt. Landauer schrieb einen fließenden packenden Stil, der wahrscheinlich in seinen Briefen ein besonderer Genuß ist. Klar hat er Marx's großen Denkfehler erkannt und gewußt, daß aller nur auf Materialismus gestellte Sozialis-

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mus ohne den Geist ein Machwerk ist. Sobald aber Landauer selbst auf praktische volkswirtschaftliche Fragen kommt, ist er Dilettant schlimmster Art.Die Utopie der Tauschbanken und der Gutscheine nach der Theorie eines Guido Gesell ist nach meinen obigen Ausführungen undurchführbar. Ja, ist denn nicht die ganze Welt eine große Tauschbank, ist unser ganzes Papiergeld nicht bereits eine Gutschein Massenfabrikation schlimmster Art? Auch Landauer bleibt nicht mit den Beinen auf dem Boden. Wir gebrauchen durchaus nicht die Welt auf den Kopf zu stellen und Jahrtausende alte Erfahrungen über Bord zu werfen. Geld ist zu einem festen Wertbegriff gewonnene Arbeit. Der Arbeit wohnt zeugende Kraft inne und ebenso dem Geld. Wir nennen es Zinsen. Man kann sich nicht genug über Gesell, der selbst Kaufmann sein soll, wundern, wenn er behauptet, daß sehr viel Geld, Kapital nutzlos, ungebraucht auf der Welt vorhanden wäre. Mir ist davon nichts bekannt. Jeder Kapitalist läßt sein Geld "arbeiten", es sei denn, daß der Bauer Goldfüchse im Strumpfe stecken hat. Lassen wir also ruhig die Menschen Geld verdienen, aber sorgen wir dafür, daß es nicht zum Schaden anderer geschieht. Ja Grund und Boden muß dem Land gehören, und auch alle Erbschaften müssen bis auf einen kleinen Bruchteil der Gemeinschaft anheimfallen. Nun all diese Punkte habe ich in "Isola garda" auch schon angedeutet. Der Zukunft muß es vorbehalten bleiben, das Thema weiter auszuspinnen.

"Nur im Erkennen liegt der wahre Glaube." Das sind die höchsten Worte, die ich aus Thomas Aquino gesogen habe. Auch er läßt Irdisches und Himmlisches in seiner Summa in Harmonie erklingen. Auf den Schultern Alberts des Großen und des Aquinaten steht unser Meister Eckehardt und so wächst im Vorwärtsschreiten das Ziel immer weiter, das walte die göttliche Gnade !

Mit herzlichen Grüßen

Ihr dankbar ergebener

Franz Friedr.Kaestner.

NS. Von Carl Hauptmann erhielt ich dieser Tage einen wertvollen Vorzugsdruck eines seiner letzten Werke mit einer sehr liebevollen Widmung als [Anerkennung] für "Isola garda". Morgen geht es schon nach [Loch] einige Verleger wollen mich sprechen; und während einer [Loch] ist man dann doch nicht mehr eigener Herr.

Der wackere Muck [Lamberti] soll letzte Woche ganz Erfurt auf den Kopf gestellt haben.

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1. September 1920

Herrn Otto Samuel, Halle/Dessauerstr. 5.

Im Auftrag von Dr. Arnold der wegen einer Netzhautablösung nicht nach Marburg kommen kann, teile ich Ihnen mit, daß wir Ihnen gestern ein Telegramm sandten, in welchem wir Sie baten, die Besprechung des Kolosserbriefes mit Herrn Pfarrer Dehn und Herrn Pfarrer Reinhold zu übernehmen. Die Einteilung für die sechs Bibelstunden ist wie folgt in Aussicht genommen:

Am 7. morgens: Kol. 1. 1 23. (S.u.D.)

" 7. abends: " 1.19. 2.15. (D.u.R.)

" 8. morgens: " 2.4. 3.4. (S.u.R.)

" 8. abends: " 2.16. 3.17. (S.u.D.)

" 9. morgens: " 3.1. 4.6. (D.u.R.)

