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Stimmen aus dem Volk: Almbruderhof Silum

EA 35/79. Material courtesy of the Liechtenstein National Library. A typescript copy is held at the BHA.

Additional Information
Author Eberhard Arnold
Date November 27, 1935
Document Id 0000000128_21_S
Available Transcriptions German

Stimmen aus dem Volk: Almbruderhof Silum

[Arnold, Eberhard and Emmy papers P.M.S]

EA 35/79

Dieser Artikel erschien in den

Liechtensteiner Nachrichten

Vaduz, Mittwoch, 27. Nov. 1935

Stimmen aus dem Volk:

Almbruderhof Silum

Es gingen uns am Donnerstag eine ganze Reihe Einsendungen zu dieser Angelegenheit aus Triesenberg zu, die wir schon aus technischen Gründen unmöglich alle veröffentlichen können; es gäbe eine Zeitung für sich; auch ist dies eine lokale und keine politische Angelegenheit. Wir sind der Ansicht, dass nur sachliche Einwände und Widerlegungen in die Zeitung gehören und geben solchen in diesem Sinne Raum.Die Bodenankaufs-gelegenheit bedarf unter allen Umständen einer gesetzlichen Regelung und hätte derselben schon längst bedurft. Dieselbe ist ebenso wichtig, wie die Einbürgerungsfrage (die hier aber nicht zur Debatte steht). Andererseits soll man auch den Gästen des Landes rechtlicherweise Gelegenheit geben, etwa in der Form eines Vertrages sich zu verpflichten, die Beschwerdepunkte nicht zu umgehen und alles zu tun, was zu einem freundnachbarlichen Verhältnis beiträgt. Was recht und billig ist, werden sie sicher annehmen, da ihnen wohl auch an einer schicklichen Lösung des Konfliktes gelegen ist. Wäre es eine jüdische Ansiedelung, so wäre der ganze Heimatdienst grundsätzlich

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aus Volkstumsinteressen für eine Verlegung des Volkssitzes ausserhalb der Landesgrenzen; wenn Bedenken wegen der abweichenden Religion bestehen, so wären diese gewiss ernstlich zu erwägen und noch wichtiger, wie die Volkstumsfragen. Soweit wir unterrichtet sind, hat man seitens des Almbruderhofes noch nie unternommen, Liechtensteiner darin zu beeinflussen und wurden auch bei seiner Herkunft entsprechende Versicherungen gefordert.

Ich hoffe, dass diese Vorausschickung allseits recht verstanden wird. Ich möchte mich keiner Parteilichkeit zeihen lassen und abseits aller taktischen Erwägungen nur meine Rechtsauffassung allgemein darstellen.

Aus demselben Rechtlichkeitsempfinden gebe ich im Folgenden beiden Standpunkten Raum.

Wie bereits ausgedrückt, nimmt der Heimatdienst als solcher zu diesen Dingen, die allein die Triesenberger zu entscheiden haben, keine Stellung und bleibt es dem Gewissen jedes Einzelnen überlassen, hier recht zu entscheiden.

Carl v. Vogelsang.

1. Der Standpunkt der Stimmensammler gegen den Almbruderhof.

Aus Triesenberg schreibt man uns:

Am 7. September 1935 haben wir bei der Ortsvorstehung Triesenberg 95 Unterschriften von Bürgern der Gemeinde abgegeben betreff des Almbruderhofes Silum.

Diese Bürger verlangen, dass der Gemeinderat mit dem Alm-

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bruderhof in Unterhandlung trete hinsichtlich eines Vertrages, der folgendes beinhalten soll:

l. Der Almbruderhof darf keinen oder nur geringen Boden käuflich erwerben;

2. Gemeinde und Fremdenpolizei haben die Papiere jedes Hofbewohners genau zu kontrollieren hinsichtlich der Aufenthaltsverweigerung für Kriegsdienstverweigerer, damit nicht staatenlose Personen eines Tages in der Gemeinde Aufenthalt nehmen;

3. Durch die Almbruderhof-Leute dürfen dem Lande keine aussenpolitischen Schwierigkeiten entstehen;

4. Es ist Versorge zu treffen, dass durch die Almbruderhofbewohner im Falle eines Krieges keine Lebensmittelknappheit entstehe.