" 9. abends: " 4.2. 18. (S.u.R.)

Herr Dr. Arnold wird sich sehr freuen, wenn Sie uns am Sonntag besuchen würden. Er sendet Ihnen herzliche Grüße in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

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1. September 1920

An die Verlagsanstalt E.A. Seemann

z.H. G. Kirstein

Leipzig

Lieber Herr Kirstein!

Wir sind jetzt hier auf dem Lande bei Schlüchtern und fühlen uns in unserer Arbeit außerordentlich wohl. In den nächsten Wochen wird unser Neuwerk-Verlag in dem Börsenblatt seine Eröffnungsanzeige und die ersten Bücher inserieren, wir freuen uns schon mächtig darauf. Unsere Heimatbücherei, von der ich seinerzeit mit Ihnen sprach, soll durch ein Buch unseres Mitarbeiters Georg Flemmigs »Dorfgeschichten« eröffnet werden. Für dieses Buch benötigen wir aus Ihren farbigen Blättern das Blatt Nr.3873 Alfred Weczerzick »Heimwärts«. Könnten wir dieses Blatt sofort haben und wie hoch käme es uns zu stehen? Wir brauchen etwa 2-3000 Exemplare. Für recht baldige Auskunft wären wir Ihnen sehr dankbar.

Ein persönlicher Brief folgt.

Mit freundlichen Grüßen von Haus zu Haus, Ihr

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[Max Bürck an Eberhard Arnold]

Baden Baden

1.IX. 20.

Lieber Arnold!

Herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Brief vom 30. Juli.

Ja, das "Neu Werk" soll mein Buch haben ["Vom Staatskirchentum zur Menschheitsreligion", 1920], das, wie ich hoffe, diesen Herbst fertig wird. Schon lange ist es in mir über seinen anfänglichen Titel hinausgewachsen. O nein, nicht bloß positiv liberal, nicht einmal bloß protestantisch katholisch, sondern abendländisches römisches Christentum und dann weiterhin Christentum und Buddhismus und theistischer Optimismus oder relativistischer, romantisierter Vitalismus das sind die Lebensspannungen, die sich heute auswirken. Der von Materialismus und Idealismus gehört schon der Vergangenheit an und hat sich leise verwandelt und verwandelt sich immer mehr in den von unpersönlicher Kraftleistung (Synthese von Preußentum und Gesinnungssozialismus der sogar ein Imperialismus von letzten Dimensionen werden kann) und Kommen des Reiches persönlichen Geistes Reich Gottesder Gemeinde der Christus Menschen. Die Christusfrage ist zu einer planetarischen gewordendurch Weltkriegund Weltrevolution. Als ich in den letzten Wochen Barth's "Römerbrief" und Spenglers "Untergang des Abendlandes"

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gelesen habe, da drängte es sich mir mit stets zunehmender Klarheit auf: Die Zeit der Bekenntnis Annahme ist vorbeies nahen sich die Zeichen einer neuen prophetischen Geistes Geschichte und gleichzeitig welterneuernde ChristustatenMitten in allem Chaos.

Es ist überwältigend, wie der Christus Geist uns Menschen benutzt, um zu wirken. Was Spengler sagt über die Formen der Kultur, ganz dasselbe drückte ich in einer größeren Predigt aus über das "Bekenntnis"Bekenntnis sei heute nur noch möglich entweder als kultisches Erlebnis oder als Tatäußerung.

Da hinaus soll mein Buch führen: einmal zur völligen Befreiung von vorläufigen Formen des religiösen Lebens und hinauf zu ihrer einzigen Bindung in der gemeinsamen Anbetung und im Ethos - - Ethos aber nicht als "Ethik", sondern als Gehalt des Lebens, wie es durch Christus in die Welt hineingeleitet wurde. Wenn man eine Formel dafür will, so sei es die:

Christlich optimistischer Lebensmonismus. Hier sind dann auch jene in der C.S.V. oft so unfruchtbar wirkenden Gegensätze von Theismus und Pantheismus aufgehoben.