Die unterzeichneten Bürger verlangen innert sechs Wochen eine Gemeindeabstimmung über den Vertrag.

Vergangenen Sonntag fand in Triesenberg seitens des Almbruderhofes eine Aufklärung statt. Wir zwei unterzeichnete Bürger und Stimmensammler kamen als erste in das Schulhaus und fanden dort weder den Leiter des Almbruderhofes noch unsern Vorsteher. Als unser Vorsteher erschien, machte es uns den Eindruck, als sei dieser der Vertreter des Almbruderhofes. Dr. Arnold begann die Aufklärung unter freiem Himmel. Zuerst erwähnte genannter Herr einige Punkte aus dem Unterschriftenbogen. Anschliessend sprach er von Nächstenliebe und dass man diese auch dem Almbruderhof erweisen möge. Wir brachten demgegenüber zum Ausdruck, dass uns

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derartige Ausführungen nicht am Platze zu sein scheinen, da wir einen eigenen Pfarrer in der Gemeinde haben und somit wissen, was wir zu tun haben.

Was uns besonders erbitterte, war, dass auf einmal auch jüdische Gemeindebürger gegen unsere Ansichten auftraten. (Es scheint sich um eingebürgerte Juden zu handeln, die mit dem Almbruderhof aber rein nichts zu tun haben. D. Schriftleitung.)

Wir kämpfen für Recht und Gerechtigkeit. Es steht für jeden vernünftig denkenden Triesenberger fest, dass der Almbruderhof Silum zu gewissen Bedenken Anlass gibt, da hier nicht nur mit einer Person, sondern fast hundert zu rechnen ist, die sich bald entsprechend vermehren können.

Da die unterzeichneten Bürger nur eine Sicherstellung verlangen, ist es uns unbegreiflich, dass ein solches Vorgehen noch Gegner finden kann.

Wir zwei und unsere rechtdenkenden Mitbürger kämpfen für unsere Heimat, für unsern Glauben und unser Vaterland; und Ihr Herren Gegner und Bürger der Gemeinde Triesenberg, wieso habt Ihr das Recht und woher nehmt Ihr den Mut, gegen all dies zu kämpfen, was uns nur zum Besten der Heimat scheint? Wir fragen Euch an, wo steht das katholische Triesenberg nach Jahren, wenn es so weiter geht?

Wir haben unsere Pflicht getan, mag es nun kommen oder gehen wie es will, so kann man die ganze Schuld einzig unsern Gemeinde und Landesvätern zuschreiben.

Josef Eberle

Gottlieb Eberle

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2. Der Standpunkt des Almbruderhofes Silum.

Seitens des Almbruderhofes wurde uns folgendes Schreiben mit der Bitte um Veröffentlichung übergeben:

In der Almbruderhof-Bruderschaft bedauert man es, wie schnell der aufklärende Aufsatz des Heimatdienstes, den C. v. V. über Glauben und Leben der Brudergemeinde geschrieben hatte, bei manchem Leser in Vergessenheit geraten ist. Damals wurde der einfache Charakter christlicher Nächstenliebe und die Vorliebe des Almbruderhofes für manche älteste katholische Kirchenväter und besonders für den Gründer des Franziskanerordens mit dessen wunderbarer Liebe zur Frau Armut und zur Nachfolge Christi weitgehend erkannt. Jeder katholische Christ Liechtensteins konnte es fühlen, wie nahe der Almbruderhof dem katholischen Bekenntnis gerade darin steht, dass der Glaube in der Liebe tätig sein muss. Der Almbruderhof lebt in einer Familiengemeinschaft strengster Sittlichkeit, die aus dem Glauben an Gott eine christliche Volksgemeinschaft im Kleinen darstellen will, eine Volksgemeinschaft, die in der Liebe Christi dem Gemeinnutz dienen will. In ältestem germanischen Volksgut, an altdeutschen Liedern auch alter katholischer Gesänge und bester Volkssitten drückt sich auf dem Almbruderhof eine Ueberlieferung des Alpendeutschtums so lebendig aus, wie man es sonst selten findet. Einem irrtümlichen Bedenken gegenüber, das leider--wie so manches andere--ohne jede Nachprüfung ausgesprochen wurde, sei festgestellt: Kein einziger Bruderschafter hat jüdisches Blut. Unter allen 85 Insassen sind es nur zwei Schutzbefohlene christlichen Glaubens, die mehr oder weniger jüdische Vorfahren aufweisen.