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2.

Ungefährer Aufbau des Buches, dessen Titel jetzt etwa heißen soll:

Vor der Christen Weltentscheidung: "Für oder wider Christus!" oder "Die Frage für oder wider Christus!"

heute eine Weltfrage.

Einleitung: Glaube an eine quer durchkommende, aufblühende und absterbende Kulturen hindurchgehende Reich Gottes Entwicklung (im Gegensatz zu Spengler und Buddhismus) und damit an die absolute Bedeutung Jesu Christi. für dieses Planetengeschlecht.

I. Hauptteil: Langsames Zuendegehen der trennenden Confessionen, die ihre geschichtliche Mission bald erfüllt haben und Aufkommen einer neuen Urchristlichen Katholizität.

Christus, das (a) Ziel deren Erdenmenschheit und zugleich (b) die Kraftquelle, aus der unversiegliches göttliches Leben in die Welt hineinsprudelt, um die Menschen zu Gott emporzuleiten

Christus als Gottesmensch löst alle bisherigen Dogmatiken und Bekenntnisse ab und wird angeeignet im Gottesdienst.

1. Gemeinsame Anbetung.

2. Tatäußerung des in ihm entsprungenen Leben.

Damit das Christentum die Vollendung und Erf llung aller anderen Weltreligionen. Es allein befriedigt und erlöst ganz die beiden menschlichen Urtriebe der Seele:

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den Ichtrieb. Unfruchtbarkeiten bzw. Einseitigkeit alles blosen Ichstrebens: Prometheus - Steiner und Nietzsche.

Christus: Ich - göttliches Ebenbild, Erdenwirklichkeit in Christus und der Alltrieb. Unfruchtbar, bzw. Einseitigkeiten auch hier. Buddha - mechanisierter Massensozialismus.

Christus: Gott - unendlicher Lebensquell und Heimat der Seele. Stillung alles Sehnens.

"Selig sind, die da hungern und dürsten".

Hier läßt sich zusammenfassen, was als Ergebnis der Religionsgeschichte heute feststeht. Heiler, Marburg etc."Die Absolutheit des Christentums besteht nicht in besonderer Wunderhaftigkeit, sondern in seiner Wertfülle und Werthöhe."

Christentum ist tiefste Mystik und lebendigstes Persönlich

keitswirken zugleich.

II. Hauptteil: Ablösung aller unfruchtbar gewordenen intellektualistischen Alternativen (wie Freiheit und Gnade Selbsterlösung und Alleinwirksamkeit der Gnade. Natürlich und übernatürlich. Mechanistisch und schöpferisch etc.) durch Lebenspolaritäten, die im goettlichen Jenseits verschlungen sind. ("Der Tod ist verschlungen vom Sieg!! 1.Kor.15.)

III. Hauptteil: Scharfe Abgrenzung dieser christlichen "Lebens" Metaphysik gegen blose biologistische und intuiti vistisch romantische Lebensphilosophie.

(Schluß fehlt.)

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1. September 1920

An die Religiöse Gesellschaft der Freunde

Deutsche Kommission

z.Hd. Herrn Corder Catchpool

Berlin W 8

Lieber Corder Catchpool!

Mit herzlichem Dank empfingen wir Ihre Antwort auf unser Angebot und Ihre Zusage, daß Sie sich mit zwei Geschäftsanteilen gleich 1.000 Mark an unserm Neuwerk-Verlag betätigen wollen. Wir begrüßen Sie von Herzen in unsrer Genossenschaft. Sie und Miss Stevenson sind die ersten Genossen, die wir vom Ausland in unseren Verlag aufnehmen dürfen. Sie sollen uns im Sinne unserer internationalen Christus-(Gemeinschaft) besonders willkommen sein.

Wir senden Ihnen ein Formular der Beitrittserklärung, das für 500,- Mark verpflichtet und ein zweites Formular der Beteiligungserklärung, das mit den weiteren 500,- Mark ausgefüllt ist. Die sich ergebenden 1,000 Mark + 20 Mark Eintrittsgeld senden Sie bitte gleichzeitig mit der Beitrittserklärung an die Filiale der Dresdner Bank Fulda, Depositenkasse Schlüchtern, zu Schlüchtern.