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Dr. Eberhard Arnold bittet, im Auftrag seiner Bruderschaft neben diesen Erinnerungen nochmals folgende Tatsachen feststellen zu dürfen, weil den Almbruderhöfern daran gelegen sei, in Friede und Freundschaft alle gegen seine Gemeinschaft hier und da ausgesprochenen Irrtümer zu widerlegen und endgiltig aus der Welt zu schaffen:

1. Die Almbruderhöfer sind für die bisher so freundliche Aufnahme im Lande Liechtenstein von Herzen dankbar und haben stets eine besondere Vorliebe und Verehrung für das Liechtensteiner Volk und Volkstum empfunden.

2. Dem deutschen Land und Volk bewahren sie dieselbe Liebe und Anhänglichkeit, wie es die Aufrechterhaltung ihres 70 Hektar grossen Bruderhofes im Deutschen Reich beweist. Der Regierung des Deutschen Reiches wünscht und erbittet der Almbruderhof im Einklang mit der ganzen Kirche alles das Gute, das Gottes Segen einer Obrigkeit zu geben vermag.

3. Kein einziges Glied der Bruderschaft stand oder steht unter irgend einer behördlichen Verfolgung, auch nicht wegen einer christlichen Ueberzeugung, auch nicht wegen Waffendienstverweigerung. Der Almbruderhof stimmt dem wiederholt ausgesprochenen Entschluss der Liechtensteiner Regierung zu, dass sich im Lande Liechtenstein niemand aufhalten darf, der keinen gültigen Pass oder keine anerkannte Staatszugehörigkeit besitzt oder der von den Behörden seines Landes angefordert wird. Es kann also auch in Zukunft keinerlei Bedenken in politischer oder ähnlicher Hinsicht gegen den Almbruderhof v orgebracht werden, zumal sich die Bruderhöfe niemals auch nur im Geringsten an irgend einer Parteipolitik, auch nicht an einer obrigkeitlichen Funktion einer beamteten Regierungsstelle beteiligt

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haben. Sie wollten nur für die Liebe Gottes leben.

4. Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein hat von Anfang an eine genaueste Passkontrolle und eine sehr sorgfältige Prüfung des Personenstandes, der Ueberzeugung und des Verhaltens aller Almbruderhöfer, auch aller ihrer Gäste und Kinder, vorgenommen und durchgeführt. Es war stets und ist auch fernerhin gänzlich ausgeschlossen, dass in Silum unerwünschte Elemente, wie etwa Staatenlose oder Deserteure Aufnahme finden könnten.

5. Die Almbruderhöfer haben auf das treueste alle Gesetze und Vorschriften Liechtensteins auf Grund des Studiums der Liechtensteiner Geschichte inne gehalten und werden dies allen alten und etwaigen neuen behördlichen Vorschriften gegenüber auch weiterhin solange tun, solange sie sich im Lande Liechtenstein aufhalten werden. Sie haben der Liechtensteiner Regierung stets alle Einblicke gegeben und jeden schuldigen Gehorsam geleistet.