Wir freuen uns, daß hoffentlich

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aus London eine Zusage und Bestellung für das wunderschöne Manuskript "Schweigende Andacht" eintreffen wird und senden dasselbe sogleich an Herrn Professor Otto, Marburg, damit er das versprochene Vorwort schreibt.

Mit herzlichem Gruß in treuer Verbundenheit

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[Eberhard Arnold an Bultmann]

Herrn Pfarrer Bultmann, Ganderkesee Oldenburg.

2.Sept.1920.

Lieber Vetter Bultmann!

Durch Otto Herpel höre ich, daß Du nach Otto Salomon gefragt hast. Otto Salomon ist ein feiner Mensch aus dem Kreis Heinz von Rhodens. Er war als Student in dem Münchner Kreis der D.C.S.V. und steht Pfarrer Mertz nahe, es wäre fein, wenn Du ihn aufnehmen könntest.

Sehr gern würde ich zum Familientag nach Oldenburg kommen, um mit Dir zusammen zu sein; haben wir doch in unserem Verwandtenkreis schon eine ganze Anzahl revolutionärer Geister, die auf die letzte Revolution, die Revolution der Herzen und der Dinge, wie sie uns Jesus bringt, ausgehen.

In diesem erneuernden Sinn drücke ich Euch auch die Hand.

Eberhard Arnold.

[Die Antwort von Fritz Bultmann in dessen Handschrift fängt im Original unten auf diesem Brief an.]

9. September 1920

L. A!

Otto Salomon hat mir geantwortet, daß er schon eine andere Stelle habe. Schade! d.h., falls er ein angenehmer Hausgenosse ist. Ich nehme gern eine Hilfskraft, mit der man geistige Gemeinschaft haben könnte, schlicht um schlicht, also mit Zeit zu eigenem Studieren, oder mit etwas Bezahlung bei entsprechend verminderter Tätigkeit für mich. Vielleicht triffst Du sonst mal was Geeignetes. Auf dem Familientag waren wir gern, wenn auch

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durch das phanfarische Fernhalten einiger Glieder wegen Peters Einladung eine Lücke bemerkbar war. Von revolutionärem Geist hab ich freilich nichts bemerkt, aber das mag daran gelegen haben, daß ich wenig mit den jüngeren Leuten ins Gespräch kam und Peter mit Frau nicht erschienen waren. Ich bin mir über ihn noch nicht ganz klar, halte aber grundsätzlich bis zum Beweis des Gegenteils jeden Verfehmten für einen positiven Revolutionären, also auch ihn. Das "alles zum besten kehren" ist verdammt selten geworden in unserer Christenheit. Nun, es wird das Verketzern nichts nutzen.

Wie gern wäre ich nach Marburg gekommen, mochte aber den Familientag nicht schwänzen. Wohl für mich persönlich, aber mit mir wäre dann auch meine Frau und Kinder zum Fernbleiben verurteilt gewesen, da sie sich allein auf der Reise nicht hätte helfen können. Und diesen Abbruch mochte ich dem Tag nicht tun, hauptsächlich um Onkel Peters[footnoteRef:1] willen. Seine Töchter sind ehrlichdemokratisch gesinnt, aber zur Revolution langts scheints nicht. Ein "Neues Werk" ist den meisten unserer Wohl und Frei Gesinnten doch noch nicht wichtig geworden. Die Kirche baut sich jetzt auch bei uns eine neue Verfassung, die vermutlich wenig wirklich aus neuem oder auch altem, wenn man an die Urchristenheit denkt, Geist bringen wird. Auch unsere liberalen Pastoren empfinden durchaus klerikal und wollen Vormünder der Herde bleiben. [1: Peter Bultmann, brother of the famous theologian Rudolf Bultmann, 2nd cousin of Eberhard Arnold]

Dein F Bultmann.

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