6. Wie alle andern Dinge ist auch die wirtschaftliche, finanzielle und geschäftliche Haltung der Almbruderhöfer von Seiten der Liechtensteiner Regierung von Anfang an im Interesse des Landes so angeordnet und vereinbart worden, dass der Almbruderhof seine jährlichen Einnahmen so ausschliesslich wie irgend möglich, in Höhe von 30,000 bis fast 40,000 Franken aus dem Ausland bezieht und in das Land von draussen hereinbringt, dass also fast die gesamte Summe von zirka 30,000 Franken jährlich im Lande Liechtenstein verbraucht wird. Durch die Arbeit des Almbruderhofs ist also die Wirtschaftslage des Landes um zirka 30,000 Franken verbessert worden. Auf die Gemeinde Triesenberg entfällt fast die Hälfte dieser Geld-

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zufuhr. Mit 12,000 bis 14,000 Franken Jahresumsatz ermöglicht der Almbruderhof den Triesenberger Landwirten, Geschäftsleuten, Fuhrleuten und Handwerkern einen lohnenden Verdienst, für deren dankenswerte Arbeit, Lieferung und sonstige Leistung.

7. Der Almbruderhof hat bisher keinerlei Land gekauft oder als sonstiges Eigentum in Besitz genommen. Den Almbruderhöfern liegt jede Absicht fern, gegen den allgemeinen Willen einer bodenständigen Bevölkerung--wie etwa durch das Bieten eines übersetzten Hochpreises-grosse Stücke Landes an sich zu bringen. Er hat im Gegenteil bewiesen, dass er auf Grund vernünftiger Sicherungen sogar bereit ist, auf gepachtetem Gelände kleinere gärtnerische Gebäude zu errichten. Im Uebrigen würde der Almbruderhof grössere Kapitalien, wie sie etwa zum Bau einiger einfacher Häuser erforderlich wären, nur dann einbringen können, wenn der Aufbau eines Bruderhofes nicht nur wie bisher von allen Nachbarn, die das Leben der Almbruderhöfer kennen, -sondern auch von allen andern Liechtensteinern mit freundlicher Gesinnung begrüsst würde.

8. Der weiter ausgesprochenen Befürchtung gegenüber, dass bei etwa im Lande Liechtenstein bedrohlich auftretender Lebensmittelknappheit die Anwesenheit so vieler Almbruderhöfer lästig fallen könnte, verweist der Almbruderhof auf den Sachverhalt, dass seine intensive Gartenarbeit auf entlegenem Gelände im Gegenteil dazu beitragen kann, einer drohenden Lebensmittelknappkeit zu begegnen, da bisher noch niemals in dieser Abgelegenheit so erfolgreiche Versuche der Gartenkultur unternommen wurden. Ferner muss sein in das Land eingeführtes Geld dieselbe Wirkung haben, dass dem Liechten-

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steiner Volk die Lebensmittelbeschaffung erleichtert wird. Schliesslich aber kann die Regierung des Landes Liechtensten -- durch keinerlei Verpflichtung gebunden -- jederzeit den Almbruderhöfern wie jedem Kurgast die Aufenthaltserlaubnis entziehen, wenn es im Interesse einer besseren Lebensmittelversorgung des eingesessenen Liechtensteiner Volkes notwendig sein sollte.

9. Der Almbruderhof hat dem Lande Liechtenstein eine nicht unbeträchtliche Anzahl angesehener Kurgäste zugeführt, die durch die Kurhäuser und andere Einkaufstellen dem Lande, besonders der Gemeinde Triesenberg, gute Einnahmen erschlossen. Die Almbruderhöfer wollen ihre Dankbarkeit dem Gastlande Liechtenstein gegenüber auch künftig dadurch beweisen, dass sie einflussreiche Kreise bedeutender Länder auf die Vorzüge des Landes Liechtenstein aufmerksam machen. Sie wollen dies auch dann tun, wenn sie sich vielleicht einmal nicht mehr im Lande Liechtenstein aufhalten werden. Alle ihre guten Wünsche werden dem Land und Volk der Liechtensteiner für immer treu bleiben.

10. Der Almbruderhof bittet alle Liechtensteiner Bürger, dafür einzutreten, dass alle Behauptungen, die hier oder dort aufgestellt werden, einer fachgemässen Prüfung unterzogen werden, die auf geordnetem Wege den wahren Sachverhalt feststellt, anstatt dass man irrigen Befürchtungen Glauben ohne Nachprüfung schenkt.

Dr. Eberhard Arnold.